Nature Writing

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Nature Writing bezeichnet literarische Werke der fiktionalen und auch der nicht-fiktionalen Naturbeschreibung. Ob es sich dabei um eine eigene literarische Gattung oder Textsorte beziehungsweise ein Genre handelt, ist Teil der literaturwissenschaftlichen Debatte.[1][2][3] Der Begriff Nature Writing wurde aus dem Englischen übernommen. Inhalt und Form gehen zurück auf literarische Traditionen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die mit Disziplinen wie Naturgeschichte und Naturphilosophie eng verknüpft waren. Charakteristisch für das Nature Writing ist der die Natur beobachtende, beschreibende und empfindende Mensch als Subjekt, woraus sich bereits ein wesentlicher Unterschied zum objektiven Ansatz des naturwissenschaftlichen Denkens und Publizierens ergibt.

Merkmale und Vielfalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Nature Writing bezeichnet ein weites Spektrum an literarischen Werken: von der einfachen Reise- und Abenteuerbeschreibung über essayhafte oder poetische Texte bis zur tiefen Naturreflexion. Die Werke können auch eine stilistische Nähe zur Belletristik aufweisen. Generell sind sie stark biographisch geprägt. Sowohl die Einarbeitung historischer und naturwissenschaftlicher Fakten als auch deren subjektive Wahrnehmung durch einen Ich-Erzähler sind ein stilbildendes, gestalterisches Merkmal. Verbreitet ist eine empathische und dezidiert ökologische Sichtweise, nach der jedem Lebewesen und auch der unbelebten Natur eine ganz besondere Bedeutung innerhalb eines größeren Ganzen – in einem rein irdischen Sinne oder auch darüber hinaus – zukommt.

Zu den wesentlichen Merkmalen des Nature Writing gehört, dass die Texte sprachlich anspruchsvoll sind, Schreibende die „literarisch ausgearbeiteten Wahrnehmungen und Erfahrungen selbst gemacht“ haben und dies in ihrer Schreibweise zu erkennen geben.[1] Neben literarisch vorgebildeten Autoren haben insbesondere ihrer natürlichen Umwelt verbundene Ornithologen und andere Biologen diese Art des Schreibens gewählt. Bereits unter den als Pioniere oder Vorreiter bezeichneten Autoren von Nature Writing sind Naturwissenschaftler wie Carl von Linné, Charles Darwin und Jakob Johann von Uexküll vertreten.

Entwicklungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von den Anfängen bis heute sind Schreibende unterschiedliche Wege gegangen. Zum Beispiel liegt bei US-amerikanischen Werken der Fokus vornehmlich auf „Aufenthalt und Erfahrung in möglichst ›unberührter‹ Natur“, während Texte aus Großbritannien „fast immer die zivilisatorisch umgestaltete Natur im Blick“ hatten.[4] In der deutschsprachigen Literatur finden sich ebenfalls Werke, in denen über Natur literarisch anspruchsvoll und nicht rein sachlich geschrieben wird. Dazu zählt die symbolhafte Naturpoesie, wie sie Adalbert Stifter verfasst hat. Mit angloamerikanischen Nature Writing-Werken, hat sie wenig gemein.[5]

In der deutschsprachigen Literatur sind neben Die Insel der Vögel von Rolf Dircksen weitere Schätze zu heben, in denen Natur empathisch und literarisch anspruchsvoll zu Wort kommt. Das gilt ebenfalls für andere europäische Kulturen, etwa französischsprachige Werken wie La panthére des neiges (dt. und als Film Der Schneeleopard) Sylvain Tesson. Bedeutsam für diese Texte ist, dass die Naturbeschreibung beim Lesenden gesteigerte Achtsamkeit und Empathie auslöst, im Sinne einer Resonanz.[6] Jürgen Goldstein beschreibt die verstärkte Achtsamkeit so: „Sprache wird zu einem Mittel der Aufmerksamkeitslenkung und -steigerung“. Und der Sprache komme „dabei nicht eine rein wiedergebende, sondern eine wahrnehmungsformende Funktion zu.“[7] Bernhard Malkmus hebt am Beispiel von Texten des Autors Wilhelm Lehmann hervor, das Formulierungen einerseits Distanz und Kälte schaffen können, während die sprachliche Ausdrucksweise andererseits Resonanz – eine Art Mitgefühl oder Mitempfinden auch mit nicht-menschlichen Lebensprozessen – hervorrufen kann. Letzteres kennzeichnet die literarische gestaltete naturkundliche Beobachtung des Nature Writing.[8]

Der Fachbegriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einerseits hat sich Nature Writing als Terminus technicus in der deutschen Sprachraum weitgehend durchgesetzt und wird durch den Deutschen Preis für Nature Writing festgeschrieben. Andererseits sind weiterhin literarische Etikette wie Naturschreiben, Naturliteratur, Naturtext und Naturessay für die vielfältigen Publikationen im Sinne eines naturbezogenen Schreibens üblich und in der literaturwissenschaftlichen Diskussion von Bedeutung.[9] Ein weiteres Thema ist das Verhältnis von Nature Writing zu Naturlyrik beziehungsweise Naturdichtung und zu der Kategorie Umweltliteratur.

