Kassit

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Kassit
Hellgelbe Kassit-Sphärolithe mit gelborangen, tafeligen Cafetit-Kristallen in einer Matrix aus Lizardit (Bildbreite 2 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1968 s.p.[1]

IMA-Symbol

Kas[2]

Chemische Formel
  • CaTi2(OH)2O4[3]
  • CaTi2O4(OH)2[4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

IV/D.20
IV/D.20-010

4.DH.10
08.03.09.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol nicht definiert
Raumgruppe nicht definiert
Gitterparameter a = 5,23 Å; b = 9,08 Å; c = 4,78 Å[3]
Formeleinheiten Z = 2[3]
Zwillingsbildung verbreitet nach {101} und {181}[5]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5[6]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,42; berechnet: 3,418[5]
Spaltbarkeit vollkommen nach {010}, deutlich nach {101}[7]
Bruch; Tenazität sehr spröde
Farbe farblos, hellgelb, braunrot[6]
Strichfarbe weiß[6]
Transparenz durchscheinend
Glanz Diamantglanz
Magnetismus paramagnetisch[7]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,950[8]
nβ = 2,130[8]
nγ = 2,210[8]
Doppelbrechung δ = 0,260[8]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = 58° (gemessen); 62° (berechnet)[8]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten unlöslich in Säuren[7]

Kassit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ mit der chemischen Zusammensetzung CaTi2(OH)2O4[3] und ist damit chemisch gesehen ein basisches Calcium-Titan-Oxid.

Kassit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt nach der b-Achse abgeflachte, blättrige und pseudohexagonale Kristalle von bis zu einem Millimeter Größe[9] und diamantähnlichem Glanz auf den Oberflächen. Die durchscheinenden Kristalle sind von braunroter oder hellgelber Farbe und oft zu rosettenförmigen Mineral-Aggregaten angeordnet sind. Auch farblose Kassite sind bekannt.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals entdeckt wurde Kassit im Afrikanda-Massiv (russisch: Африканда) in der Oblast Murmansk auf der russischen Halbinsel Kola. Die Erstbeschreibung des Minerals erfolgte 1965 durch Alexander Alexandrowitsch Kucharenko, M. P. Orlova, A. G. Bulakh, E. A. Bagdasarov, O. M. Rimskaya-Korsakova, Y.I. Nefedov, G. A. Ilyinskiy, A. C. Sergeyev und N. B. Abakumova. Sie benannten das Mineral nach dem Geologen Nikolai Grigor’evich Kassin (1885–1949), der das Afrikanda-Massiv entdeckte.

Typmaterial des Minerals wird im Mineralogischen Museum der Universität Sankt Petersburg unter der Katalog-Nr. 17402 aufbewahrt.[10]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Kassit zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung der „Oxide mit Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 1 : 2 (MO2 und verwandte Verbindungen)“, wo er zusammen mit Cafetit, Kobeit-(Y) und Lucasit-(Ce) die unbenannte Gruppe IV/D.20 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Kassit ebenfalls in die Abteilung der Oxide mit Stoffmengenverhältnis „Metall : Sauerstoff = 1 : 2 und vergleichbare“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung und seinem Aufbau in der Unterabteilung „Mit großen (± mittelgroßen) Kationen; Lagen kantenverknüpfter Oktaeder“ zu finden ist, wo es nur noch zusammen mit Lucasit-(Ce) die „Lucasitgruppe“ mit der System-Nr. 4.DH.10 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Kassit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“, dort allerdings in die Abteilung der „Mehrfachen Oxide mit Nb, Ta und Ti“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 08.03.09 innerhalb der Unterabteilung „Mehrfache Oxide mit Nb, Ta und Ti und der Formel A(B2O6)“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kristallstruktur von Kassit wurde in der Erstbeschreibung von 1965 als orthorhombisch mit den Gitterparametern a = 8,99+0,03 Å; b = 9,55+0,03 Å und c = 5,26+0,01 Å bestimmt, allerdings ohne Angabe der Raumgruppe und der Anzahl der Formeleinheiten pro Elementarzelle.[7]

Peter G. Self und Peter R. Buseck analysierten die Struktur von Kassit 1991 anhand von Proben vom Josephine Creek im gleichnamigen County des US-Bundesstaates Oregon neu und kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Kassit in orthorhombischer Symmetrie kristallisiert, jedoch mit den korrigierten Gitterparametern a = 9,08 Å; b = 4,78 Å und c = 5,23 Å.[11]

