Benutzer:Karsten11/Migrationsursachen

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Die Migrationsursachen sind die Ursachen von Migration. Die Erforschung der Migrationsursachen ist ein Teilgebiet der Migrationsforschung. Beschrieben werden sowohl Ursachen für Auswanderung als auch für Einwanderung. Typischerweise ist die Entscheidung für eine Migration nicht Monokausal begründet. Migrationsursachen umfassen daher sowohl die Fluchtursachen als auch die Ursachen frei gewählter Migration.

Migrationsfaktoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Einsetzen der großen Überseewanderungen aus Europa ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts entstand auch das wissenschaftliche Interesse an der Erforschung und Erklärung solcher Wanderungsprozesse. Zunächst versuchte man, Wanderungsvorgänge summarisch zu erklären, später kamen Erklärungsansätze hinzu, die von der subjektiven Entscheidung einzelner Individuen ausgehend, Wanderung zu erklären versuchten (verhaltenstheoretische Ansätze). Der Fokus der Migrationsforschung verschob sich im 20. Jahrhundert von einem staatsorientierten Analyserahmen zur Untersuchung individueller Handlungen mit Schwerpunkt auf der Unterscheidung verschiedenen Migrationsverhaltens entsprechend von Kategorien wie Gender, Rasse, Klasse oder Alter.[1]

Ernst Ravenstein begründete die Migrationstheorie im Jahr 1885 durch Betrachtung der Binnenwanderungen im Vereinigten Königreich. Er bewies anhand seiner Statistiken erstmals, dass Wanderungen Regeln folgen. Zwar gibt es inzwischen verschiedene formale Modelle zur Beschreibung von Wanderungen, doch liefert keines eine umfassende und befriedigende theoretische Beschreibung des Phänomens der Wanderungen. Alle Modelle stützen sich auf die Vorstellung, dass der Migrant rational eine Migrationsentscheidung fällt.

Klassische Wanderungsformen sind Immigration, Arbeitsmigration und Fluchtmigration. Die moderne Forschung unterteilt inzwischen differenzierter. Wanderungen können national und international erfolgen. Die häufigsten Wanderungsgründe sind die Arbeitssuche, Vertreibung oder Schutz vor Verfolgung mit der Absicht, die eigene Lebenssituation zu verbessern. Die Wanderungsentscheidung beruht auf wirtschaftlichen, politischen oder gesellschaftlichen Zusammenhängen.[2]

Wie unterschiedlich die Bewertung der einzelnen Faktoren sein kann, zeigen die zu Tausenden in den USA beschäftigten philippinischen Pflegekräfte. Viele davon sind ausgebildete Ärzte und Ärztinnen, welche es vorziehen, unterqualifiziert zu arbeiten, weil sie in ihrem Heimatland keine Perspektive sehen.[3]

Deshalb spielt die jeweilige Differenzierung der makro- und mikrotheoretischen Erklärungsmuster eine bedeutende Rolle.

Makrotheoretische Gravitationsmodelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die makrotheoretischen Modelle versuchen, Wanderungen hinsichtlich der Aggregatebene zu verdeutlichen und Kennziffern zu bestimmen zur Erklärung des Migrationsverhaltens ganzer Populationen. Die Migrationen werden zum Beispiel auf ökonomische oder geographische Faktoren reduziert. Zwar lässt sich mit diesen verallgemeinernden und unvollständigen Ansätzen gut arbeiten, doch beherbergen sie bei näherem Hinsehen auch einige Ungereimtheiten und unerklärte Vorkommnisse.

Schon in den 1940er Jahren entstanden Gravitationsmodelle, welche sich auf das Gravitationsgesetz aus der Physik berufen. Wichtigste Erkenntnis war, dass die Entfernung zwischen Herkunftsort und Migrationsziel eine wesentliche Rolle spielt bezüglich des Migrationsvolumens. Je weiter die Orte voneinander entfernt sind, desto weniger Angehörige einer Population machen sich auf den Weg.

In den 1960er Jahren wiederum erfolgte der Rückgriff auf die klassische Wirtschaftslehre. Das Lohngefälle zweier Regionen erklärte das Ausmaß einer Wanderung, bei der Arbeitsmigranten vom schlechtbezahlten Ort der Herkunft zum Zielort mit höherem Lohnniveau abwanderten. Die Theorie besagte, dass sich das Lohnniveau beider Regionen angleichen würde. Schließlich stiegen im Zuwanderungsgebiet die Zahl der Arbeitskräfte und fiel damit das Lohnniveau, und gleichzeitig erhöhte sich im Herkunftsgebiet der Lohn wegen des Mangels an Arbeitskräften.

I. S. Lowry erweiterte dieses Modell wiederum um wirtschaftliche Kennziffern. So gilt die jeweilige Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Regionen als Indikator für die Bereitschaft der Migranten, die Wanderungsentscheidung zu treffen, um das jeweilige Einkommen zu steigern.[4]

Zwar gelang inzwischen der Beweis des Zusammenhangs zwischen attraktiven Löhnen und hoher Zuwanderung, doch nicht der Umkehrbeweis zwischen niedrigem Lohnniveau und hoher Abwanderungsrate. Dies erklärt sich laut der Globalisierungsforscherin Saskia Sassen durch die Unkalkulierbarkeit komplexer und variabler sozialer Faktoren. So besteht für viele erst die Chance zur Wanderung, wenn sie sich von der größten Not befreit haben. Michael Vogler vom Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn wiederum hat die Wanderungsströme für 86 Länder und 15 Jahre untersucht. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Migration erst einsetzt, wenn die Region einen gewissen Entwicklungsstand erreicht hat. Wenn ein bestimmter Wohlstand erreicht ist, flachen die Zahlen wieder ab. Zuerst emigrieren die Menschen von ländlichen Gebieten in die Städte und später ins Ausland.[5]

Historischer Ansatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einer der ersten Erklärungsansätze von Ernst Ravenstein ging vom empirischen Befund der Wanderung selbst aus. Er veröffentlichte in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre seine Wanderungsgesetze, die er aus der Auswertung von Daten von Volkszählungen gewonnen hatte. Diese Gesetzmäßigkeiten weckten das Interesse weiterer Forscher, die die Ravensteinschen Gesetze teilweise bestätigten und ergänzten. Sinngemäß lauten diese Theoreme:

