Kabinett Tirard II

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Pierre Tirard

Das zweite Kabinett Tirard war eine Regierung der Dritten Französischen Republik. Es wurde am 23. Februar 1889 von Premierminister (Président du Conseil) Pierre Tirard gebildet und löste das Kabinett Floquet ab. Es blieb bis zum 14. März 1890 im Amt und wurde daraufhin vom Kabinett Freycinet IV abgelöst.

Im Kabinett waren die Union des gauches (UG), die Union démocratique (UD), die Gauche républicaine (GReps), die Gauche radicale (GR), die Républicains modérés (RM) und die Extrême gauche (EG) vertreten.

Kabinett[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Kabinett gehörten folgende Minister an:

Unterstaatssekretäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Kabinett gehörten folgende Sous-secrétaires d’État an:

Historische Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Propagande, Öl auf Leinwand von Jean-Eugène Buland, 1889 (Porträt von General Boulanger unter einer Bauernfamilie)

Noch während der Amtszeit Charles Floquets hatte der Boulangismus seinen Höhepunkt erreicht (27. Januar 1889). Danach befand er sich politisch auf dem Rückzug, da Georges Boulanger die Gelegenheit verpasst hatte, außerparlamentarisch nach der Macht zu greifen. Boulanger setzte auf die Parlamentswahlen vom Herbst 1889, bei denen seine Bewegung mit 206 von 576 Sitzen zwar stark abschnitt, dennoch deutlich hinter den von Pierre Tirard geführten Regierungsparteien mit 353 Sitzen zurückblieb.[A 1][3]

Tirard nutzte die Schwäche Boulangers, um die Bewegung zu zerschlagen. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt löste er Paul Déroulèdes Ligue des Patriotes auf (sie sollte während der Dreyfus-Affäre wieder auferstehen) und ließ die Anführer juristisch verfolgen.[3][4] Boulanger selbst floh am 1. April nach Brüssel.[5] Am 20. August 1889 wurde er zu Haft und Deportation verurteilt.[5] Mit dem Gesetz vom 17. Juli 1889 ließ die Regierung Mehrfachkandidaturen verbieten, was populistische Bewegungen wie den Boulangismus in ihren Möglichkeiten einschränkte.[4][6]

Die Regierung verabschiedete das Gesetz vom 26. Juni 1889 über die französische Staatsbürgerschaft (Loi du 26 juin 1889 sur la nationalité). Damit kehrte Frankreich zum Geburtsortsprinzip zurück.[7] Mit dem Loi Freycinet vom 15. Juli 1889 wurde die Dauer des Militärdienstes auf drei Jahre festgelegt und Ausnahmen wurden reduziert.[8]

Mit dem Cadot-Urteil vom 13. Dezember 1889 wurde die Praxis des ministre-juge beendet.[A 2][9]

Eiffelturm 1889

Am 20. Juli 1889 wurde in Paris die Zweite Internationale der Arbeiterbewegung gegründet. Am 10. Mai 1889 wurde in Paris während der Weltausstellung der Eiffelturm eröffnet.

Nachdem er in einer Zoll-Frage vom Senat überstimmt worden war, trat Tirard zurück.[4]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die französischen Zahlen sind widersprüchlich. Die Seite zur Wahl fr:Élections législatives françaises de 1889 nennt die 206 Sitze als Zusammenfassung von Boulangisten und Union des droites. Davon seien 88 Abgeordnete Boulangisten gewesen. Auf der Seite fr:1889 en France ist dagegen von nur 42 Boulangisten die Rede. Dies ist der französischen Praxis geschuldet, dass sich ein Abgeordneter innerhalb eines Wahlbündnisses mehreren Untergruppierungen anschließen kann. Auch in der derzeitigen (2023) Nationalversammlung sind nur die Wahlbündnisse klar – wie viele Abgeordnete auf welche Parteien entfallen, ist strittig.
  2. Als Minister-Richter wird die alte Praxis des französischen Verwaltungsrechts bezeichnet, die jeden Minister in erster Instanz zum ordentlichen Richter für streitige Verwaltungssachen machte, die in seinen Zuständigkeitsbereich fielen. Das Urteil Cadot des Staatsrats vom 13. Dezember 18891 setzte dieser Praxis ein Ende, indem er sich für die Entscheidung über eine Klage auf Aufhebung einer Verwaltungsmaßnahme für zuständig erklärte.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jules François Emile KRANTZ. In: Ecole.nav. Abgerufen am 14. August 2023 (französisch).
  2. Etienne, Léopold Faye. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. August 2023 (französisch).
  3. a b Georges, Ernest, Jean-Marie Boulanger. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 10. Juni 2023 (französisch).
  4. a b c Pierre, Emmanuel Tirard. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 10. Juni 2023 (französisch).
  5. a b Philippe Valode: L'histoire de France en 2 000 dates. Acropole, 2011, ISBN 978-2-7357-0361-6 (google.de).
  6. Alexandre Zévaès: Au temps du Boulangisme. Gallimard, Paris 1930, ISBN 978-2-07-281170-8 (google.de).
  7. https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000000314389/. In: Légifrance. Abgerufen am 3. Juli 2023 (französisch).
  8. Les dépenses de la loi militaire (aus der Revue internationale de l’enseignement). In: Persée. Abgerufen am 14. August 2023 (französisch).
  9. Élisabeth Chaperon und Gérard Terrien: Droit public Catégories A et B. Foucher, 2011, ISBN 978-2-216-12065-9.