Bei der Analyse eines Fundes von Kassitkristallen mit einem Anteil von 2 Gewichts-% Cr2O3 aus der Chromit-Lagerstätte Saranowskoje nahe Gornosawodsk in der russischen Region Perm, analysiert und 2003 publiziert durch I. E. Grey, W. G. Mumme, I. V. Pekov und D. Yu. Pushcharovsky, wurden bei monokliner Symmetrie und der Raumgruppe P21/a (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 3)Vorlage:Raumgruppe/14.3 die Gitterparameter a = 5,275(1) Å, b = 9,009(2) Å, c = 9,557(2) Å und β = 90,43° ermittelt.[12]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kassit bildet sich in alkalischen Pegmatiten und wurde an seiner Typlokalität im Afrikanda-Massiv auf der Halbinsel Kola als Auskleidung miarolithischer Hohlräume entdeckt. Als Begleitminerale traten hier Cafetit, Perowskit und Titanit auf.[5] Daneben konnte das Mineral in Russland noch in den nahe gelegenen Chibinen, genauer am Raswumtschorr und am Yukspor sowie in der Chromit-Lagerstätte Saranowskoje nahe Gornosawodsk im Föderationskreis Ural entdeckt werden.

In der polymetallischen Erzlagerstätte Josephine Creek im Josephine County des US-Bundesstaates Oregon fand sich Kassit vergesellschaftet mit Ilmenit, Perowskit, Rutil und Titanit.[5]

Weitere bisher bekannte Fundorte sind die sedimentäre Eisenerzlagerstätte vulkanischen Ursprungs nahe Wugang in der chinesischen Provinz Henan, der Marmor-Steinbruch Val di Serra bei Pilcante in der Vallagarina in der italienischen Provinz Trient, eine Zinnerzlagerstätte bei Hat Yai in der thailändischen Provinz Songkhla, eine unbenannte Gips- und Anhydrit-Grube bei Perkupa im ungarischen Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén sowie der Steinbruch Diamond Jo am Magnet-Cove-Komplex im Hot Spring County des US-Bundesstaates Arkansas.[13]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A. A. Kukharenko, M. P. Orlova, A. G. Bulakh, E. A. Bagdasarov, O. M. Rimskaya-Korsakova, Y.I. Nefedov, G. A. Ilyinskiy, A. C. Sergeyev, N. B. Abakumova: The Caledonian ultrabasic alkalic rocks and carbonatites of the Kola Peninsula and northern Karelia. In: Izdaltelstvo „Nedra“. Moskau 1965, S. 372–375.
  • Michael Fleischer: New Mineral Names. In: the American Mineralogist. Band 52, Nr. 3–4, 1967, S. 559–564 (englisch, minsocam.org [PDF; 455 kB; abgerufen am 16. September 2019]).
  • Howard T. Evans Jr., Edward J. Dwornik, Charles Milton: Kassite from the Diamond Jo quarry, Magnet Cove, Hot Spring County, Arkansas: The problem of cafetite and kassite. In: American Mineralogist. Band 71, 1986, S. 1045–1048 (englisch, minsocam.org [PDF; 418 kB; abgerufen am 16. September 2019]).
  • Peter G. Self, Peter R. Buseck: Structure model for kassite, CaTi2O4(OH)2. In: American Mineralogist. Band 76, 1991, S. 283–287 (englisch, minsocam.org [PDF; 564 kB; abgerufen am 16. September 2019]).
  • I. E. Grey, W. G. Mumme, I. V. Pekov, D. Yu. Pushcharovsky: The crystal structure of chromian kassite from the Saranovskoye deposit, Northern Urals, Russia. In: American Mineralogist. Band 88, 2003, S. 1331–1335 (englisch, rruff.info [PDF; 429 kB; abgerufen am 16. September 2019]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kassite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 222.
  4. Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: September 2019. (PDF 2672 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, September 2019, abgerufen am 16. September 2019 (englisch).
  5. a b c d Kassite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 73 kB; abgerufen am 16. September 2019]).
  6. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  7. a b c d Michael Fleischer: New Mineral Names. In: the American Mineralogist. Band 52, Nr. 3–4, 1967, S. 559–564 (englisch, minsocam.org [PDF; 455 kB; abgerufen am 16. September 2019]).
  8. a b c d e Kassite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 16. September 2019 (englisch).
  9. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 386.
  10. Catalogue of Type Mineral Specimens – K. (PDF 96 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 16. September 2019 (Kassite ab S. 4).
  11. Peter G. Self, Peter R. Buseck: Structure model for kassite, CaTi2O4(OH)2. In: American Mineralogist. Band 76, 1991, S. 283–287 (englisch, minsocam.org [PDF; 564 kB; abgerufen am 16. September 2019]).
  12. I. E. Grey, W. G. Mumme, I. V. Pekov, D. Yu. Pushcharovsky: The crystal structure of chromian kassite from the Saranovskoye deposit, Northern Urals, Russia. In: American Mineralogist. Band 88, 2003, S. 1331–1335 (englisch, rruff.info [PDF; 429 kB; abgerufen am 16. September 2019]).
  13. Fundortliste für Kassit beim Mineralienatlas und bei Mindat (abgerufen am 16. September 2019).