August Reitz

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August Reitz (geboren am 7. April 1885 in Cannstatt; gestorben am 21. Februar 1969 in Berlin) war ein deutscher Gewerkschafter.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

August Reitz war der Sohn eines Essig- und Spirituosenfabrikanten und einer Näherin. Er besuchte die Volksschule und von 1900 bis 1904 absolvierte er eine Lehre als Maschinenschlosser bei der Firma Werner & Pfleiderer - Knet- und Mischmaschinenfabrik. In seinem erlernten Beruf arbeitete er bei Daimler AG in Untertürkheim (1905/1906). Von 1907 bis 1914 war er als Kraftfahrer privat angestellt. Seit dem 1. Februar 1909 war er Mitglied im „Deutschen Kraftwagenführerbund“. Am 1. April 1910 wurde er Mitglied der SPD. 1910 und 1914 wurde er zum Kassierer seiner Berufsorganisation gewählt. Bereits 1911 trat er für die Umwandlung seiner Berufsorganisation in eine Gewerkschaft ein. Dem Berufsverband wurde die organisatorische Basis durch die Rekrutierung aller Mitglieder für den Ersten Weltkrieg entzogen. Auch Reitz wurde Soldat. Von 1914 bis 1917 war er Kraftfahrer beim Militär und diente als Unteroffizier in Frankreich und der Türkei. 1917 arbeitete er wieder bei den Daimlerschen Motorenwerken, legte 1919 seine Meisterprüfung ab. Im September 1918 wurde er Mitglied des Arbeiterausschusses in Stuttgart-Untertürkheim, der am 4. November 1918 erfolgreich einen Massenstreik ausrief. Reitz war aktiver Teilnehmer beim Staatsumsturz 1918 in der württembergischen Hauptstadt. Der Vorsitzende des Arbeiterrates war Fritz Rück.[1]

Von 1919 bis 1920 war August Reitz 2. Betriebsratsvorsitzender. Nach Kriegsende reorganisierten sich die Chauffeurvereine im „Deutschen Kraftwagenführer-Verband“. Von 1918 bis 1920 übte Reitz die Funktion eines ehrenamtlichen Bezirksleiters seiner Berufsorganisation für Württemberg und Baden aus. Sein Versuch, die Anerkennung seiner Organisation als selbständige Gewerkschaft durch die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands zu erreichen, scheiterte am Veto des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV). Seine Verhandlungen mit dem DMV blieben ebenfalls ohne Erfolg, da die freigewerkschaftlichen Metallarbeiter die Kraftfahrer als Transportarbeiter einstuften. Zum 1. Oktober 1919 wurde seine Berufsorganisation eine eigenständige Reichssektion des Deutschen Transportarbeiter-Verbandes (DTV). Auf der 4. Konferenz der Kraftwagenführer Deutschlands des DTV vom 17. bis 19. Januar 1920 in Berlin erhielt Reitz alle Stimmen bei der Wahl zum Reichsabteilungsleiter. Auf den nächsten Konferenzen bis 1933 wurde er im Amt bestätigt. Im Dezember 1925 wurde er zum Beisitzer des Verwaltungsausschusses der Freiwilligen Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherung des Verbandes (Fakulta) gewählt. Seit November 1921 war er Mitglied im Vorläufigen Reichswirtschaftsrat als Vertreter des „Personen- und Lastfuhrgewerbes einschließlich Luft- und Kraftfahrwesen“. In dieser Eigenschaft war er Delegierter beim Völkerbund in Genf im Jahre 1930. Gleichzeitig war er Mitglied im Reichsbeirat für das Kraftfahrwesen im Reichsverkehrsministerium.

Im Oktober 1929 wurde er auf dem Gründungskongress des Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs vom 7. bis 10. Oktober 1929 zum Reichsabteilungsleiter (Handels-, Transport-, Kraft-, Luftverkehrs- und diverser Betriebe) in den Vorstand gewählt.[2] Er war auch Reichsfachgruppenleiter des „Reichsverbandes der Berufskraftfahrer und Luftfahrtpersonals“. Er wurde im Dezember 1930 auf dem Verbandstag der Luftsportvereinigung „Sturmvogel – Flugverband der Werktätigen“ in den Vorstand gewählt. Im Oktober 1932 wurde er zum 2. Vorsitzenden gewählt. Reitz war Teilnehmer auf dem Kongress der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) 1924 in Hamburg. Er sprach dort über die „Nationale und internationale Gesetzgebung für den Kraftverkehr“. Auch war er Delegierter auf dem Kongress der ITF 1926 in Paris, 1930 in London und 1932 in Prag. Im Juni 1927 als Mitglied des Kraftfahrer-Beirats der ITF, zur Unterstützung des Sekretariats, des Exekutiv-Komitees und des Generalrats gewählt. Während des Krisenjahres 1932 bemühte er sich um die geplanten Zusammenlegungen der Reichsabteilungen, die dem Gesamtverband trotz krisenhafter Finanzentwicklung Handlungsspielräume eröffnen sollte. Die Tagung des Verbandsbeirates im November 1932 erforderte personelle Entscheidungen. Die Verbandskassierer Richard Nürnberg[3] und Adam Ruppert[4] hatten eigenmächtig einen Teil des Verbandsvermögens angelegt und mussten ihr Amt aufgeben. August Reitz wurde zum neuen Kassierer bestellt, der kaum Zeit hatte das Beitragswesen neu zu gestalten, weil schon kurz danach die nationalsozialistische Machtergreifung erfolgte.