  1. Die Mehrzahl der Wanderungsvorgänge erfolgt über kurze Distanzen,
  2. Wanderungen über größere Distanzen verlaufen häufig in Etappen (Kettenwanderung),
  3. Bei Wanderungen über größere Distanzen werden große Industrie- und Hafenstädte als Zielorte bevorzugt,
  4. Wanderungsströme bestehen stets aus zwei gegenläufigen Komponenten,
  5. Die Landbevölkerung ist in Wanderungsströmen überrepräsentiert,
  6. Frauen wandern eher über kürzere, Männer eher über längere Distanzen,
  7. Die Mehrzahl der Migranten sind Alleinstehende,
  8. Die Bevölkerungszunahme in Städten ist mehr durch Wanderungsgewinne als durch natürliche Bevölkerungsbewegungen bedingt,
  9. Das Wanderungsvolumen steigt synchron mit der industriellen und verkehrstechnischen Entwicklung,
  10. Die meisten Wanderungsvorgänge werden durch ökonomische Anlässe ausgelöst.

Ein weiterer grundlegender Ansatz zur Erklärung von Wanderungen ist Zelinskis Modell des Mobilitätsübergangs (1971), das das Mobilitätsverhalten einer Gesellschaft mit ihrem sozioökonomischen Entwicklungsstand in Verbindung bringt. In Analogie zum Modell des demographischen Übergangs werden fünf Entwicklungsphasen unterschieden.

Distanz- und Gravitationsmodelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der empirischen Betrachtung von Wanderungsprozessen zwischen einem Quellort und verschiedenen, unterschiedlich weit entfernten Zielorten über einen längeren Zeitraum wird ein starker Zusammenhang zwischen Wanderungsvolumen und Distanz deutlich, wie bereits von Ravenstein erkannt. Bei der Suche nach einem geeigneten Modell für die Erklärung dieses Zusammenhangs erkannten Geographen (Kant 1946; Stewart 1941; Zipf 1949) Gemeinsamkeiten mit dem physikalischen Gravitationsgesetz von Newton. Der Zusammenhang zwischen dem mit der Distanz zwischen Quell- und Zielort abnehmenden Wanderungsvolumen lässt sich gut mit diesem Distanzmodell beschreiben (dem jedoch noch die "Masse" als Eigenschaften von Quell- und Zielort fehlt, siehe unten):

Hierbei ist F die Wanderungsrate zwischen den Orten i und j, d die Distanz zwischen i und j, k eine empirisch ermittelte Konstante (zumeist = 1) und b ein die Distanz gewichtender Exponent (zumeist = 2). Wenn k=1 und b=2, dann nimmt ein gegebenes Wanderungsvolumen mit der Verdoppelung der Distanz auf ein Viertel des Ausgangsvolumens ab (quadratische Abnahme). Während dieses Modell bei geeigneter Anpassung von k und b gut beobachtete Wanderungsströme modellieren kann, sagt es nichts über die Motive und Ursachen von Wanderungsprozessen aus.

Beim Vergleich zwischen empirisch und mathematisch ermittelten Werten fällt auf, dass das obige Modell die Wanderungsvolumina für kurze Distanzen überschätzt. G. Zipf und J. Stewart entwickelten daher die im Modell enthaltene Ausgangsüberlegung weiter und erweiterten es zu einer für Zwecke der Demografie geeigneten Abwandlung des Newton'schen Gravitationsgesetzes.

wobei die „Masse“ des Ortes i und die „Masse“ des Ortes j ist.

Zumeist wird „Masse“ mit den Bevölkerungszahlen gleichgesetzt, die sich leicht der amtlichen Statistik entnehmen lassen. Damit wird das Wanderungsvolumen also nicht nur ansteigen, wenn die Distanz verringert wird, sondern auch wenn die Masse von zwei betrachteten Regionen größer ist als die Masse anderer Regionen. Sicherlich wird allein die Bevölkerungszahl keine befriedigende Modellierung ergeben, denn unterschiedliche Bevölkerungszusammensetzungen in den betrachteten Regionen wirken ebenfalls auf die Wanderungsströme ein. Eine bevölkerungsreiche Region, in der eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht, hat sicherlich eine geringere Anziehungskraft und damit Masse, als eine gleich große Region mit einer sehr niedrigen Arbeitslosigkeit. Ein Vorschlag (Haggett 1991) lautet daher, die Masse als das Produkt aus Bevölkerungszahl und Durchschnittseinkommen zu bestimmen.

Push- und Pull-Faktoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sogtheorie erklärt am Push-and-Pull-Modell das Zustandekommen eines Migrationsdruckes aus dem ökonomischen Gefälle zwischen zwei Ländern. Im Ursprungsland wirken Druckfaktoren wie Arbeitslosigkeit, niedriges Lohnniveau, Armut und das Aufnahmeland bietet Sogfaktoren wie Arbeitsplätze, höhere Gehälter und soziale Sicherheit. Auch beeinflussen die Berichterstattung über das Zielland sowie Erfahrungsaustausch mit bereits Ausgewanderten oder ihren daheim gebliebenen Angehörigen die Wanderungsentscheidung. Letztere Anreize bewirken laut Treibel eine Gruppenmigration.[6]

Bei Wanderarbeitern steht die "materielle Deprivation" im Vordergrund.[7] Die Migrationsentscheidung ist eng verknüpft mit Konflikten des Auswanderungswilligen und seiner näheren Umgebung, mit der er sich auseinanderzusetzen und zu verhandeln hat. Die positive Entscheidung zur Auswanderung stellt sich somit nach Thomae stets als Konfliktlösung dar. Oft sind daran Verpflichtungen des Emigranten gekoppelt wie die Verpflichtung zur Rückkehr „als eine Art Gleichgewichtssicherung zwischen motivationalem und kognitivem System“.[8]

Das Paradigma des Push and Pull entspricht jedoch keinem eigenständigen theoretischen Ansatz, sondern suggeriert eher die Zusammenhänge, da trotz der plausiblen Annahme von Sogfaktoren und Druckfaktoren die Annahmen auf den Einzelnen bezogen rein hypothetischer Natur sind.[5] Der mikrotheoretische Ansatz des Push and Pull kommt im makrotheoretischen Ansatz zum Einsatz, um die individuellen Migrationsentscheidungen zu erklären.

