Thomas Begrich

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Thomas Begrich (* 4. November 1950 in Halberstadt) ist ein deutscher Ökonom. Als SED-Gegner gehörte er in der DDR zur Opposition. Bekannt wurde er nach der politischen Wende als Finanzabteilungsleiter des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).[1]

Familiäre Hintergründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thomas Begrich entstammt einer traditionsreichen mitteldeutschen Pastorenfamilie. Er ist der jüngste Sohn des Pfarrers Gotthilf Siegfried Begrich (1915–1993)[2] und der Lehrerin Gudrun geb. Wolf (1913–1987). Begrich wurde in Halberstadt geboren und erlebte die frühe Kindheit im Pfarrhaus Emersleben, wo der Großvater Karl Begrich und anschließend der Vater Pfarrer waren.[3] Die Dramaturgin und Theaterregisseurin Gisela Begrich[4] und der Theologe und Autor Gerhard Begrich sind Geschwister.[5] Die Theologen Joachim Begrich und Martin Begrich d. Ä. sind Großcousins.

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bedingt durch den Pfarrstellenwechsel seines Vaters im Jahr 1955 wuchs Begrich in Erfurt auf[6] und legte dort 1969 an der Humboldt EOS das Abitur ab. Während dieser Zeit absolvierte er zugleich eine Berufsausbildung als Facharbeiter für Gartenbau. Anschließend nahm er das Studium der evangelischen Theologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf. Wegen der Verweigerung einer militärischen Ausbildung während des Studiums bei der Nationalen Volksarmee (NVA) wurde er 1970 disziplinarisch belangt und exmatrikuliert. Ab 1975 absolvierte er an der Erfurter Außenstelle der Fachschule für Binnenhandel Dresden ein Fernstudium, das er 1979 als „Ökonom des sozialistischen Binnenhandels“ abschloss. Mitte der 1980er Jahre folgte ein weiteres, juristisches Fernstudium (Rechtswissenschaft) an der Humboldt-Universität Berlin, das er wegen des gesellschaftlichen Umbruchs 1990 in der DDR ohne Abschluss beendete.[7][8]

Berufliche Laufbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1970 bis 1972 absolvierte Begrich den Grundwehrdienst der Nationalen Volksarmee bei den Baueinheiten als sog. Bausoldat. Da er danach zunächst kein universitäres Studium aufnehmen durfte, suchte er eine Beschäftigung in der Wirtschaft. 1972 wurde er als Hilfsbuchhalter im VEB RFT Industrievertrieb Rundfunk Fernsehen Leipzig, Bezirksdirektion Erfurt, angestellt. In diesem Handelsunternehmen wurde er zum Revisor für die Filialen und Betriebsteile in den damaligen Bezirken Erfurt, Gera und Suhl befördert. Trotz seiner christlich-pazifistischen Haltung und seiner Ablehnung jeglicher Mitgliedschaften in den sogenannten gesellschaftlichen Organisationen wurde er bald darauf als Abteilungsleiter „Wirtschaftskontrolle“ eingesetzt und konnte ein Fernstudium aufnehmen.[9]

1981 wurde er vom damaligen Konsistorium der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen mit Sitz in Magdeburg zum Verwaltungsleiter des evangelischen Johanniter-Krankenhauses Genthin bestellt.[10]

Zum 1. September 1990 berief ihn die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen zum Oberkonsistorialrat und Finanzdezernenten der Landeskirche.[11]

2003 berief ihn der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Oberkirchenrat und Leiter der Finanzabteilung des Kirchenamtes der EKD in Hannover.[12] Seit 2016 ist Begrich im Ruhestand.

Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rolle während der „Friedlichen Revolution“ (1989/90)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schon in den 1970er Jahren war Thomas Begrich Mitwirkender in einem Friedensarbeitskreis des Evangelischen Jungmännerwerkes in Thüringen, der unter anderem die Seelsorge an Soldaten organisierte.[13] 1989 rief er in Genthin zur Gründung des Neuen Forums auf und gestaltete die Friedliche Revolution in der Region maßgeblich mit.[14] So initiierte er am 4. November 1989 die erste große Demonstration in der damaligen Kreisstadt mit mehr als 2.000 Teilnehmern.[15] Im Jahr 1990 wurde er für das Neue Forum/Bündnis 90 in den Kreistag des Kreises Genthin gewählt[16], nahm jedoch wegen seines beruflichen Wechsels in die evangelische Landeskirche das Mandat nicht mehr an.

