Bocksteinhöhle

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Bocksteinhöhle

Eingang zur Bocksteinhöhle
Eingang zur Bocksteinhöhle

Eingang zur Bocksteinhöhle

Lage: Lonetal, Baden-Württemberg, Deutschland
Geographische
Lage:
48° 33′ 14,5″ N, 10° 9′ 16,7″ OKoordinaten: 48° 33′ 14,5″ N, 10° 9′ 16,7″ O
Bocksteinhöhle (Baden-Württemberg)
Bocksteinhöhle (Baden-Württemberg)
Katasternummer: 7426/1–4
Geologie: Karst
Gesamtlänge: 16 m
Blick aus der Bocksteinhöhle ins Lonetal

Die Bocksteinhöhle bei Bissingen im Lonetal ist eine Karsthöhle. Die Höhle ist ein bedeutender Fundplatz des Jungpaläolithikums. Im Jahre 2017 wurde sie als eine der sechs Höhlen der Weltkulturerbestätte Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb in das UNESCO-Welterbe aufgenommen.

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bocksteinhöhle liegt zwischen Öllingen und Bissingen auf der Gemarkung der Gemeinde Rammingen in Baden-Württemberg, nahe der bayrischen Grenze.[1][2]

Sie befindet sich an einem Nordwesthang im mittleren Lonetal.[3] Sie liegt 50 Meter über der Talsohle bzw. 12 Meter über dem Tal an dieser Stelle. Oberhalb der Höhle steht eine Schutzhütte.[2][4]

In unmittelbarer Nachbarschaft sind weitere Höhlen zu finden: das Westloch, das Bocksteinloch und die Bocksteingrotte.[3] Vor dem benachbarten Bocksteinloch befindet sich der als Bocksteinschmiede bekannte Vorplatz dieser kleineren Höhle.[5][1]

Geologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In diesem Tal ist die Lone in Schichten des Weißen Jura eingeschnitten. In der Region befinden sich in weiten Bereichen Lössböden, weshalb in der Region viele Flächen landwirtschaftlich genutzt werden. Wegen der landwirtschaftlichen Nutzung wurden in der Region aber auch viele Hügel abgetragen und Senken gefüllt, sodass das Relief mit der Zeit immer weniger ausgeprägt war.[3]

Die Lone ist heute in vielen Jahren ausgetrocknet, in der Würm-Kaltzeit hat sie vermutlich regelmäßig Wasser geführt. In der Nähe der Bocksteinhöhle liegt der Grundwasserspiegel dicht unter der Oberfläche, so dass auch in trockenen Zeiten im Flussbett regelmäßig Pfützen entstehen.[3]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Höhle hat eine Größe von ungefähr 20 Metern Breite und 15 Metern Tiefe.[2] Die Höhle hat zwei Eingänge. Der heutige Haupteingang lag bis ins 19. Jahrhundert in einer Höhe von zwei Metern und war kleiner, wurde aber durch Sprengungen bei Grabungen bis zum Höhlenboden hin erweitert, damit Abraum und Fundstücke leichter aus der Höhle abtransportiert werden konnten. Der eigentliche steinzeitliche Haupteingang, das Törle, wurde in den 1950er Jahren bei Ausgrabungen unter Leitung von Robert Wetzel entdeckt.[6][7]

Grabungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Höhlen der Region zeichnen sich durch den Fund verschiedener Fossilien und Kulturgegenstände früherer Zeitalter aus. Nachdem in der Nähe der Bocksteinhöhle in der Bärenhöhle Überreste von Höhlenbären gefunden worden waren, führten der Oberförster von Langenau, Ludwig Bürger, und der Pfarrer Friedrich Lösch 1883 und 1884 Ausgrabungen an und in der Bocksteinhöhle durch. Bei diesen Grabungen fanden sie Knochen verschiedenen Wildes, Stein- und Knochengeräte der Höhlenbewohner und zwei menschliche Skelette. Es handelte sich um die Skelette einer jungen Frau und eines Säuglings, der zu ihren Füßen lag.[3][8]