Die wichtigsten Gründe für Migrationen von Mexiko in die USA waren beispielsweise :

  • Push-Faktoren
    • Prekärer Arbeitsmarkt
    • Mangelnde Grundstoffe
    • Niedrige Löhne
    • Kinder als Altersversorgung
    • Gefahr eines Umsturzes des politischen Systems
    • Mangelhaftes Bildungssystem
    • Mangelhaftes Gesundheitssystem
    • Starke soziale Gefälle
  • Pull-Faktoren
    • Bessere humanitäre Versorgung
    • Sicherer Arbeitsplatz
    • Hohe Löhne
    • Besseres Bildungssystem
    • Besseres Gesundheitssystem
    • Chancen für sozialen Aufstieg
    • Sicheres politisches System
    • Finanzielle Unterstützung
    • Bessere Perspektiven für Kinder
    • Nähe zur Heimat

Mikrotheoretische Regressionsmodelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Vergleich zum Gravitationsmodell verlegt sich der mikrotheoretische Ansatz weniger auf das Kollektiv als auf das Individuum, um die jeweilige Migrationsentscheidung zu untersuchen.

Gravitationsmodelle können Wanderungen zwar gut beschreiben, aber nicht vollständig erklären. Als einzige Eigenschaften von Quell- und Zielgebiet gehen in diese Modelle Bevölkerung und Distanz ein. Neben der Masse von interagierenden Regionen gibt es aber noch eine Vielzahl weiterer Merkmale, die die vom einzelnen Individuum als positiv oder negativ empfundenen Eigenschaften (push- und pull-factors) bestimmen und Wanderungsvorgänge ebenso beeinflussen, wie die zwischen den Regionen liegenden Zwischenräume, die entweder eine Wanderung hemmen (intervening obstacles) oder ablenken (intervening opportunities) können.

Mathematische Modelle für die Abbildung und Erklärung eines derartigen Komplexes von Einflussgrößen werden mit Hilfe der statistischen Regressionsanalyse erstellt. Multiple Regressionsanalysen versuchen, eine abhängige Variable – hier das Wanderungsvolumen – mit einer Anzahl von unabhängigen Variablen (z. B. Durchschnittseinkommen, Zahl der Arbeitsplätze in verschiedenen Branchen, Wohnungsangebot, Distanz etc.) zu erklären. Das Ziel bildet eine Regressionsgleichung, als ein mathematisches Modell, welches die Ausprägungen der Zielvariablen aus einer mathematischen Funktionsbeziehung der erklärenden Variablen herleitet. Auch sie repräsentiert eine Wenn-Dann-Beziehung wie das Distanz- und das Gravitationsmodell, wird allerdings in der Regel wesentlich komplexer ausfallen.

Auch wenn dieser Ansatz durch die größere Zahl der eingehenden Faktoren wirklichkeitsnäher erscheint, darf nicht übersehen werden, dass eine Vielzahl von Faktoren, die eine Wanderung ebenfalls beeinflussen, sich nicht unmittelbar messen lassen (beispielsweise das Image einer Region).

Individualisierte Sogtheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1972 individualisierte Lee das makrotheoretische Paradigma des Push and Pull und erkennt in Migrationen vier ursächliche und gleichzeitig wirksame Schichten:

  • Merkmale bezüglich der Herkunftsregion
  • Faktoren bezüglich des Zielgebietes
  • Blockadefaktoren
  • individuelle Parameter

Die gebietsbezogenen Merkmale beinhalten nicht nur Lohnhöhe und Arbeitslosenrate, sondern sind verfeinert um strukturelle Faktoren wie Klima, Wohnqualität, öffentliche Sicherheit, Bildungszugang und die Qualität der medizinischen Versorgung. Als Blockadefaktor gilt nicht mehr die Distanz als entscheidend, sondern intervenierende Hindernisse wie der Bau der Berliner Mauer oder eine restriktive Einwanderungsgesetzgebung.

Neben den objektiven und rein strukturellen Merkmalen finden sich auch individuelle Parameter. Zu den individuellen Merkmalen zählen etwa Geschlecht, Alter, Bildungsstand, Beruf oder ethnische Herkunft. Darunter fällt auch die Frage der persönlichen Wahrnehmung der anderen Faktoren. Zum Beispiel meiden Alleinstehende oft ländliche Zonen wegen langer Anfahrtswege und geringen Freizeitangebots, während Familien diese Umgebung schätzen, soweit die Umwelt intakt ist und die Schulen zufriedenstellen.

Nach E. S. Lee fällt ein Migrant die Wanderungsentscheidung erst nach einem Vergleich all dieser Merkmale. Demnach lässt sich dieses Modell nicht in eine allgemeingültige Formel überführen.[9]

Lowry verknüpft 1966 das ältere Gravitationsmodell mit wesentlichen ökonomischen Faktoren, um das Migrationsverhalten zu berechnen.

mit

als Anzahl der Migranten von i nach j
jeweilige Arbeitslosenquoten (unemployment)
das jeweilige Lohnniveau (wages)
Personen im nichtlandwirtschaftlichen Bereich
Entfernung zwischen i und j
als Fehlerterm

Somit wächst die Zahl der Wanderungswilligen von i nach j, je mehr Arbeitslose, je höher die Beschäftigung und je unattraktiver die Löhne in i ausfallen und je näher sich die beiden Orte sind.[5]

Wahrscheinlichkeitstheoretische Wanderungsmodelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die bisher vorgestellten Modelle dienen zur Beschreibung und Erklärung von summarischen Wanderungseffekten. Auf der Mikroebene der Entscheidungen einzelner Individuen lassen sich mathematische Kausalbeziehungen jedoch nicht formulieren. Wanderungsentscheidungen lassen sich hier – wie alle individuellen Entscheidungen – lediglich auf wahrscheinlichkeitstheoretischer Basis (Probabilistik) vorhersagen. Probabilistische Modelle berücksichtigen bei Standortentscheidungen den unterschiedlichen Informationsgrad der Wandernden.

