Hypertonie-Versorgungsleitlinie

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Die Nationale Versorgungsleitlinie Hypertonie (kurz NVL Hypertonie auch Hypertonie-Versorgungsleitlinie) ist eine Medizinische Leitlinie über die Behandlung von Menschen mit Arteriellem Bluthochdruck, die im Rahmen des deutschen Programms für Nationale Versorgungsleitlinien erstmals im Jahr 2023 veröffentlicht wurde.[1] Die Leitlinie ist gültig bis zum 28. Juni 2028.[2]

Im Rahmen des Programms für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) haben die zuständigen Fachgesellschaften und Organisationen inhaltliche Eckpunkte für die 1. Auflage der NVL Hypertonie konsentiert. Die Beteiligung von Patienten und Patientinnen wird durch die Kooperation der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. (DAG SHG) gewährleistet.

Nationale Versorgungsleitlinien sollen die Gesundheitsversorgung in Deutschland verbessern. Sie geben aktuelle wissenschaftlich begründete Empfehlungen zu Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation sowie zu einem strukturierten und optimierten Management der Erkrankung. Zur Verbesserung tragen insbesondere auch eine verbesserte Kommunikation zwischen den an der Versorgung Beteiligten – über alle Sektoren- und Fächergrenzen hinaus – sowie der Einbezug der Patienten und Patientinnen in alle Behandlungsentscheidungen bei.

Die hohe Prävalenz und Inzidenz der arteriellen Hypertonie sowie eine große Variationsbreite in der Versorgungsqualität verlangen verstärkte Bemühungen um die Optimierung der Versorgung von Menschen mit Hypertonie. Hierzu gehören verlässliche Definitionen des Notwendigen und Angemessenen in Diagnostik, Therapie und Rehabilitation, basierend auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und der Praxis. Auf diesem Weg soll die Qualität der Versorgung verbessert und die Stellung der Patienten und Patientinnen gestärkt werden.

Konkret erhoffen sich die Autoren und Autorinnen und Herausgebenden der NVL Hypertonie dazu beizutragen, folgende Ziele zu erreichen:

  • Verbesserung der Diagnostik der arteriellen Hypertonie, um Über- und Unterversorgung zu vermeiden;
  • Stärkung der patientenzentrierten Versorgung: verbesserte Kommunikation zwischen Behandelnden und Erkrankten, gemeinsame Vereinbarung von individuellen Therapiezielen, Förderung der Therapieadhärenz;
  • Sicherstellung einer adäquaten Therapie und Verlaufskontrolle der Hypertonie zur Prävention des Entstehens oder der Progression weiterer kardiovaskulärer Erkrankungen; Verbesserung der Umsetzung der nichtmedikamentösen Therapie als Basis der Langzeitversorgung. Dies beinhaltet u. a. die Implementierung von Selbstmanagement- und strukturierten Schulungsprogrammen zur Förderung der Krankheitsbewältigung bei Patienten und Patientinnen mit Hypertonie;
  • Förderung der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Professionen und Sektoren zur Optimierung der koordinierten Langzeitversorgung von Menschen mit Hypertonie.[3]

Die medizinischen Inhalte der Leitlinie finden sich in folgenden Kapiteln:

  1. Definition und Epidemiologie
  2. Früherkennung
  3. Diagnostik der Hypertonie
  4. Monitoring
  5. Partizipative Entscheidungsfindung und Therapieplanung
  6. Nichtmedikamentöse Therapie
  7. Medikamentöse Therapie
  8. Invasive Therapie
  9. Versorgungskoordination

Ausgewählte Empfehlungen der Leitlinie

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Die nachstehende Übersicht enthält solche Empfehlungen der Leitlinie, die auch für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnten. Die Originaltexte der Leitlinien sind kursiv gesetzt (Quelle: NVL Hypertonie 2023 Kurzfassung, publiziert im AWMF-Leitlinienregister[4])

Kapitel 1. Definition

Klassifikation des Praxisblutdruckes und Definition der Schweregrade der Hypertonie nach NVL Hypertonie
Kategorie Systolisch (mmHg) Diastolisch (mmHg)
Hypertonie Grad 1 140–159 und/oder 90–99
Hypertonie Grad 2 160–179 und/oder 100–109
Hypertonie Grad 3 > 180 und/oder > 110
Isolierte systolische Hypertonie > 140 und < 90

Kapitel 2. Früherkennung

Empfehlung 2-1: Bei Personen ab 18 Jahren sollte einmal ein Blutdruck gemessen und der Wert dokumentiert werden.

Kapitel 3. Diagnostik der Hypertonie

Empfehlung 3-1: Die Diagnostik der Hypertonie soll gemäß Abbildung 1 erfolgen (siehe Abbildung 1: Algorithmus Diagnostik der Hypertonie auf Seite 7 der Kurzfassung der Leitlinie).

Empfehlung 3-2: Besteht bei Patienten und Patientinnen nach der Praxisblutdruckmessung weiterhin der Verdacht auf eine Hypertonie (siehe Abbildung 1), soll eine ambulante 24h-Blutdruckmessung empfohlen werden.

Empfehlung 3-4: Allen Personen mit bestätigter Diagnose Hypertonie soll die Bestimmung folgender Parameter empfohlen werden: Natrium, Kalium, eGFR (Serumkreatinin), Lipidstatus, Nüchternplasmaglukose, ggf. HbA1c, Urinstatus (z. B. mittels Urinstreifentest).