In der nächsten Zeit versuchte er mit der Mehrheit des Vorstandes die Existenzmöglichkeit seiner Gewerkschaft zu erkunden. Im Mai 1933 wurde er verhaftet. Danach musste er Vernehmungen, Hausdurchsuchungen und Überwachungen durch die Gestapo erleiden. Eine Zeitlang war er arbeitslos. Reitz erwarb Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ein Zigarrengeschäft, das er bis 1937 halten konnte. Seit 1934 bis Kriegsende Mitglied der Deutschen Arbeitsfront, ohne eine Funktion dort gehabt zu haben. Ab 1937 war er bei Daimler-Benz in Berlin-Marienfelde beschäftigt. In Zusammenhang mit der Gruppe „Orlopp“ und betrieb „Betriebspropaganda“.

Mit Kriegsende wurde er wieder Mitglied der SPD in Groß-Berlin. Er befürwortete innerhalb der Berliner Sozialdemokratie den Zusammenschluss mit den Kommunisten. Er trat 1946 der SED bei. Vom 1. Oktober 1945 bis zum 1. August 1946 Bezirksrat in Berlin-Tempelhof. Am 17. Juni 1945 nahm er am Gründungskongress des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) teil.[5]

Grabstätte

1946 wählte der FDGB-Bundesvorstand ihn zum ersten Leiter der Abteilung Bundesfinanzen. Er führte dort sofort eine einheitliche Kassenführung. Im Oktober 1946 wurde er Gesellschafter der Vermögensverwaltung des FDGB. Er war Mitbegründer der Fakulta in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Er war Delegierter auf dem 2. FDGB-Kongress 1947 in Berlin und erhielt dort die zweithöchste Stimmenzahl. Bis 1963 wurde er in den FDGB-Vorstand gewählt. 1948 war er Mitinitiator und Gesellschafter der kurzlebigen ostdeutschen Büchergilde Gutenberg (bis 1950). 1952 gab Reitz die Leitung der Finanzabteilung des Bundesvorstandes des FDGB ab. Von 1952 bis 1958 war er Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Revisionskommission des FDGB. Von 1958 bis 1963 Vorsitzender des Zentralen Arbeitskreises verdienter Gewerkschaftsveteranen und bis 1964 Mitglied des Zentralausschusses der Fakulta. Von 1958 bis 1964 war er Vorsitzender des Zentralen Arbeitskreises verdienter Gewerkschaftsveteranen beim Bundesvorstand des FDGB.

Seine Urne wurde in der Grabanlage Pergolenweg des Berliner Zentralfriedhofs Friedrichsfelde beigesetzt.[6] Seine Frau Berta Reitz, geb. Braun (1885 – 5. Mai 1965)[7] ist dort auch bestattet.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Archivalien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Stiftung Archiv und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv. Personalakte August Reitz.
  • Bundesarchiv. FDGB Signatur DY 34 / 24590. Funktionärunterstützung für die Kollegen Emil Hartung, August Reitz und Friedrich Mosch (S 880/63)
  • Bundesarchiv Signatur DY 34/26913. „6. Tagung des Bundesvorstandes vom 21. bis 22. Mai 1969.- Tagesordnung: 1. Rechenschaftsbericht über die Arbeit der Gewerkschaften auf dem Wege zum 20. Jahrestag der DDR (Alfred Wilke), 2. Referat: Der Beitrag der Gewerkschaften zum geistigen Leben im Sozialismus (Wolfgang Beyreuther)“ (Enthält auch: „Nachruf für den Gewerkschaftsveteran August Reitz und das Mitglied des FDGB-Bundesvorstands Paul Cotterba“)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Biografisches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Emil Dittmer: Rietz, August. In: Internationales Handwörterbuch des Gewerkschaftswesens. Hrsg. von Ludwig Heyde. Band 2. Verlag Werk und Wirtschaft, Berlin 1931, S. 1323.
  • August Reitz 65 Jahre. In: Neues Deutschland vom 7. April 1950, S. 2. [Mit Fotografie][8]
  • Genosse August Reitz. [Nachruf des ZK der SED]. In: Neues Deutschland vom 25. Februar 1969, S. 2.[9]
  • Roland Tittel: August Reitz. Der Bundeskassierer. In: Heinz Deutschland, Ernst Egon Lange (Hrsg.): Wegbereiter. 32 Porträtskizzen. Verlag Tribüne, Berlin 1988. ISBN 3-7303-0169-1, S. 335–346. Inhaltsverzeichnis
  • FDGB-Lexikon. Funktion, Struktur, Kader und Entwicklung einer Massenorganisation der SED (1945–1990). Hrsg. von Dieter Dowe, Karlheinz Kuba, Manfred Wilke, bearb. von Michael Kubina. Berlin 2009. ISBN 978-3-86872-240-6. August Reitz online abgerufen 13. März 2016
  • Gabriele Baumgartner, Dieter Hebig (Hrsg.): Biographisches Handbuch der SBZ/DDR. 1945–1990. Band 2: Maassen – Zylla. K. G. Saur, München 1997, ISBN 3-598-11177-0, S. 954. Digitalisat