Den Prozess der Informationsgewinnung und -bewertung, der (möglicherweise) zu einer Standortverlagerung führt, versuchen entsprechende Modelle abzubilden.[10] Die Informationen, die in eine Entscheidung für oder gegen eine Wanderung einfließen, entstammen zumeist dem typischen, wöchentlichen Aktionsradius (activity space) einer Person oder eines Haushaltes. Eine Unzufriedenheit mit der Ausgangssituation kann dabei auf unterschiedlichen Faktoren beruhen, die sich nach den Daseinsgrundfunktionen (Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Bildung, Erholung) gliedern lassen. Aus jedem Faktorenbereich können einzelne Umweltreize als Stressoren die Bewertung des gegenwärtigen Wohnstandortes beeinflussen.

Die Modelle bilden – meist in Form von Flussdiagrammen – die Entscheidungsalternativen des Individuums/Haushaltes ab, die jeweils zufällig, jedenfalls nichtdeterministisch getroffen werden. Grundsätzlich lassen sich vier Handlungsalternativen beim Auftreten von Stressoren unterscheiden:

  1. Durch Erhöhung der Toleranzgrenze passt sich das Individuum/der Haushalt an die Gegebenheiten an.
  2. Durch aktive Beeinflussung wird versucht, die Stressoren abzubauen (z. B. Engagement für eine höhere Umweltqualität).
  3. Es setzt eine aktive Suche nach einem neuen Wohnstandort ein.
  4. Es wird eine prinzipielle Entscheidung für einen Standortwechsel gefällt, der jedoch erst bei einer günstigen Gelegenheit tatsächlich vollzogen wird und möglicherweise durch verschiedene externe Faktoren zusätzlich beeinflusst wird.

Humankapitalmodell[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1962 entwickelte L.A. Sjaastad das sogenannte Humankapitalmodell. Eine Wanderung ist gleichbedeutend mit einer persönlichen Investition in Humankapital. Die Migration ist eine Bilanz mit Ausgaben und Einnahmen, welche jeweils geldwert sein können oder nichtmonetär.[11]

  • Monetäre Ausgaben fallen an für einen Umzug oder alternativ lange Anfahrtswege
  • Nichtmonetäre Ausgaben stehen für den Verzicht auf Familie und Freundeskreis
  • Monetäre Einnahmen fallen etwa unter attraktivere Löhne
  • Nichtmonetäre Erträge stellen wiederum ein besseres Klima dar

Das Modell unterstellt keine sofortige Realisierung der Erträge, sondern berücksichtigt auch eine Wanderungsentscheidung wegen einer beruflichen Perspektive durch die Hoffnung auf bessere Aufstiegschancen, wie sie viele Behörden oder Konzerne anbieten.

Formal finden die nichtmonetären Aspekte zwar Berücksichtigung, erfahren jedoch eine weit geringere Gewichtung als die monetären Parameter.

mit

und Einkünfte in der Zielregion (destination) bzw. in der Stammregion (origin)
T = Kosten der Migration
N = Zahl der Jahre, bis Vorteile zu erwarten sind
r = Rate zur Anzinsung des erwarteten Einkommens

Die Einkünfte stehen hier für die subjektiven Einschätzungen des zu erwartenden Einkommens.

Der Formel entsprechend kommt es eher zur Wanderungsentscheidung

  • je höher das Lohnniveau in der anderen Region
  • je mehr Zeit bis zum Ende des Erwerbslebens ansteht
  • je billiger die Wanderung ausfällt

Somit erfasst das Modell auch verschieden motiviertes Migrationsverhalten unterschiedlicher sozialer Gruppierungen, da die verschiedenen Parameter sich auf individuelle Faktoren wie Beruf, Alter und Geschlecht beziehen können.[5]

Werterwartungstheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ansatz des Subjective Expected Utility (SEU, subjektiv zu erwartender Nutzen, Werterwartungstheorie) stellt den Versuch dar, die verschiedenen theoretischen Migrationsmodelle zu vereinen.[12] Das Modell stützt sich auf die Werterwartungstheorie und verbindet die subjektiven Merkmale mit klassischen sozioökonomischen Beweggründen. Klassische makrotheoretische Beweggründe wie Klima und Lohnhöhe nehmen Einfluss auf die Formel, doch bestimmen persönliche Wahrnehmung und Abwägung das Zustandekommen der Migrationsentscheidung.

Die Kosten-Nutzen-Analyse geht stillschweigend davon aus, dass die Entscheidungsträger bevorzugt die Möglichkeiten auswählen, welche ihnen den größten Vorteil bringen, um den persönlichen erwarteten Gesamtnutzen (SEU) zu maximieren. Eventuelle Ausgaben gehen wiederum als negativer Vorteil in die Berechnung ein (Evaluation). Auch die persönliche Erwartung, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Handlung gelingt, findet Eingang in die Gesamtbewertung.

„Der Ausdruck besagt, dass der subjektiv erwartete Gesamtnutzen (SEU) einer bestimmten Handlung (i) sich zusammensetzt aus der Summe der subjektiven Nutzen (U), die diese Handlung für die Erreichung verschiedener individueller Ziele (j) hat, multipliziert mit den jeweils subjektiv erwarteten Wahrscheinlichkeiten (p), dass diese Nutzen auch tatsächlich realisiert werden.“[5]

Konfrontiert mit variablen Möglichkeiten, erfolgt somit die Auswahl der Aktion, welche den höchsten Wert SEU(i) vorweist. Liegt der SEU über dem der Sesshaftigkeit, dann erfolgt die Migrationsentscheidung.

Den Kern des Modells bildet eine Nutzenmaximierung nach individualistischen und rationalen Erwägungen. Es berücksichtigt also nur Einzelpersonen. Geht es um die komplexe Wanderungsentscheidung mehrerer Beteiligter wie ganzer Haushalte, dann sprengt die gemeinsame Entscheidung den rein egoistisch aufgebauten Erklärungsansatz. So können bei Haushaltsentscheidungen die Interessen und Nutzenvorteile der jeweils Beteiligten sich untereinander widersprechen. So gilt es als erwiesen, dass die meisten Haushaltsentscheidungen zuungunsten der Karriere des weiblichen Partners stattfinden.[5]

Fluchtursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Diskussion um Fluchtursachen sollen die Beweggründe erforscht werden, warum Menschen aus einer Notsituation heraus ihre Heimat verlassen. Dahinter steht die Hoffnung, dass die Anzahl der Flüchtlinge reduziert werden kann.