Tätigkeit als Finanzdezernent der Kirchenprovinz Sachsen (1990–2003)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seiner Zeit als Finanzdezernent der Kirchenprovinz Sachsen führte Begrich u. a. mit dem Land Sachsen-Anhalt die Verhandlungen seitens der Landeskirche für die Ausgestaltung der Staatsleistungen des Landes.[17] Er wirkte maßgeblich an Strukturreformen der Landeskirche mit.[18] So führte er unter anderem ein neues Finanzverteilsystem ein, das auf eine Stärkung der Eigenverantwortung der Kirchenkreise und Gemeinden ausgerichtet war. Mit Blick auf den demografischen Wandel entwickelte er eine langfristige Finanzstrategie, die vielfältige Strukturreformen in der Landeskirche nach sich zog. Zugleich wurde eine Verwaltung entwickelt, die die Kirchengemeinden unterstützen und entlasten soll, was schließlich in die Fusion mit der Evangelisch-lutherischen Landeskirche zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKMD)(seit 2009) mündete. Wert legte Begrich dabei auf die Bereitstellung, Erhaltung und Gestaltung wirtschaftlich tragfähiger und funktionsfähiger kirchlicher evangelischer Tagungshäuser, darunter das Tagungs- und Bildungszentrum in Drübeck mit der romanischen Klosterkirche (Ende der Sanierung 1997) und das Augustinerkloster in Erfurt (Ende der Sanierung 2003).

Tätigkeit als Leiter der Finanzabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (2003–2016)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In die Zeit als Leiter der Finanzabteilung im Kirchenamt der EKD fällt die 2006 ins Leben gerufene Initiative „Kirche im Aufbruch“ – ein Reformprozess der Evangelischen Kirche in Deutschland. Voraus ging die 2005 in der Finanzabteilung erstellte Prognose für die Gemeindegliederentwicklung bis zum Jahr 2030. Maßgeblich an diesem Prozess mitwirkend ging es Begrich um die Erhöhung der Qualität in der kirchlichen Arbeit auf allen Handlungsebenen.[19] Sein Schwerpunkt lag auf fiskalischem Gebiet: Neben der Regelung der Finanz- und Haushaltsangelegenheiten der EKD hatte Begrich die Zusammenarbeit der Gliedkirchen der EKD (= Landeskirchen) auf dem Gebiet der Finanzen zu entwickeln. Er initiierte gemeinsame Handlungsstränge und gab Impulse für die schrittweise Ablösung der bisherigen Kameralistik durch ein modernes kirchliches Rechnungswesen, das auf dem kaufmännischen Rechnungswesen beruht und 2013 für das Rechnungswesen der EKD eingeführt wurde.[20]

Begrich regte die intensivere Zusammenarbeit der Landeskirchen an. Unter dem Oberbegriff „Solidarpakt“ wurde ein Finanzausgleich zwischen den Landeskirchen weiterentwickelt und gemeinsame Standards einer verantwortlichen Finanzwirtschaft vereinbart.[21] Auf seine Anregung geht die Einrichtung eines Arbeitskreises kirchlicher Investoren zurück, der einen Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche entwickelte (2013), der weite Verbreitung fand.[22][23] Eine von ihm maßgeblich konzipierte Internetseite zu den kirchlichen Finanzen hat das Ziel, der Transparenz kirchlichen Handelns auf allen Ebenen Rechnung zu tragen.[24]

Auf Begrichs Anregung geht die Neuordnung kirchlicher Funktionen und Gebäude in der Lutherstadt Wittenberg zurück. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde die dem Land Sachsen-Anhalt gehörende Schlosskirche in Wittenberg saniert und ins Eigentum der EKD übertragen.[25] Das angrenzende Schloss dient nach Sanierung und Umbau dem evangelischen Predigerseminar als Seminarstätte.[26][27]

