Juri Petrowitsch Schtschekotschichin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Juri Petrowitsch Schtschekotschichin (russisch Юрий Петрович Щекочихин, wiss. Transliteration Jurij Petrovič Ščekočichin; * 9. Juni 1950 in Kirowabad, Aserbaidschanische SSR, Sowjetunion; † 3. Juli 2003 in Moskau) war ein russischer Menschenrechtsaktivist, Journalist und Duma-Abgeordneter. Schtschekotschichin, einer der publizistischen Wortführer der Opposition, wurde bekannt durch seine Kritik am Zweiten Tschetschenienkrieg und seinen Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen. Er starb unter zweifelhaften Umständen.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schtschekotschichin absolvierte im Jahr 1975 die journalistische Fakultät der Moskauer Universität.

Publizistische Karriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1967 bis 1970 arbeitete er bei der Tageszeitung Moskowski Komsomolez – zunächst als Volontär, dann als Korrespondent. Von 1971 bis 1980 war er Sonderkorrespondent der Tageszeitung Komsomolskaja Prawda. Von 1980 an war er bei der Wochenzeitung Literaturnaja gaseta beschäftigt.

Im Juni 1992 veröffentlichte Schtschekotschichin den Artikel Страх (dt.: Angst), in dem er sich mit Korruption im Moskauer Bürgermeisteramt beschäftigte. Im Jahr 1995 war er kurzfristig Autor und Redakteur der Sendung Journalistische Untersuchung beim Sender ORT. Diese wurde im Oktober 1995 abgesetzt weil sie, so die offizielle Begründung, „die Lage im Land destabilisiere“. Seit Januar 1997 war er stellvertretender Chefredakteur der Nowaja gaseta, dort leitete er zuletzt die Abteilung Recherche.

Politische Karriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schtschekotschichins politische Karriere begann 1990 mit der Wahl in den Volksdeputiertenkongress, das Parlament der Sowjetunion. Er war Mitglied der Reformfraktion Interregionale Gruppe und von 1990 bis 1992 Mitglied des Komitees des Obersten Sowjets für Verbrechensbekämpfung und Bekämpfung von Privilegien.

Bei der Wahl am 17. Dezember 1997 wurde er auf der Liste der Reformpartei Jabloko zum Mitglied der russischen Duma gewählt; von Februar 1996 an war er für die zweite Legislaturperiode des Parlaments Mitglied des Ausschusses für Staatssicherheit. Zur Zeit des Ersten Tschetschenienkrieges beteiligte er sich im Frühjahr 1996 an einer Aktion zur Freilassung von russischen Soldaten, die sich in der Gefangenschaft tschetschenischer Rebellen befanden. Von April 1997 an war er Mitglied des Parlamentsausschusses zur Überprüfung von Korruption der Ämter und Amtspersonen Russlands. Am 19. Dezember wurde er zum Abgeordneten der Duma der dritten Legislaturperiode gewählt. Er galt als Experte für Korruption und organisiertes Verbrechen.

Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schtschekotschichin starb unter ungeklärten Umständen. Vom 16. Juni 2003 an fühlte er deutliches Unwohlsein, begab sich aber dennoch auf eine Dienstreise nach Rjasan, dem Ort eines verhinderten Bombenanschlags im Jahre 1999.[1] Am 21. Juni wurde er in lebensbedrohlichem Zustand ins Moskauer Zentralkrankenhaus eingeliefert.

In der Nacht des 3. Juli 2003 starb er. Die offizielle Todesursache war eine heftige allergische Reaktion, das Lyell-Syndrom.[2]

Politische Freunde des Verstorbenen zweifelten diese Darstellung an. Sie wiesen darauf hin, dass der Verstorbene nicht an Allergien gelitten habe und dass nie geklärt wurde, was den angeblichen allergischen Schock ausgelöst hatte. Ihre Versuche, die Umstände des Todes näher zu untersuchen, wurden jedoch von offizieller Seite behindert; zahlreiche Fragen konnten nicht beantwortet werden. So wurde das Ergebnis der Autopsie selbst den Angehörigen nicht mitgeteilt.[3] Seine Krankenakte verschwand.[4] In den Medien wird von einer möglichen Vergiftung gesprochen.[5][6] Nicht nur ausländische, auch russische Medien erörtern diese Möglichkeit,[7] der langjährige Chefredakteur Dmitri Muratow der Nowaja gaseta ist davon überzeugt.[8] Die oppositionelle Internetzeitung grani.ru reiht den Fall unter die großen politischen Morde in Russland ein.[9] 2018 listete die Nowaja gaseta die offenen Fragen dazu auf, unter anderem nach dem Verbleib der letzten Blutproben.[10]

Mitgliedschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1988 an führendes Mitglied der Gesellschaft Memorial, die sich der Aufklärung stalinistischer beziehungsweise kommunistischer Verbrechen widmet; von 1993 an Präsident der Internationalen Stiftung zur Förderung junger künstlerischer Intelligenz.

Zitat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sprechen oder nicht Sprechen ist manchmal wichtiger als Sein oder Nichtsein.[11]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Medaille Den Verteidigern des freien Russland
  • Medaille Zum 850. Jahrestag der Stadt Moskau

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Sklaven der Staatssicherheit. 20. Jahrhundert. Die Religion des Verrates Moskau, SAO FID Delowoi Ekspress, Fjodorow Korporazija 1999, ISBN 5-8407-0005-3 Online auf russisch hier [1]
  • Das vergessene Tschetschenien. Seiten aus dem Notizbuch des Krieges (russisch: Забытая Чечня: Страницы из военных блокнотов) Moskau, Olimp 2003 ISBN 5-7390-1261-9

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Juri Schtschekotschichin – In Liebe (russisch: Юрию Щекочихину, с любовью) Moskau Nowaja gaseta Inapress 2006 Код ISBN 5-87135-180-8

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. War Critic Is Mourned, Jamestown Foundation, 10. Juli 2003
  2. Juri Schtschekotschichin ist gestorben Auf: grani.ru vom 3. Juli 2003
  3. Последнее дело Юрия Щекочихина (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive). Der letzte Fall des Juri Schtschekoschichin. Auf: Webseite der Partei der Sozialen Verteidigung vom 23. Juli 2006 (russisch)
  4. Timofey Neshitov, Emile Ducke: (S+) Friedensnobelpreisträger Dmitrij Muratow: Der Mann, der nicht vor Putin kuscht (S+). In: Der Spiegel. 10. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. Dezember 2021]).
  5. Moskau schimpft Litwinenko einen „unbedeutenden Wicht“. In: sueddeutsche.de. 7. Dezember 2008, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  6. Florian Hassel: Tödliche Quittung für die Kritik@1@2Vorlage:Toter Link/www.bietigheimerzeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Bietigheimer Zeitung vom 22. November 2006
  7. Famous Poisonings (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive), in: Kommersant online vom 22. November 2006 (englisch)
  8. „Я постараюсь стать посредником между болью людей и властью“ („Ich werde versuchen, zwischen dem Schmerz der Menschen und der Macht zu vermitteln“), Nowaja gaseta, 31. Januar 2018 (russisch)
  9. Große politische Morde (russisch) Auf: grani.ru vom 12. Oktober 2006
  10. Das Austreten von Gift, Nowaja gaseta, 3. Juli 2018
  11. Juri Schtschekotschichin Auf der Webseite von: memorial.ru