Die Herausforderungen bei der Beseitigung von Fluchtursachen sind auf der einen Seite wohl strukturiert, da sie mit den Zielen nachhaltiger Entwicklung bereits umfassend beschrieben zu sein scheinen.[13] Auf der anderen Seite sind sie hoch komplex, wie die unterschiedlichen Erfahrungen mit bislang praktizierten Ansätzen der Entwicklungspolitik zeigen.

Flüchtlinge setzen sich primär in Bewegung, um gewaltsamen Konflikten auszuweichen. Insgesamt 60 Millionen Menschen waren im Jahr 2014 auf der Flucht, davon waren 38 Millionen Binnenvertriebene.[14] Damit sind derzeit weltweit mehr Menschen auf der Flucht als nach dem Zweiten Weltkrieg.[15][16]

Fluchtursachen im Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Strukturelle Fluchtursachen und begünstigende Faktoren:[17]

Nach Analyse des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen sowie des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind Rückschritte beim wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt sowie Verschlechterungen der sozialen und politischen Stabilität von Entwicklungsländern typische Folgen einer hohen Bevölkerungsdynamik.[18]

Nur strukturellen Reformen wird eine positive Wirkung beim Abbau von Fluchtursachen zugeschrieben.[19] Einer präventiven und auf längere Sicht angelegten Entwicklungspolitik wird zugetraut Fluchtursachen abmildern.[16]

Die Gründe, warum Menschen fliehen, sind sehr unterschiedlich. Entsprechend müssen die politischen Maßnahmen gegen Fluchtursachen an die Gegebenheiten angepasst werden.[19]

Akute Ursachen:[17][16]

Im Falle von direkter Gewalt muss sich die Entwicklungshilfe häufig zurückziehen.[20]

Werkzeuge der Entwicklungspolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den Werkzeugen, um strukturellen Fluchtursachen zu begegnen gehören Programme zugunsten von:[17]

  • verbesserte landwirtschaftlicher Anbaumethoden
  • geeignete Bau- und Siedlungsformen
  • Förderung von Rechtssicherheit
  • wirtschaftliche Entwicklung
  • Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen
  • Förderung friedlicher Konfliktaustragung
  • Partizipation großer Teile der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen[16]

Darüber hinaus gibt es Werkzeuge, um bestehende Fluchtsituationen zu begleiten:[16][24]

  • Binnenflucht ermöglichen, damit Flüchtlinge ihr Heimatland nicht verlassen müssen
  • Flüchtlingsunterbringung in Nachbarstaaten verbessern
  • Begleitung ehemalige Soldaten auf ihrem Weg ins zivile Leben
  • Unterstützen von Flüchtlingen bei ihrer Rückkehr in die Heimat

Größere Flüchtlingsbewegungen können sich auf die innere Sicherheit von Staaten auswirken. Einige Länder befürchten, dass die Aufnahme von Flüchtlingen politischen Extremismus und Terrorismus fördert. Eine wichtige Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit ist daher die Unterstützung von Ländern, die bereits viele Flüchtlinge aufgenommen haben.[17]

Im Jahr 2014 waren 45 Prozent aller Flüchtlinge in Langzeitsituationen gefangen, die teilweise mehr als 20 oder 30 Jahre andauern.[25]

SDGs und Fluchtursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDG, engl.: Sustainable Development Goals) sehen für das 16. SDG-Ziel „Friedliche und inklusive[Anm. 1] Gesellschaften aufbauen“ u. a. die folgenden Unterziele vor:[26]
16.1 Alle Formen der Gewalt … überall deutlich verringern
16.3 Die Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene fördern und den gleichberechtigten Zugang aller zur Justiz gewährleisten
16.4 Bis 2030 illegale Finanz- und Waffenströme deutlich verringern … und alle Formen der organisierten Kriminalität bekämpfen
16.5 Korruption und Bestechung in allen ihren Formen erheblich reduzieren
16.6 Leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen auf allen Ebenen aufbauen
16.7 Dafür sorgen, dass die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen bedarfsorientiert, inklusiv, partizipatorisch und repräsentativ ist
16.8 Die Teilhabe der Entwicklungsländer an den globalen Lenkungsinstitutionen erweitern und verstärken
16.10 Den öffentlichen Zugang zu Informationen gewährleisten und die Grundfreiheiten schützen, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und völkerrechtlichen Übereinkünften
16.a Die zuständigen nationalen Institutionen namentlich durch internationale Zusammenarbeit beim Kapazitätsaufbau auf allen Ebenen zur Verhütung von Gewalt und zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität unterstützen, insbesondere in den Entwicklungsländern
16.b Nichtdiskriminierende Rechtsvorschriften und Politiken zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung fördern und durchsetzen

Selbstbestimmungsrecht der Völker und Fluchtursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist ein viel diskutiertes und umstrittenes Thema, was u. a. daran liegt, dass sich die Menschheit in ungefähr 3.500 Völker aufteilt, denen aber nur ca. 200 Staaten gegenüber stehen.[27]

In jüngerer Zeit bildet sich neben dem „äußeren“ Recht auf Selbstbestimmung, d. h. das Recht auf Befreiung von Kolonialherrschaft, auch ein „inneres“ Recht auf Selbstbestimmung heraus. Von einer Regierung wird damit z. B. erwartet, dass sie keine rassistische und faschistischen Züge trägt, um als legitime Vertretung des Volkes anerkannt zu werden. Immer mehr geht die Auslegung des Selbstbestimmungsrecht in eine Richtung, die auch ein Recht auf Demokratie und good governance anerkennt.[27]

Mit dieser Auslegung des Völkerrecht gelten die Prinzipien der Souveränität von Staaten und der Unverletzlichkeit der nationalen Grenzen nur noch eingeschränkt und erlaubt in bestimmten Fällen humanitäre Interventionen.[28] Es wird eine moralische Verantwortung abgeleitet, massenhafte Menschenrechtsverletzungen notfalls auch mit militärischer Gewalt in einem fremden Land zu verhindern, wenn die Regierung des betreffenden Landes ihrer Schutzverantwortung gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern nicht gerecht wird.[29]