Die Pioniere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den Klassikern des Nature Writing sind Jean-Jacques Rousseau, Alexander von Humboldt und Henry David Thoreau zu zählen. Wegen der fließenden Übergänge zur allgemeinen Naturgeschichte und -philosophie reichen erste Anfänge in das 18. Jahrhundert zurück. So gehören Gilbert White in Großbritannien und William Bartram in Amerika sicher zu den frühesten Nature Writers. Einen erheblichen Anteil an diesen Anfängen hatte die Erkundung der gerade neu erschlossenen Erdteile mit ihrer größtenteils fremdartigen Flora und Fauna, weshalb das Nature Writing in den jeweiligen Heimatländern, vor allem im angelsächsischen Raum, zu besonderer Popularität gelangte.

Weitere wichtige Autoren des Nature Writing sind:

Neuere Entwicklungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem gewachsenen Umweltbewusstsein scheint es eine Rückbesinnung auf die historischen Ansätze und Schriften zu geben. Dieses äußert sich auch deutlich in den Verkaufszahlen und Bestseller-Listen.[10]

Im deutschen Sprachraum sind vor allem bedeutend:

Aus der Zeit der Jugendbewegung um den Ersten Weltkrieg:

  • ...

Nach dem Zweiten Weltkrieg und zeitgenössisch:

Im Englischen sind besonders populär:

In Frankreich erschienen:

Writers by Nature: British Council Stipendium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2018 bot der British Council sechs aufstrebenden jungen Autoren ein Stipendium und Workshops zum Austausch im Nature Writing an.[11]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ludwig Fischer: Natur im Sinn. Naturwahrnehmung und Literatur. Matthes & Seitz, Berlin 2019, ISBN 978-3-95757-703-0.
  • Eberhard Ostermann: Zur Darstellung von Landschaft im Nature Writing. Zu Judith Schalanskys „Hafen von Greifswald“. In: Weimarer Beiträge. Jahrgang 66, Nr. 3, 2020, ISSN 0043-2199, S. 325–348 (online).
  • Gabriele Dürbeck, Christine Kanz (Hrsg.) Deutschsprachiges Nature Writing von Goethe bis zur Gegenwart. J.B.Metzler (Springer), Berlin 2020, ISBN 978-3-662-62212-4 (online[12])

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Ludwig Fischer: Natur im Sinn. 1. Auflage. Matthes & Seitz, Berlin 2019, ISBN 978-3-95757-703-0, S. 45.
  2. Ludwig Fischer: Natur im Sinn. 2019, S. 170.
  3. Gabriele Dürbeck, Christine Kanz (Hrsg.): Deutschsprachiges Nature Writing von Goethe bis zur Gegenwart. 1. Auflage. J.B. Metzler (Springer), Berlin 2020, ISBN 978-3-662-62212-4.
  4. Ludwig Fischer: Natur im Sinn. 2019, S. 97 ff.
  5. Ludwig Fischer: Natur im Sinn. 2019, S. 198 ff.
  6. Gabriele Dürbeck, Sabine Kanz: Deutschsprachiges Nature Writing von Goethe bis zur Gegenwart. S. 18–20.
  7. Jürgen Goldstein: Nature Writing. Die Natur in Erscheinungsformen der Sprache. In: Dritte Natur. Band 1. Belrin 2018, S. 104.
  8. Bernhard Malkmus: Wilhelm Lehmann: Nature Writing als Verhaltenslehre. In: Gabriele Dürbeck, Christine Kanz (Hrsg.): Deutschsprachiges Nature Writing von Goethe bis zur Gegenwart. 1. Auflage. J.B. Metzler (Springer), Berlin 2020, ISBN 978-3-662-62212-4, S. 207–226.
  9. Gabriele Dürbeck, Christine Kanz: Gibt es ein deutschsprachiges Nature Writing? Gebrochene Traditionen und transnationale Bezüge. Hrsg.: Gabriele Dürbeck, Christine Kanz. 1. Auflage. J.B. Metzler (Springer), Berlin 2020, ISBN 978-3-662-62212-4, S. 1–37.
  10. Andreas Weber: Natur: Schläft ein Lied in allen Dingen. In: Die Zeit. 18. Februar 2018, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 19. Januar 2019]).
  11. Writers by Nature: Stipendium. In: britishcouncil.de. 2018, abgerufen am 13. Juli 2018.
  12. Deutschsprachiges Nature Writing von Goethe bis zur Gegenwart: Kontroversen, Positionen, Perspektiven (= Abhandlungen zur Literaturwissenschaft). Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2020, ISBN 978-3-662-62212-4, doi:10.1007/978-3-662-62213-1 (springer.com [abgerufen am 29. März 2024]).