Im Bereich Kunst und Kultur initiierte Begrich 2010 eine Förderaktion, die den Erhalt der bedeutenden reformationsgeschichtlichen Bibliothek Johannes a Lasco in Emden ermöglichte.[28][29] 2017 förderte und begleitete er die große internationale Kunstausstellung „Luther und die Avantgarde“ in der Lutherstadt Wittenberg.[30]

Als Geschäftsführer der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (KiBa) engagierte sich Begrich insbesondere für den Erhalt und die Sanierung von Kirchengebäuden namentlich in Ostdeutschland.[31][32]

Mitgliedschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Begrich war in verschiedenen Aufsichtsfunktionen tätig, unter anderem im Aufsichtsrat der Bank für Kirche und Diakonie mit Sitz in Dortmund.[33] Nebenamtlich leitete er in dieser Zeit die Stiftung zur Erhaltung kirchlicher Baudenkmäler (KiBa) als Geschäftsführer.[34] Er gehört folgenden kirchlichen Aufsichtsgremien und Kuratorien in Mitteldeutschland an (Auswahl):

Privatleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Begrich ist seit 1972 mit der Familientherapeutin Sigrid geb. Weber verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor. Der Historiker Pascal Begrich ist seit 2009 Geschäftsführer des Vereins Miteinander e.V. in Magdeburg.[35] Der Rechtswissenschaftler Martin Begrich lebt in Wien.

Begrich malt Bilder in Öl und Acryl, die dem Sujet der Landschaftsmalerei zuzuordnen sind. Daneben malt er insbesondere Kirchen und Dome.[36][37] In jüngerer Zeit tritt er als Autor und Herausgeber von Erzählbänden in Erscheinung.

Bibliographie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufsätze

  • Kirchliche Finanzen – ein Herrschaftsinstrument? In: Ochel, Joachim (Hrsg.): Der Dienst der ganzen Gemeinde Jesu Christi und das Problem der Herrschaft, Bd. 1: Vorträge aus dem Theologischen Ausschuss der Evangelischen Kirche der Union, Gütersloher Verlagshaus 1999, S. 116–131
  • Kirchensteuer In: Norbert Sommer (Hrsg.): Vom Geld und seiner Seeligkeit, Wichern 2005
  • Reaktionen und Stellungnahmen zum Impulspapier des Rates der EKD. In: Kirche im Aufbruch, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2012 (zusammen mit Thies Gundlach), S. 159–172
  • Kann, will und darf die Kirche steuern? In: Kirche im Aufbruch, Schlüsseltexte zum Reformprozess, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2012, S. 119–131
  • Kirchliches Finanzmanagement und Entscheidungskulturen. In: Halfar Bernd (Hrsg.), Erfolgspotenziale der Kirche – ein Blick aus dem Management, Baden-Baden 2012, S. 87–100
  • Kirche, Geld und diese Welt. In: Karlies Abmeier (Hrsg.): Geld, Gott und Glaubwürdigkeit (Religion – Staat – Gesellschaft Band 3), Ferdinand Schöningh 2016, S. 285–294
  • Die Kirche, das Geld und wir. In: Kirche & Recht, 2/2016

Mitherausgeber

  • Stiftung KiBa: Wo wenn nicht hier – Geschichten unterm Kirchturm, Hansisches Druck- und Verlagshaus 2010 ISBN 978-3-86921-050-6