Der überwiegende Teil der Staaten sieht sich bei der Anerkennung des inneren Selbstbestimmungsrechts von ethnischen Minderheiten in einem Interessenkonflikt. Einerseits ist zwar weitgehend anerkannt, dass jeder Regierung Legitimität nur dann zugestanden werden kann, wenn sie sich über den Volkswillen legitimiert. Andererseits gibt es die Problematik, dass nicht jede ethnischen Minderheit das Recht auf einen eigenen Staat zuerkannt werden kann.[27]

Autonomie und Sezession als Konfliktlösung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein möglicher Weg für einen Staat, der Forderung nach innerer Selbstbestimmung gerecht zu werden, besteht in der Gewährung von Autonomie. Damit wird einem Teil der Bevölkerung bzw. einem Gebiet innerhalb des Staates das Recht eingeräumt, sich in bestimmtem Umfang selbst zu verwalten.[30]

Wenn Teile der Bevölkerung in einem Staat seit Jahrzehnten unter Diskriminierung leiden, kann die Loslösung von dem verantwortlichen Regime und die Gründung eines eigenen Staates durchaus eine Option sein.[30]

Plausible Argumente sprechen dafür, dass ein Volk die Möglichkeit haben sollte, sich mittels Sezession aus einer Lage zu befreien, in der es durch schwere Diskriminierung und andere Menschenrechtsverletzungen an der Ausübung des inneren Selbstbestimmungsrechts gehindert wird.[30]

Außenpolitik und Fluchtursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Unterstützung autoritärer Regierungen zugunsten von politischer Stabilität kann sich kaum positiv auf innerstaatliche Konflikte auswirken.[16]

Viele Territorial- und Weltmächte versuchen, über die Unterstützung von Gruppierungen in fremden Ländern ihren Einfluss zu sichern. So wird z. B. die Politik der USA im Irak Anfang der 2000er Jahre von der Bundeszentrale für politische Bildung als desaströs bezeichnet.[31]

Militärische Interventionen zur Durchsetzung einzelstaatlicher Interessen sind nicht geeignet, die Stabilität von Staaten zu erhöhen.[32]

Diese Politik ist weder für das Selbstbestimmungsrecht der Völker noch für die Verringerung innerstaatlicher Gewalt förderlich.

In der Zeitschrift Ossietzky schreibt Rolf Gössner: „Wer mit sogenannten Antiterrorkriegen, Regime-change-Interventionen und Wirtschaftssanktionen ganze Regionen zerstört und souveräne Staaten destabilisiert, erntet nicht Sicherheit, sondern früher oder später Terror und Instabilität – auch bei sich zuhause in Europa und den USA. In dieser westlichen Mitverursachung von Krieg, Terror, Ausbeutung, Klimakatastrophen und Elend liegt auch die politische Mitverantwortung dafür, dass Millionen Menschen aus diesen Regionen in die Flucht getrieben werden: »Wir kommen zu euch, weil ihr unsere Länder zerstört.«“[33]

Wirtschaftspolitik und Fluchtursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es besteht kein Konsens, dass der von IWF und Weltbank vorgezeichnete Entwicklungspfad für alle Länder des globalen Südens zu einer wirtschaftlich gesicherten Existenz führen kann.[32]

Die von der deutschen Entwicklungshilfe angestrebte Eigenversorgung afrikanischer Regionen bei der Nahrungsmittelproduktion[34] wird oft durch das schwankende Niveau der Welthandelspreise konterkariert.[35][36]

Organisierte Kriminalität und Fluchtursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Zusammenhang von Entwicklungsperspektiven und den Auswirkungen der transnationalen Organisierten Kriminalität (OK) ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gerückt.[37] In der entwicklungspolitischen Debatte wird seit längerem darauf verwiesen, dass OK und kriminelle Gewalt eine Erklärung dafür sind, warum fragile Staaten mehrheitlich nicht die Millenniums-Entwicklungsziele erreicht haben.

Viel häufiger als mit massiver Gewalt und Instabilität geht OK einher mit:[37]

Auch hat sich gerade in fragilen Staaten der gängige Law-and-order-Ansatz allein als wenig erfolgreich erwiesen.[37]

Erfahrungen mit Interventionen in Entwicklungsländern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der langfristigen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländer müssen Geberstaaten mit staatlichen Eliten kooperieren, deren Interessen in der Regel auf die Bewahrung des Status quo gerichtet sind. Zu Berücksichtigen ist, dass die Herausbildung von „good governance“ und der Aufbau demokratischer Institutionen tiefe Eingriffe in politische Systeme erfordern. Fehlen starke Druckmittel oder sehen Eliten durch eine Demokratisierung ihre Interessen gefährdet, ist oft nur wenig zu erreichen.[38]

Mit Krisenprävention (Synonym: Konfliktprävention) soll der Ausbruch von Bürgerkriegen verhindert werden. Die Prävention innerstaatlicher Gewalt steht seit den frühen 1990er Jahren auf der Agenda internationaler Politik.[38]

In Krisensituationen gibt es für internationale Organisationen, wie IWF und Weltbank gute Möglichkeiten, Konflikte zu verhindern, da angesichts der Kosten, die solche Institutionen einer Regierung auferlegen können, große Anreize bestehen, zu einer friedlichen Lösung mit Rebellen zu kommen. Auf der anderen Seite können Strukturanpassungsprogramme, die der IWF einem Staat mit dem Ziel seiner wirtschaftlichen Liberalisierung auferlegt, konfliktanheizende Wirkung haben, da wirtschaftliche Liberalisierung auch Verlierer hervorbringt.[38]

Damit die Erwartungen, die sich an Prävention richten, erfüllt werden können, bedarf es eines großen Maßes an Wissen über Konfliktursachen, über die Bedingungen, unter denen mit dem Ausbruch organisierter Gewalt zu rechnen ist und über effektive präventive Maßnahmen.[38]