Zu der Datierung der Skelettfunde herrschte Uneinigkeit zwischen den Experten. Die Entdecker hatten keinen Zweifel daran, dass die Skelette prähistorische Funde waren. Oscar Fraas und Hermann Schaaffhausen teilten diese Einschätzung, während Hermann Hölder und Rudolf Virchow den Skeletten ein recht junges Alter zusprachen. Kurze Zeit später stützte der Pfarrer von Öllingen, Emil Lechler, die Vermutung Hölders und Virchows. Er fand im Kirchenbuch einen Eintrag aus dem Jahr 1739, in dem über den Suizid einer jungen Frau und ihres Kindes sowie die Beisetzung im Lonetal anstatt auf einem Friedhof berichtet wurde.[8] Die Skelette waren danach kein Gegenstand der Forschung mehr und galten später als verschollen.[9] Das Skelett des Neugeborenen wurde in den 1990er Jahren im Museum Ulm wiederentdeckt und auf 6300 bis 6200 v. Chr. datiert, die späte Mittelsteinzeit. Somit zeigte sich, dass Bürger und Lösch mit ihrer Einschätzung recht hatten.[10][11]

Robert Rudolf Schmidt legte 1908 einen Grabungsschnitt an, wobei er zwar dieselben Fundschichten wie die Altgrabungen in der Höhle fand, jedoch keinen direkten Anschluss bei den Funden. 1932 begann Robert Wetzel mit Unterstützung von Anton Bamberger mit Ausgrabungen im Gebiet des Bocksteins, die mit Unterbrechungen bis 1956 andauerten. In dieser Zeit wurde unter anderem ein Sondagegraben bis hin zum Talgrund angelegt und das Bocksteintörle als pleistozäner Zugang zur Bocksteinhöhle entdeckt.[3]

Die Funde, die bei den verschiedenen Ausgrabungen aufgenommen wurden, befinden sich größtenteils im Ulmer Museum und wurden auch später zu Untersuchungen herangezogen.

Kulturelle Funde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kulturellen Funde lassen sich auf 50.000 bis 70.000 Jahre zurückdatieren. Sie bezeugen den ältesten Siedlungskomplex des Neandertalers in Süddeutschland. Zu den Werkzeugfunden gehören verschiedene Gegenstände. So fand man 50 Faustkeile und mehrere Hundert Spitzen aus Quarzit oder Hornstein.[12]

Neben Werkzeugen wurden auch Schmuckgegenstände gefunden. So fand man einen Höhlenbärenzahn mit einem durchgebohrten Loch und Schmuck aus Mammutelfenbein und Tonschiefer.[7][13]

Die Gegenstände stammen aus unterschiedlichen Zeitaltern, die sich sowohl dem modernen Menschen als auch dem Neandertaler zuordnen lassen, beispielsweise aus Aurignacien, Gravettien und Magdalénien sowie Micoquien und Moustérien.[3][12]

Naturhistorische Funde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben den von Menschen bearbeiteten Gegenständen befanden sich in allen Schichten auch Skelette und Gebisse unterschiedlicher Tiere, durch die auch Rückschlüsse zur Umwelt im Gebiet der Bocksteinhöhle gezogen werden können. In allen Schichten fanden sich zudem Brand- und Schnittspuren, die die Besiedlung der Bocksteinhöhle beweisen.[3]

Außer im Gravettien waren Pferde die häufigsten Vertreter in den einzelnen Schichten, im Gravettien waren es Rentiere, die aber auch in anderen Zeitaltern häufig waren. Außerdem wurden größtenteils auch Überreste anderer Herbivore wie Wildrinder, Hasen und Nager gefunden. Es wurden aber auch Reste von Höhlenbären und anderen Carnivoren entdeckt.[3]

In den meisten Schichten fanden sich Überreste von Arten, die als Zeigerarten für Waldsteppen dienen, beispielsweise Auerhühner, Elche und Luchse. Einzig im Gravettien waren es ausschließlich Steppentiere, sodass in dieser Zeit von einer fehlenden Bewaldung im Gebiet der Bocksteinhöhle ausgegangen wird.[3]

Welterbe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der außergewöhnlich hohen Dichte an archäologischen Stätten wurde die Bocksteinhöhle am 9. Juli 2017 gemeinsam mit fünf weiteren Höhlen als Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb zum UNESCO-Welterbe erklärt. Zu diesem Welterbe gehören im Lonetal die Vogelherdhöhle und das Hohlenstein-Stadel und im Achtal die Höhle Hohler Fels, die Sirgensteinhöhle und das Geißenklösterle.[1][14]

Tourismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Höhle kann zu Fuß über einen Wanderweg erreicht werden.[15] Wegen Einsturzgefährdung konnten Besucher die Höhle zwischenzeitig nur auf eigene Gefahr betreten.[16] Ein 44 Tonnen schwerer Fels lag nur an drei Stellen auf und drohte abzurutschen. Eine Spezialfirma zerstörte den Felsblock mit einer leisen Sprengung. Während dieser Sanierungsarbeiten im Sommer 2022 war die Höhle für Besucher gesperrt.[17]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bocksteinhöhle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Die Bocksteinhöhle und die Bocksteinschmiede. In: oellingen.de. Gemeinde Öllingen, abgerufen am 6. Dezember 2023.
  2. a b c Freizeit & Tourismus in Rammingen. In: rammingen-bw.de. Abgerufen am 6. Dezember 2023.
  3. a b c d e f g h i j Petra Krönneck: Der Bockstein – neue Erkenntnisse zur Paläoumwelt. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Urgeschichte. Band 17, 2008, S. 39–53.
  4. Bocksteinhöhle. In: schwaebischealb.de. Schwäbische Alb Tourismusverband e.V., abgerufen am 6. Dezember 2023.
  5. Hilfreicher Übersichtsplan mit Benennung der Fundstellen: Joachim Hahn: Bockstein mit Bocksteinhöhle, Bockstein-Westloch, Bockstein-Törle, Bocksteinschmiede und Bocksteinloch, Bockstein-Brandplatte, Bocksteingrotte und Bocksteinabhang. In: Eiszeithöhlen im Lonetal. Archäologie einer Landschaft auf der Schwäbischen Alb. Von Joachim Hahn, Hansjürgen Müller-Beck, Wolfgang Taute (= Landesdenkmalamt Baden-Württemberg u. a. [Hrsg.]: Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg. Band 3). 2. Auflage. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-8062-0222-2, S. 57–68, hier S. 58 Abb. 13.
  6. Robert Wetzel: Das Törle an der alten Bocksteinhöhle. In: Mitteilungshefte des Vereins für Naturwissenschaft und Mathematik Ulm e. V. Band 24, 1954 (vnm-ulm.de [PDF]).
  7. a b Sibylle Wolf, Claus-Joachim Kind, Nicholas J. Conard: Schmuck aus dem Aurignacien von der Schwäbischen Alb im Vergleich mit Inventaren aus dem Lahntal und dem Rheinland. In: Archäologisches Korrespondenzblatt. Band 43, Nr. 3, 2022, S. 295–313, doi:10.11588/ak.2013.3.90147.
  8. a b Karl Dietrich Adam: Anfänge urgeschichtlichen Forschens in Südwestdeutschland. In: Quartär. Band 23/24, 1973, S. 21–36.
  9. Bocksteinhöhle und Bocksteinschmiede. In: lonetal.net. Verwaltungsverband Langenau, abgerufen am 6. Dezember 2023.
  10. Jörg Orschiedt, Claus-Joachim Kind: Mesolithic human remains from Southern Germany. In: Mesolithic burials – Rites, symbols and social organisation of early postglacial communities. Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale), 2013, S. 40.
  11. Jörg Orschiedt: Bestattungen und Schädelkult. Totenfürsorge durch die Jahrtausende. In: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg u. a. (Hrsg.): Eiszeit – Kunst und Kultur. Begleitband zur Großen Landesausstellung (...). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2009, ISBN 978-3-7995-0832-2, S. 65–67, hier S. 67: „zwischen 6400 und 6200 v. Chr.“
  12. a b Emil Hoffmann: Lexikon der Steinzeit. Beck, 1999, ISBN 978-3-8448-8898-0, S. 54.
  13. Nicholas J. Conard: The Demise of the Neanderthal Cultural Niche and the Beginning of the Upper Paleolithic in Southwestern Germany. In: Neanderthal Lifeways, Subsistence and Technology. 2011, S. 223–240, doi:10.1007/978-94-007-0415-2_19.
  14. UNESCO-Welterbe Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb – Einzigartiges Zeugnis menschlichen Kunst- und Kulturschaffens. In: unesco.de. Deutsche UNESCO-Kommission, abgerufen am 6. Dezember 2023.
  15. Bocksteinhöhle und Bocksteinschmiede. In: lonetal.net. Verwaltungsverband Langenau, abgerufen am 6. Dezember 2023.
  16. Franz Lindenmayr: Die Bocksteinhöhle im Lonetal. In: lochstein.de. September 2021, abgerufen am 10. Dezember 2023.
  17. Lonetal: Gefahr durch tonnenschweren Felsblock in Bocksteinhöhle gebannt. In: swr.de. Südwestdeutscher Rundfunk, 5. Juli 2022, abgerufen am 10. Dezember 2023.