Kabinett Clemenceau II

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Le Petit Journal vom 2. Dezember 1917 - Zweites Kabinett Clemenceau mit Stephen Pichon und Jules Pams
Kabinett Clemenceau - Le Journal - 17. November 1917

Das zweite Kabinett Clemenceau war eine Regierung der Dritten Französischen Republik. Es wurde am 16. November 1917 von Premierminister (Président du Conseil) Georges Clemenceau gebildet und löste das Kabinett Painlevé I ab. Es blieb bis zum 18. Januar 1920 im Amt und wurde vom Kabinett Millerand I abgelöst.

Dem Kabinett gehörten Minister der – zu dieser Zeit allerdings nur noch rudimentär bestehenden – Union sacrée (Allparteienregierung) an: Fédération républicaine (FR, Abweichler), Parti républicain, radical et radical-socialiste (PRRRA), Radicaux indépendants (RI) und Alliance démocratique (ARD).

Kabinett[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Kabinett gehörten folgende Minister an:

Unterstaatssekretäre und Generalkommissar[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Kabinett gehörten folgende Sous-secrétaires d’État an (ab 17. November 1917):

  • Premierminister und Krieg: Jules Jeanneney (PRRRS)
  • Innenministerium: Ernest Albert-Favre[8] (PRRRS)
  • Finanzministerium: Charles Sergent[9]
  • Militärpersonal und Renten: Léon Abrami[10] (ARD)
  • Militärischer Gesundheitsdienst: Justin Godart[11] (PRRRS)
  • Militärische Luftfahrt und Marineflieger: Jacques-Louis Dumesnil[12] (PRRRS)
  • Militärgerichtsbarkeit: Édouard Ignace[13]
  • Kriegsmarine (bis 19. November 1918): Jules Cels-Couybes[14] (PRRRS)
  • Marine (Transporte) und Handelsmarine (bis 5. Dezember 1918): Henry Lémery[15]
  • Verpflegung: Ernest Vilgrain[16]
  • Öffentlicher Unterricht und schöne Künste: Albert Dalimier (PRRRS)
  • Öffentliche Arbeiten und Verkehr (ab 19. November 1918): Jules Cels-Couybes
  • Demobilisierung (von 6. Dezember 1918 bis 27. November 1919): Louis Deschamps (ARD)
  • Liquidation der Bestände: Paul Morel[17] (RI)
  • Post und Telegraphie (ab 27. November 1919): Louis Deschamps

Als Generalkommissar fungierte:

  • Generalkommissar für Benzin und Brennstoffe (von 21. August 1918 bis 18. Februar 1919): Henry Bérenger (PRRRS)

Historische Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die „Großen Vier“ (von links): David Lloyd George, Vittorio Emanuele Orlando, Georges Clemenceau und Woodrow Wilson bei den Verhandlungen in Versailles.

Während der Regierungszeit Clemenceau II endete am 11. November 1918 der Erste Weltkrieg. Von 18. Januar 1919 bis 21. Januar 1920 fand in Paris die Pariser Friedenskonferenz 1919 statt, auf der die Pariser Vorortverträge einschließlich des Vertrags von Saint-Germain (Deutschösterreich) und des Friedensvertrags von Versailles (Deutsches Reich) verhandelt wurden.

1917[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 22. Dezember wurde die parlamentarische Immunität des früheren Premier- und langjährigen Finanzministers Joseph Caillaux wegen Beziehungen zu pro-deutschen Pazifisten aufgehoben (418:2 Stimmen). Am 14. Januar 1918 wurde er verhaftet.[18]

1918[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fotografie, aufgenommen nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands beim Verlassen des Waffenstillstandswaggons des Stabszuges von Marschall Ferdinand Foch (zweiter von rechts).

Der amerikanische Präsident Wilson verkündete am 8. Januar 1918 sein 14-Punkte-Programm. Am 10. Februar wurden in Frankreich Lebensmittelkarten eingeführt.[19] Am 21. März begannen die bis zum 18. Juli andauernden deutschen Frühjahrsoffensiven. Am 26. März wurde General Foch zum Oberbefehlshaber der Westfront und zum Generalissimus ernannt. Am 14. April wurde er Oberbehlshaber der alliierten Streitkräfte.[20][21]

Am 13. Mai begannen in den Renault-Werken Streiks, die auf andere Rüstungsbetriebe übergriffen.[22]

Bei der Schlacht im Wald von Belleau trafen im Juni 1918 erstmals amerikanische und deutsche Truppen aufeinander. Am 15. Juli begann die zweite Schlacht an der Marne. Am 12. August wurde in Frankreich der erste Fall der Spanischen Grippe bekannt.[23]

Am 11. November 1918 wurde bei Compiègne der Waffenstillstand unterzeichnet.

