Oskar Ehrhardt

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Oskar Ehrhardt (* 23. März 1873 in Strausberg; † 27. Januar 1950 in Göttingen) war ein deutscher Chirurg und Hochschullehrer in Königsberg.[1][2]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oskar Ehrhardt stammte aus einer jüdischen Familie, die vor mehreren Generationen zum christlichen Glauben konvertiert war. In der von den Nationalsozialisten bereits 1930 erstellten „Auskunftei“ wird Oskar Ehrhardt als „nicht jüdisch“, jedoch „jüdisch versippt“ aufgeführt.[3][4] Er war verheiratet mit Martha, geb. Rosenhain. Im Ersten Weltkrieg diente er als Stabsarzt in Lazaretten und leitete das Feldlazarett des 1. Armeekorps an der Ostfront. Hier lernte er Russisch. Wegen seiner russischen Sprachkenntnisse behandelte er zwischen den Kriegen viele russische Patienten. 1933 konnte er sich den Repressalien der Nationalsozialisten entziehen. Bei der Besetzung Königsbergs geriet er mit seiner Frau in „sowjetische Zivilgefangenschaft“.[1][5] Als man seine Identität erkannte, wurde er von der russischen Führung im Gebietskrankenhaus eingesetzt und genoss – wiederum wegen seiner Sprachkenntnisse – ein relativ hohes Ansehen bei den Russen. Am 31. Oktober 1947 wurde Ehrhardt aus Kaliningrad ausgewiesen. Seine Frau verstarb am 22. November 1947 im Sankt Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof. Zu dieser Zeit wohnte das Ehepaar Erhardt in einem Umsiedlerlager in Küchensee, Kreis Beeskow-Storkow. Erhardt zog zu seiner Tochter nach Göttingen.[6] Dorthin waren in der Nachkriegszeit in Deutschland viele Königsberger Hochschullehrer gekommen waren und starb dort an den Folgen eines Verkehrsunfalls.[7]

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehrhardt studierte an der Albertus-Universität Königsberg Medizin. Er schrieb seine Doktorarbeit über eine erfolgreiche Milzverpflanzung bei Ernst Neumann in der Königsberger Pathologie. 1897 wurde er zum Dr. med. promoviert.[8] Er wechselte anschließend als Assistenzarzt und Oberarzt zur Chirurgie. Bei Anton von Eiselsberg habilitierte er sich dort 1903. 1910 erlangte er die Professur. Er betrieb seit 1900 eine Arztpraxis und operierte in zwei Privatkliniken. 1901 veröffentlichte er den für die Medizingeschichte wichtigen Bericht über den „preußischen Messerschlucker“ Andreas Grünheide.[9][10] Im Sommer 1918 übernahm er als Professor und Chefarzt die Leitung der Chirurgie im Königsberger Elisabeth-Krankenhaus.[6]

Rettung von Kulturgütern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus dem Schutt der zerstörten Universität rettete Ehrhardt nicht nur Carl Friedrich Hagemanns Kant-Büste, sondern auch Spinozas Tractatus theologico-politicus.[11] Auf abenteuerlichen Wegen gelangte der weltberühmte Traktat an die Universität Haifa.[12] Des Weiteren fand er eine Urkunde zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Ludimar Hermann, dazu das handschriftliche Zirkular (Original) des damaligen Dekans der Philosophischen Fakultät, des Astronomen Prof. Hans Battermann vom 11. Februar 1913 über den Zeitpunkt für die Überreichung – und das Dankesschreiben von Ludimar Hermann an die Universität.[13]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ueber Geschwülste der weiblichen Brustwarze. In: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Band 50, 1899, S. 373–388.
  • Die erste operative Eröffnung des Magens. In: Janus. Arch. intern. pour l’histoire de la medicin. Band 101, Leiden 1902.
  • Dr. Laurentius Wilde, Leibarzt des Herzogs Albrecht, und die Anfänge der medizinischen Wissenschaft in Preußen. Breslau 1905.
  • mit Carl Garrè: Nierenchirurgie. Ein Handbuch für Praktiker. Karger, 1907. (GoogleBooks)

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Zum einhundertsten Geburtstag von Oskar Ehrhardt. Osterrundbrief der Ostpreußischen Arztfamilie (Schriftleitung), 1973, S. 17.
  2. Die ostpreußische Familie. (Memento vom 3. Mai 2012 im Internet Archive) Preußische Allgemeine Zeitung. 23. April 2005
  3. Kreis der Freunde und Förderer der Deutschen Auskunftei (Hrsg.): Der jüdische Einfluß auf die Deutschen Hohen Schulen. Ein familienkundlicher Nachweis über die jüdischen und verjudeten Universitäts- und Hochschulprofessoren. Heft 4: Die Universität Königsberg. Selbstdruck 1930, S. 54.
  4. E. Neumann-Redlin von Meding: Die Königsberger „Deutsche Auskunftei 1930“ der Nationalsozialisten. In: Königsberger Bürgerbrief. Nr. 83, 2014, S. 40–43 mit Nachtrag in: Königsberger Bürgerbrief. Nr. 84, 2014, S. 39–40.
  5. O. Ehrhardt: Ein fliegendes Blatt über die erste operative Eröffnung des Magens. Mit einer Autotypie. (= Die Ostpreußische Arztfamilie). In: Osterrundbrief. 1973, S. 17–19.
  6. a b Robert Albinus: Königsberg Lexikon. Würzburg 2002, ISBN 3-88189-441-1.
  7. Robert Albinus: Königsberg Lexikon. Flechsig, Würzburg 2002.
  8. WorldCat
  9. Ein fliegendes Blatt über die erste operative Eröffnung des Magens. Altpreußische Monatsschrift 38 (1901), S. 290 ff.
  10. Vgl. auch Oskar Ehrhardt: Die erste operative Eröffnung des Magens. In: Janus. Arch. intern. pour l’histoire de la medicin. Band 101, Leiden 1902.
  11. Rudolf Malter: Doch noch Zeugen aus deutscher Zeit. Hagemanns Kantbüste im ,Kaliningrader‘ Kant-Museum. In: Ostpreußenblatt. 19. April 1980. (kant.uni-mainz.de, PDF; 60 kB)
  12. A. Gilead, Haifa (Digital Gallery) lib.haifa.ac.il (Memento vom 19. Dezember 2012 im Webarchiv archive.today)
  13. Heinz-Dietrich Müller: Oskar Erhardt – Rundbriefbeitrag. (= Die Ostpreußische Arztfamilie.) In: Osterrundbrief. 1965, S. 5.