Autor

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Der Wächter über das Geld. Oppositioneller, Ökonom, Oberkirchenrat: EKD verabschiedet Finanzchef Thomas Begrich. Der Sonntag, 20. März 2016.
  2. Stefan Wolter: Pastorenkinder im Weltkrieg. Ein Lazarett- und ein Feldtagebuch von Tutti und Martin Begrich (Schriftenreihe Denk-MAL-Prora, Bd. 6), Halle 2014, S. 56 und 178.
  3. Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, Evangelische Verlagsanstalt, 2003.
  4. „Mitteldeutscher Jedermann“ auf Bibel TV. Christlicher Sender zeichnet Theatervorstellung im Magdeburger Dom auf, Pressemitteilung vom 11. Oktober 2011, abgerufen am 8. Mai 2019
  5. Täglich Brot, Wein und eine liebende Hand Märkische Allgemeine Zeitung, 12. Februar 2016.
  6. Blick auf den Ersten Weltkrieg aus drei Perspektiven. Geschichte einer alten mitteldeutschen Pastorenfamilie weist viele Bezügen zu Erfurt auf. Thüringer Allgemeine, 12. Juni 2014
  7. Die Begrichs – eine Pfarrersfamilie, Podcast NDR-Info, 11. April 2015
  8. Thomas Begrich in der Sendung glaubwürdig, MDR-Fernsehen, 31. Oktober 2018
  9. Verabschiedung Begrich Einführung Dr. Kositzki Pressestelle der EKMD vom 6. Juni 2005, abgerufen am 9. Mai 2019
  10. Thomas Begrich: „Der Glaube ist ein großer Schatz“ Glaubwürdig, MDR-Fernsehen, 31. Oktober 2018, abgerufen am 9. Mai 2019
  11. Verabschiedung Begrich Einführung Dr. Kositzki Pressestelle der EKMD vom 6. Juni 2005, abgerufen am 9. Mai 2019
  12. Thomas Begrich neuer Leiter der EKD-Finanzabteilung Pressemitteilung vom 10. Februar 2002, abgerufen am 9. Mai 2019
  13. Bericht über seelsorgerische Beratung von Wehrpflichtigen durch das Evangelische Jungmännerwerk, abgerufen am 9. Mai 2019
  14. Volksstimme, Genthiner Rundblick, 12. November 2009.
  15. Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel, C.H.Beck, 2009, S. 452.
  16. Volksstimme, Genthiner Rundblick, 12. November 2009.
  17. Portal Kirchenfinanzen, abgerufen am 9. Mai 2019
  18. Margit Scholz (Hrsg.): Im Dienste der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. Zeitzeugenberichte aus dem Magdeburger Konsistorium (1944-2004), Magdeburg 2012.
  19. Kirche im Aufbruch, Schlüsseltexte zum Reformprozess, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2012.
  20. Portal Kirchenfinanzen, abgerufen am 8. Mai 2019
  21. Erweiterter Solidarpakt, abgerufen am 9. Mai 2019
  22. Geld ethisch verantwortbar anlegen., abgerufen am 8. Mai 2019
  23. Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche, herausgegeben vom Kirchenamt der EKD, 3. Aufl. 2016
  24. Thomas Begrich: Die Kirche, das Geld und wir, abgerufen am 9. Mai 2019
  25. Sanierung der Schlosskirche ist abgeschlossen Wittenberger Sonntag, 11. Mai 2016
  26. Luthers Schlosskirche in Wittenberg wechselt 2016 den Besitzer Website Evangelisch.de, abgerufen am 8. Mai 2019
  27. Neugestaltung des Wittenberger Schlosskirchenensembles, Pressemitteilung der Stadtverwaltung, 23. Mai 2011, abgerufen am 8. Mai 2019
  28. 7 Millionen Euro für Emder Johannes a Lasco Bibliothek/ Reformierte Kirche und EKD freuen sich über „Erfolg solidarischen Handelns“ Presseportal der EKD, 8. Januar 2010, abgerufen am 9. Mai 2019
  29. Neue Chance fuer Johannes a Lasco Bibliothek Augsburger Allgemeine, 8. Januar 2010.
  30. Katalog der Ausstellung der Stiftung Kunst&Kultur e.V., Bonn 2017
  31. Warum soll in einer Kirche nicht getanzt werden? Die Welt, 20. Dezember 2015, abgerufen am 8. Mai 2019
  32. Kirchen nutzen und gebrauchen Portal Kirchenfinanzen, abgerufen am 8. Mai 2019.
  33. Geschäftsbericht 2016, S. 60, abgerufen am 8. Mai 2019
  34. KiBa aktuell,1/2016, abgerufen am 9. Mai 2019
  35. Miteinander e.V., abgerufen am 8. Mai 2019
  36. Thomas Begrich in der Galerie Feuerwache
  37. Magdeburger Volksstimme, 9. Januar 2018