Erfahrungen mit Interventionen in Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Türkei: Das Schweizer Monitoring-Zentrum (Internal Displacement Monitoring Centre, IDMC) schätzt, dass in der Türkei rund eine Million Menschen als Vertriebene im eigenen Land leben. Dabei handelt es sich überwiegend um die kurdisch stämmige Bevölkerung aus dem Südosten des Landes, die im Zeitraum 1986–1995 vor dem Bürgerkrieg geflohen und nicht mehr zurückgekehrt ist.[28] Im Südosten herrschte Anfang 2016 Bürgerkrieg.[39] Die Verhältnisse in der Türkei drohen deshalb zu einer Fluchtursache zu werden.[40]

Ex-Jugoslawien: Offiziell löste sich der ehemalige Bundesstaat in seine Teilrepubliken auf. Doch die Tendenz, die neuen Staatsgrenzen nach ethnisch-religiösen Kriterien zu korrigieren, verursachte Kriege und Vertreibungen. Der Ausbruch des Bosnischen Bürgerkriegs Anfang 1992 führte zu einer der größten Flüchtlingswellen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg: Rund die Hälfte der 4,4 Millionen Einwohner verlor ihr Hab und Gut. Auch aus der serbischen Provinz Kosovo gab es 850.000 Flüchtlinge infolge der ausländischen Militärintervention im Jahre 1999. Die ethnischen Feindbilder sind noch immer präsent und verhindern eine Integration.[28]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. „Inklusiv“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle gesellschaftlichen Gruppen einbezogen sind. Die UN definiert eine inclusive society wie folgt: „society for all in which every individual, each with rights and responsibilities, has an active role to play“. (Quellen: Creating an Inclusive Society: Practical Strategies to Promote Social Integration, United Nations Department of Economic and Social Affairs, S. 4; Volksparteien in der Krise, von Olaf Wientzek, KAS-Auslandsinformationen, Konrad-Adenauer Stiftung (KAS), 12 / 2012)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bibliographien

  • Davoud Gharagozlou: Quellen zur Migrationsforschung. Eine selektiert-komparative Bibliographie in drei Sprachen über USA, Deutschland, Frankreich und England. Zusammengestellt und versehen mit einer kurzen Darstellung der amerikanischen Migrationsgeschichte. Lit, Münster 2004, ISBN 3-8258-7881-3 (= Sources of migration research).
  • R. Paul Shaw: Migration Theory and Fact: A Review and Bibliography of Current Literature. Philadelphia 1975.

Darstellungen

  • Klaus J. Bade, Peter C. Emmer, Leo Lucassen, Johne Oltmer (Hrsg.): Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 2007, ISBN 978-3-506-75632-9
  • Klaus J. Bade: Sozialhistorische Migrationsforschung. (Studien Zur Historischen Migrationsforschung). V&R Unipress, 2004, ISBN 3-89971-172-6.
  • Wassilios Baros: Familien in der Migration. Eine qualitative Analyse zum Beziehungsgefüge zwischen griechischen Adoleszenten und ihren Eltern im Migrationskontext. Lang, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-631-37544-1 (Zugleich Dissertation an der Universität Köln 2000 unter dem Titel: Das Beziehungsgefüge zwischen griechischen Adoleszenten und ihren Eltern im Migrationskontext).
  • Harald Bauder: Labor movement – how migration regulates labor markets. Oxford Univ. Press, 2006.
  • Gudrin Biffl (Hrsg.): Migration und Integration - Dialog zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis. omninum, Bad Vöslau 2010, ISBN 978-3-9502888-1-0.
  • G. F. De Jong, J. T. Fawcett: Motivations for Migration: An Assessment and a Value-Expactancy Research Model. In: G.F. De Jong, R. W. Gardner (Hrsg.): Migration Decision Making. New York 1981.
  • Jared Diamond: Kollaps. (Originaltitel: Collapse: How Societies Choose to Fail or Succeed.2004, übersetzt von Sebastian Vogel), Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-013904-6, als Taschenbuch 2006, ISBN 978-3-596-16730-2.
  • Maria Dietzel-Papakyriakou: Altern in der Migration. Lucius, Stuttgart 1993, ISBN 3-432-25901-8.
  • Peter Haggett: Geographie – Eine moderne Synthese. Stuttgart 1991.
  • Petrus Han: Theorien zur internationalen Migration: Ausgewählte interdisziplinäre Migrationstheorien und deren zentralen Aussagen. Lucius & Lucius, Stuttgart 2006, ISBN 3-8252-2814-2.
  • Felicitas Hillmann: Migration. Eine Einführung aus sozialgeographischer Perspektive. Franz Steiner, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-515-10636-8.
  • Jacqueline Knörr (Hrsg.): Women and Migration. Anthropological Perspectives. Campus, Frankfurt am Main / New York, NY 2000, ISBN 3-593-36604-5 (englisch).
  • Jacqueline Knörr (Hrsg.): Childhood and Migration. From Experience to Agency. Transcript, Bielefeld 2005, ISBN 3-89942-384-4.
  • Steffen Kroehnert: Theorien der Migration. Berlin-Institut für Weltbevölkerung und globale Entwicklung, 2003 (online[5])
  • Everett S. Lee: Eine Theorie der Wanderung. In: G. Széll (Hrsg.): Regionale Mobilität. München 1972.
  • Jürgen Leibold: Immigranten zwischen Einbürgerung und Abwanderung – Eine empirische Studie zur bindenden Wirkung von Sozialintegration. Göttingen 2007. (online auf webdoc.sub.gwdg.de, abgerufen 22. Februar 2009)
  • Ira South Lowry: Migration and Metropolitan Growth: Two Analytical Models. San Francisco 1966.
  • Larry A. Sjastaad: The Costs and Returns of Human Migration. In: The Journal of Political Economy. 70, 1962.
  • Anette Treibel: Migration in modernen Gesellschaften. Juventa, Weinheim 1999, ISBN 3-7799-0385-7.
  • Heike Wagner, E. Petzl: Konstruktion von Migration in Statistik, Diskurs und Praxis. In: M. Becka, A.-P. Rethmann (Hrsg.): Migration und Ethik. Schöningh, Paderborn 2010, S. 25–50. ISBN 978-3-506-76939-8.
  • Hans-Rudolf Wicker: Migration, Differenz, Recht und Schmerz. Sozialanthropologische Essays zu einer sich verflüchtigenden Moderne, 1990-2010.: Seismo, Zürich 2012, ISBN 978-3-03777-110-5.
  • Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 2 (2005), Heft 3: Migration.
  • Ljubomir Bratić mit Eveline Viehböck: Die zweite Generation, Migrantenjugendliche im deutschsprachigen Raum, Innsbruck: Österr. Studien-Verlag 1994, ISBN 3-901160-10-8