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Deutscher Transportarbeiter-Verband: 25 Jahre Gewerkschafts-Arbeit. Verlagsanstalt „Courier“, Berlin 1922. Inhaltsverzeichnis
  • Gerhard Haas: Der FDGB 1954. Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1954.
  • Geschichte des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes. Herausgegeben vom Bundesvorstand des FDGB. Verlag Tribüne, Berlin 1982.

Quelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Illustrierte Geschichte der Novemberrevolution 1918/19. Dietz Verlag, Berlin 1978, S. 88.
  2. Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs. Gründer waren: 1. Deutscher Verkehrsbund, 2. Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter; 3. Verband der Gärtner und Gärtnereiarbeiter und 4. Verband Deutscher Berufsfeuerwehrmänner.
  3. Rüdiger Zimmermann: Biographisches Lexikon der ÖTV und ihrer Vorläuferorganisationen. Teil 135
  4. Rüdiger Zimmermann: Biographisches Lexikon der ÖTV und ihrer Vorläuferorganisationen. Teil 156.
  5. Jacques Schwarz: 50 Jahre ÖTV Berlin. Eine halbwegs runde Geschichte. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ÖTV, Bezirk Berlin, Berlin 2001, S. 19.
  6. Joachim Hoffmann: Berlin-Friedrichsfelde. Ein deutscher Nationalfriedhof. Kulturhistorischer Reiseführer. Das Neue Berlin, Berlin 2001, S. 193 und 246.
  7. Sterbeanzeige von August Reitz für seine Frau Berta Reitz. In: Berliner Zeitung vom 8. Mai 1965, S. 14.
  8. „Der Bundeskassierer des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, August Reitz, wird heute 65 Jahre. Im Alter von 24 Jahren fand der Maschinenschlosser aus Cannstatt bei Stuttgart im Jahre 1909 den Weg zur Gewerkschaft. 1910 trat er in die Sozialdemokratische Partei ein. 1920 zum Hauptkassierer des Gesamtverbandes öffentliche Betriebe gewählt, nahm Reitz an vielen internationalen Kongressen der Transportarbeiter teil. Während der Illegalität von 1933 bis 1945 hielt Kolloge Reitz mit seinen politischen Freunden weiter die Verbindung aufrecht. Sofort nach dem Zusammenbruch 1945 stellte er sich wieder für die politische und gewerkschaftliche Arbeit zur Verfügung. Das Vertrauen seiner Kollegen berief August Reitz in den Bundesvorstand des FDGB, wo er mit der Verwaltung der Bundesfinanzen beauftragt wurde. In dieser Funktion arbeitet er noch heute mit großer Umsicht, Erfahrung und Vitalität.“
  9. „Nachruf des Zentralkomitees. Am 21. Februar verstarb im Alter von 83 Jahren unser Genosse August Reitz Wir trauern um einen Genossen, der seit früher Jugend eng mit der Arbeiterbewegung verbunden war und seine ganze Kraft für den Aufbau des Sozialismus in der Deutschen Demokratischer Republik einsetzte. Genosse August Reitz war seit 1909. gewerkschaftlich und seit 1910 politisch organisiert. Seit dieser Zeit kämpfte August Reitz unermüdlich für die Interessen der deutschen Arbeiterklasse. "Bereits vor dem ersten Weltkrieg stand er mit an der Spitze zahlreicher Kämpfe, die sich gegen die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung der Werktätigen richteten. Er war ein aktiver Teilnehmer an der Novemberrevolution. Während der Zeit der Weimarer Republik übte Genosse August Reitz verantwortliche Funktionen innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, und besonders im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund aus. Seine Treue zur Sache der Arbeiterklasse bewies er auch in der Zeit des Faschistischen Terrorregimes. Trotz Verfolgung und Schikanen durch die Gestapo blieb August Reitz der Sache der Arbeiterklasse treu. Beim Aufbau des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes im Jahre 1945 war er einer der Aktivisten der ersten Stunde und trug dazu bei, sowohl die Partei- als auch die gewerkschaftliche Einheit der Arbeiterklasse zu schaffen. Von 1947 bis 1963 gehörte er dem Bundesvorstand des FDGB an. Bis ins hohe Alter hat er unermüdlich für die Sache der Arbeiterklasse, für Frieden und Sozialismus, für die Stärkung und Festigung unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates gewirkt. […] Mit dem Genossen August Reitz verliert unsere Partei einen treuen rastlosen Kämpfer. Wir werden sein Andenken stets in Ehren halten.“