Empfehlung 3-5: Patienten und Patientinnen mit chronischer Nierenkrankheit (GFR < 60 ml/min) soll bei Erstdiagnose der Hypertonie eine Bestimmung der Albumin-Kreatinin Ratio im Urin empfohlen werden

Empfehlung 3-6: Ergibt sich bei Patientinnen und Patienten der Verdacht auf eine sekundäre Hypertonie, soll weitere Diagnostik erfolgen (etwa bei Verdacht auf Phäochromozytom, Hyperaldosteronismus, Akromegalie, Cushing-Syndrom, Hyperthyreose, (ggf. Hypothyreose, renale Erkrankungen oder Schlafapnoe)

Kapitel 5. Partizipative Entscheidungsfindung und Therapieplanung

Kapitel 5.1. Vereinbarung und Überprüfung individueller Therapieziele

Empfehlung 5-1: Patienten und Patientinnen sowie Ärzte und Ärztinnen sollen gemeinsam initial und wiederholt im Erkrankungsverlauf individuelle Therapieziele vereinbaren.

Kapitel 5.2. Partizipative Entscheidungsfindung

Empfehlung 5-3: Bei anstehenden gesundheitsbezogenen Entscheidungen soll die Gesprächsführung entsprechend dem Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung erfolgen:

  • Team bilden: Problem definieren; mitteilen, dass eine Entscheidung ansteht; Gleichberechtigung formulieren;
  • Möglichkeiten erwägen: Behandlungsmöglichkeiten beschreiben; über Vor- und Nachteile informieren; Verständnis, Gedanken und Erwartungen erfragen; die Sicht der Betroffenen mit einbeziehen;
  • Entscheidung treffen: Präferenzen klären; Beteiligungswunsch ermitteln und Entscheidung herbeiführen; Vereinbarung treffen; Vereinbarungen zur Umsetzung der Entscheidung treffen.

Kapitel 5.3. Information und Kommunikation

Empfehlung 5-4: Bei der Aufklärung über Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten der Hypertonie sollen die unterschiedlichen Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen in verständlicher Form dargestellt werden.

Empfehlung 5-5: Patientinnen und Patienten mit Hypertonie soll eine Beratung bezüglich beeinflussbarer Risikofaktoren, behandelbarer Beschwerden sowie der Bedeutung von akuten Symptomen angeboten werden.

Kapitel 5.4. Adhärenz

Empfehlung 5-6: Bei Nichterreichen individueller Therapieziele und vor Intensivierung der Therapie sollen die Adhärenz gegenüber Medikation und Lebensstiländerung geprüft und Adhärenzbarrieren mit den Patient*innen besprochen werden.

Kapitel 6. Nichtmedikamentöse Therapie

Kapitel 6.2. Salzkonsum

Empfehlung 6-2: Patient*innen mit Hypertonie soll empfohlen werden, weniger als 6 g Kochsalz pro Tag zu sich zu nehmen.

Kapitel 6.4. Körperliche Aktivität

Empfehlung 6-4: Körperlich inaktiven Patientinnen und Patienten mit Hypertonie soll eine regelmäßige körperliche Aktivität in moderater Intensität empfohlen werden.

Kapitel 6.6. Tabakkonsum

Empfehlung 6-6: Personen mit Hypertonie soll empfohlen werden, das Rauchen aufzugeben und passive Tabakexposition möglichst zu vermeiden.

Kapitel 7. Medikamentöse Therapie

Empfehlung 7-1: Ist bei Menschen mit Hypertonie unter Berücksichtigung der individuellen Therapieziele und der nichtmedikamentösen Therapie eine medikamentöse Therapie indiziert, soll der Therapie-Algorithmus (siehe Abbildung 5) angewendet werden. (siehe Abbildung 5: Algorithmus medikamentöse Langzeitbehandlung auf Seite 24 der Kurzfassung der Leitlinie).

Empfehlung 7-2: Die Wirkstoffwahl und die Entscheidung zur Kombinationstherapie sollen unter patientenindividuellen Abwägungen und partizipativ getroffen werden.

Empfehlung 7-3: Vor Therapieeskalation sollen folgende Aspekte erfragt bzw. geprüft werden: Adhärenz, zeitweise Einnahme blutdrucksteigernder Medikamente, eine orthostatische Hypotonie, Gebrechlichkeit.

Beteiligte Organisationen

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An der Entwicklung und Herausgabe der Leitlinie waren folgende Organisationen beteiligt:

Fassungen der Leitlinie

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Die Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie wurde mit folgenden Komponenten publiziert:

Einzelnachweise

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  1. Arne Hillienhof: Hypertonie: Nationale Versorgungsleitlinie erschienen. In: Dtsch Arztebl 2023; 120(31-32): A-1332 / B-1144. 7. August 2023, abgerufen am 8. Oktober 2024.
  2. S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie 2023. 29. Juni 2023, abgerufen am 10. Oktober 2024.
  3. a b Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung , Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.): Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie. Auflage 2023 (Langfassung). 8. September 2024 (archive.org [PDF]).
  4. a b Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung , Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.): Nationale Versorgungsleitlinie Hypertonie. Auflage 2023 (Kurzfassung). 8. September 2024 (awmf.org [PDF]).
  5. NVL Hypertonie: Patientenleitlinie. 24. Mai 2024, abgerufen am 8. Oktober 2024.
  6. NVL Hypertonie weitere Formate — Leitlinien.de. 18. April 2024, abgerufen am 8. Oktober 2024.
  7. Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung , Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.): Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie. Auflage 2023 (Leitlinienreport). 8. September 2024 (archive.org [PDF]).