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Migration – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Barbara Lüthi: Migration and Migration History. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 28. September 2010, abgerufen am 30. Juli 2012.
  2. Treibel 1999, S. 20 ff.
  3. Michael Jeismann: Das Risiko heißt: Zusammenbruch der Weltgesellschaft (Interview mit Jared Diamond). In: faz.net, 19. Dezember 2005, abgerufen 22. Februar 2009.
  4. Lowry 1966.
  5. a b c d e f g Steffen Kroehnert: Theorien der Migration (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive), Berlin-Institut für Weltbevölkerung und globale Entwicklung, 2003 (abgerufen 22. Februar 2009).
  6. Treibel 1999, S. 39 f.
  7. Thomae 1974.
  8. Dietzel Papa Kyriakou 1993, S. 68.
  9. Lee 1972, S. 115–129.
  10. Roseman u.a., siehe auch Migrationssoziologie
  11. Sjaastad 1962, S. 80–93.
  12. De Jong/Fawcett 1981.
  13. Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, Neuauflage 2016, Entwurf, Bundesregierung, Stand: 30. Mai 2016, S. 15
  14. Flucht und ihre Ursachen, Netzwerk Flüchtlingsforschung, 19. August 2015
  15. Globale Migration: Ursachenbekämpfung in Afrika, Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), 31. März 2016
  16. a b c d e f Was kann Entwicklungspolitik zur Bekämpfung von Fluchtursachen beitragen?, von Benjamin Schraven, Bernhard Trautner, Julia Leininger, Markus Loewe, Jörn Grävingholt, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), 2015
  17. a b c d Fluchtursachenbekämpfung: Ein entwicklungspolitisches Mantra ohne Inhalt?, von Steffen Angenendt und Anne Koch, in: Ausblick 2016: Begriffe und Realitäten internationaler Politik, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (SWP), Januar 2016
  18. Christian Herbert Jahn, Bevölkerungswachstum und Armutsminderung in Entwicklungsländern, Dissertation Freie Universität Berlin 2001, S. 27–28
  19. a b Nur gute Lebensbedingungen halten von Flucht ab, von Christine Hackenesch und Julia Leininger, Die Zeit, 6. Mai 2015
  20. Abschlussberichte, Drei Kontinente 15 Dörfer – eine Vision, Millenniumsdörfer, Eine Initiative der Welthungerhilfe 2011–2015, Deutsche Welthungerhilfe e. V, August 2015, S. 7)
  21. Marita Wagner: Telefa – Die entführten Bräute Äthiopiens. In: Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland Katholisch.de. Abgerufen am 2. Oktober 2016.
  22. Rahel – Ein Bildungsprojekt für Adigrat. In: Webseite des Rahel-Bildungsprojektes. Institut für Weltkirche und Mission - Rahel-Bildungsprojekt, abgerufen am 25. September 2016.
  23. Judith Breunig, Madeleine Helbig, Claudia Berg, Stefanie Matulla, Magdalena Strauch, Marita Wagner, Benedikt Winkler: Rahel - Ein Bildungsprojekt für Adigrat. Festschrift der Studierendeninitiative - Ein Blick durch die Zeit: 2010-2015. Institut für Weltkirche und Mission, Frankfurt am Main Juni 2015.
  24. Bekämpfung von Fluchtursachen, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), abgerufen am 26. April 2016
  25. Friedenslogischer Flüchtlingsschutz, Ulrike Krause, Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg, 2015
  26. Die 2030-Agenda, Globale Zukunftsziele für nachhaltige Entwicklung, von Jens Martens und Wolfgang Obenland, Hrsg.: Global Policy Forum und terre des hommes, Februar 2016
  27. a b c Die innere Selbstbestimmung der Völker im Spannungsverhältnis von Souveränität und Entwicklung, Kommentare: Selbstbestimmungsrecht im Wandel, Düsseldorfer Institut für Außen- und Sicherheitspolitik (DIAS), erstellt: 28. August 2007, zuletzt geändert: 20. Januar 2010
  28. a b c Fluchtursache Staatszerfall am Rande der EU, von Sabine Riede, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (SWP), Oktober 2015
  29. Schutzverantwortung und humanitäre Intervention, von Peter Rudolf, Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), 2. September 2013
  30. a b c Sezession und Anerkennung, von Christian Schaller, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (SWP), Dezember 2009
  31. Irak, Bundeszentrale für politische Bildung, 9. November 2015, siehe auch Paul Bremer
  32. a b Fluchtursache Kapitalismus, von Ingar Solty, Ossietzky, 22 / 2015
  33. Verdrängte Flucht- und Terrorursachen, Zeitschrift Ossietzky, 25 / 2016
  34. BMZ – Afrikapolitik: Neue Herausforderungen und Akzente, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, April 2016
  35. Entwicklungsländer besitzen den Schlüssel zu einer naturverträglichen Ernährung, Bundesamt für Naturschutz (BfN), 25. Februar 2010
  36. Entwicklungsländer besitzen den Schlüssel zu einer naturverträglichen Ernährung, abitur-und-studium.de, 25. Februar 2010
  37. a b c Organisierte Kriminalität und Entwicklung – Herausforderungen und Handlungsoptionen in fragilen Staaten Westafrikas, von Judith Vorrath, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (SWP), Oktober 2015
  38. a b c d Bürgerkriege und Massenverbrechen verhindern – aber wie? von Peter Rudolf, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, September 2015
  39. Wo sind ihre toten Kinder?, von Özlem Topçu, Die Zeit, 21. Januar 2016
  40. Fluchtursachen bekämpfen? Na dann los, liebe EU!, von Terry Reintke, Handelsblatt, 16. Oktober 2015

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