1919[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Friedenskonferenz begann am 18. Januar 1919 am Quai d’Orsay in Paris (1919–1920). Auf ihr kamen die Vertreter der 27 siegreichen Staaten des Ersten Weltkriegs zusammen, um Friedensverträge auszuhandeln und den Völkerbund zu gründen. Georges Clemenceau wurde zu ihrem Präsidenten gewählt, die anderen Vertreter der großen Länder waren der Brite David Lloyd George, der Amerikaner Thomas Woodrow Wilson und der Italiener Vittorio Orlando.

Das Gesetz vom 4. Februar 1919 (auch loi Jonnart genannt) verbesserte die Bürgerrechte insbesondere der Muslime in Algerien.[24] Am 19. Februar wurde Georges Clemencea bei einem Attentat des Anarchisten Émile Cottin[25] verwundet.[26]

Das Gesetz über Tarifverträge wurde am 25. März 1919 verabschiedet.[27] Am 29. März wurde Raoul Villain, der Mörder von Jean Jaurès, freigesprochen.[19]

Die Regierung versuchte den Achtstundentag einzuführen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die durch die Rückkehr der Frontkämpfer stark angestiegen war. Die Vorlage wurde vom Senat angenommen, aber von der Abgeordnetenkammer zunächst abgelehnt. Erst am 23. April 1919 wurde das Gesetz angenommen.[28]

Die Friedensbedingungen wurden der deutschen Delegation am 7. Mai im Trianon Palace in Versailles übergeben; die deutsche Regierung hatte 15 Tage Zeit, um Anmerkungen zu machen, und ab der Antwort der Alliierten am 16. Juni fünf Tage Zeit, um den Text unter der Androhung eines Bruchs des Waffenstillstands und der Invasion Deutschlands anzunehmen.[29]

Ein Vorstoß für das Frauenwahlrecht wurde am 20. Mai 1919 in der Kammer angenommen, aber letztendlich am 21. November 1922 im Senat abgelehnt.[30]

Anfang Juni begann der Generalstreik der Metallarbeiter in der Region Paris. Im Laufe des Monats schlossen sich ihnen die Arbeiter der Chemie-, Parfümerie-, Gummi- und Pharmaindustrie (71.000 Streikende), die Angestellten der Pariser Verkehrsbetriebe (über 20.000 Streikende), die Wäscherinnen (18.000 Streikende), die Baumaler (15.000 Streikende), die Handelsangestellten (4500 Streikende) und andere an, d. h. insgesamt streikten im bis Juli 1919 über 300.000 Menschen.[A 2][31]

Am 28. Juni 1919 wurde im Spiegelsaal von Versailles der Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich unterzeichnet (von Frankreich ratifiziert am 11. Oktober[32]). Der Vertrag von Saint-Germain mit Österreich folgte am 10. September. Am 27. November wurde der Vertrag von Neuilly-sur-Seine mit Bulgarien unterzeichnet. Zum ersten Jahrestag des Waffenstillstands wurde ein Gesetz verabschiedet, das das Gedenken an die Toten des Kriegs regelte. Es gilt – bei allerdings abweichenden Meinungen – als der Ursprung der Schweigeminute.[33]

Im Vorfeld der nächsten Parlamentswahlen wurde im Juli das Wahlrechtsreform verabschiedet; im Gegensatz zum bisherigen Mehrheitsrecht wurde nun ein gemischtes Verfahren angewandt. Bei diesen Parlamentswahlen Wahlen im November 1919 setzte sich der konservative Bloc national der Regierungsparteien mit 412 von 613 Sitzen klar durch. Die Union sacrée wurde beendet.

Mit dem Pariser Luftfahrtabkommen vom 13. Oktober 1919 wurde erstmals der internationale Flugverkehr reguliert.

Am 2. November wurde die Confédération française des travailleurs chrétiens, also der französische Verband christlicher Arbeitnehmer, gegründet.[34]

1920[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Präsidentschaftswahl im Januar 1920 wurde Paul Deschanel gewählt. Im Vorfeld war Clemenceau als Favorit gehandelt worden, unterlag aber in einer internen Abstimmung der Regierungsparteien Deschanel und trat daraufhin nach der Wahl Deschanels als Regierungschef zurück.[35]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. „Ministre du Blocus des Régions libérées“
  2. Siehe hierzu weiterführend fr:Grèves de juin 1919 in der französischsprachigen Wikipédia.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Louis Lafferre. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  2. Victor Boret. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  3. CLAVEILLE Albert Ancien sénateur de la Dordogne. In: Sénat. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  4. Louis, Joseph, Marie Dubois. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  5. Henry Simon. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  6. Pierre Colliard. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  7. Paul, Léon Jourdain. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  8. Ernest, Charles Albert-Favre. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  9. Angaben zu Charles Sergent in der Datenbank der Bibliothèque nationale de France.
  10. Léon, Pierre Abrami. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  11. Justin Godart. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 12. Dezember 2023 (französisch).
  12. Jacques-Louis Dumesnil. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 12. Dezember 2023 (französisch).
  13. Édouard Ignace. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  14. Jules Cels-Couybes. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  15. Henry Lémery. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (französisch).
  16. Angaben zu Ernest Vilgrain in der Datenbank der Bibliothèque nationale de France.
  17. Jean Paul Morel. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 12. Dezember 2023 (französisch).
  18. Dossier thématique 1914–1918. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 15. Dezember 2023 (französisch).
  19. a b Éric Deschodt: Pour Clemenceau. Éditions de Fallois, 2017, ISBN 979-1-03210068-4.
  20. Spencer Tucker und Priscilla Mary Roberts: World War One : Encyclopedia. Band 1. ABC-CLIO, 2005, ISBN 978-1-85109-420-2.
  21. Laurent Bonnaud: France-Angleterre : un siècle d'entente cordiale 1904–2004 : Deux nations, un seul but ? L’Harmattan, 2004, ISBN 978-2-296-35709-9 (google.de).
  22. Jean-Jacques Becker und Serge Berstein: Victoire et Frustrations (1914–1929). Points, 2014, ISBN 978-2-7578-3949-2 (google.de).
  23. Pierre Pluchon: Histoire des médecins et pharmaciens de Marine et des colonies. Band 2. Éditions Privat, 1985 (google.de).
  24. Seite 1358, Gesetz vom 4. Februar 1919 auf Gallica
  25. Jean Maitron, bearbeitet von Rolf Dupuy: COTTIN Émile. In: Le Maitron. Abgerufen am 16. Dezember 2023 (französisch).
  26. Jean-Louis Debré: Dictionnaire amoureux de la République. Place des éditeurs, 2017, ISBN 978-2-259-25288-1 (google.de).
  27. Alain Chatriot: La loi du 25 mars 1919 sur les conventions collectives. In: Jean-jaures.org. Abgerufen am 3. Juli 2023 (französisch).
  28. Michel Cointepas: Il y a 80 ans, « la journée de huit heures ». Abgerufen am 3. Juli 2023 (französisch).
  29. Jean-Jacques Becker: Le traité de Versailles : Que sais-je ? Presses universitaires de France, 2019, ISBN 978-2-13-081568-6 (google.de).
  30. Jean-Louis Debré: Nos illustres inconnus : Ces oubliés qui ont fait la France. Albin Michel, 2018, ISBN 978-2-226-43194-3 (google.de).
  31. Jean-Louis Robert: Les ouvriers, la patrie et la révolution : Paris 1914–1919. Presses Univ. Franche-Comté, 1995, ISBN 978-2-251-60592-0 (google.de).
  32. Nadine Akhund-lange und Stephane Tison: En guerre pour la paix. Alma, 2018, ISBN 978-2-36279-264-9.
  33. Rémi Dalisson: Les guerres et la mémoire. CNRS, 2013, ISBN 978-2-271-07904-6.
  34. René Mouriaux: L’année sociale. Éditions de l’Atélier, 1999, ISBN 978-2-7082-3421-5 (google.de).
  35. Thierry Billard: Paul Deschanel. Belfont, Paris 1991, S. 220–223 (Digitalisat auf Gallica).