Dellagiustait

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Dellagiustait
Dellagiustait (schwarz-grüne Kristalle) aus der Typlokalität zusammen mit Grossit und Hibonit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

IMA 2017-101[1]

IMA-Symbol

Dgt[2]

Chemische Formel V2+Al2O4[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide[3]
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakisoktaedrisch; 4/m32/m
Raumgruppe Fd3m (Nr. 227)Vorlage:Raumgruppe/227[3]
Gitterparameter a = 8,1950(1) Ånatürlicher Mischkristall[3]
Formeleinheiten Z = 8natürlicher Mischkristall[3]
Häufige Kristallflächen {111}[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 6,5–7[3]
Dichte (g/cm3) berechnet: 4,6[3]
Spaltbarkeit nicht beobachtet[3]
Bruch; Tenazität uneben, splittrig[3]
Farbe Schwarz[3]
Strichfarbe Schwarz[3]
Transparenz opak[3]
Glanz Metallglanz[3]

Das Mineral Dellagiustait ist ein sehr selten vorkommendes Oxid aus der Spinell-Supergruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung V2+Al2O4. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem und entwickelt schwarze, oktaedrische Kristalle von unter einem Millimeter Größe.[3]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Synthetische Aluminium-Vanadium-Spinelle (Al(V2+V3+)O4) wurden seit Beginn des 21. Jahrhunderts wegen ihrer magnetischen Eigenschaften untersucht.[4][5][6][7]

Das erste natürliche Vorkommen von Dellagiustait mit sehr ähnlicher Zusammensetzung beschrieb die Arbeitsgruppe um Fernando Cámara 2017 in extrem reduzierten Paragenesen der Sierra de Comechingones in der Provinz San Luis, Argentinien. Die Autoren benannten den neuen Spinell nach Professor Antonio Della Giusta von der Universität Padua, einem Spezialisten der Kristallchemie und Ordnungs-Unordnungs-Phänomenen von Spinellen.[3]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die aktuelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Dellagiustait zur Spinell-Supergruppe, wo er zusammen mit Chromit, Cochromit, Coulsonit, Cuprospinell, Deltalumit, Franklinit, Gahnit, Galaxit, Guit, Hausmannit, Hercynit, Hetaerolith, Jakobsit, Maghemit, Magnesiochromit, Magnesiocoulsonit, Magnesioferrit, Magnetit, Manganochromit, Spinell, Thermaerogenit, Titanomaghemit, Trevorit, Vuorelainenit und Zincochromit die Spinell-Untergruppe innerhalb der Oxispinelle bildet.[8] Ebenfalls in diese Gruppe gehören die nach 2018 beschriebenen Oxispinelle Chihmingit[9] und Chukochenit[10] sowie der Nichromit, dessen Name von der CNMNC der IMA noch nicht anerkannt worden ist.[11]

In der mittlerweile veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz ist der Dellagiustait ebenso wenig verzeichne, wie im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, dessen „Lapis-Systematik“ sich im Aufbau noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet.[12]

Die von 2001 bis 2009 von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Dellagiustait noch nicht.[13]

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana führt den Dellagiustait noch nicht auf.

Die von der Mineraldatenbank „Mindat.org“ weitergeführte Strunz-Klassifikation, die sich im Aufbau nach dessen 9. Auflage richtet, ordnet den Dellagiustait in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung „Metall : Sauerstoff = 3 : 4 und vergleichbare“ (englisch Metal : Oxygen = 3 : 4 and similar) ein. Diese ist weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, daher wurde Dellagiustait ist entsprechend seiner Zusammensetzung in die Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen“ (englisch With only medium-sized cations) mit der Systemnummer 4.BB. eingeordnet (vergleiche dazu die gleichnamige Unterabteilung in der Klassifikation nach Strunz (9. Auflage)). Eine weitergehende Einordnung in eine bestimmte Mineralgruppe gibt es bisher nicht.[14]

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reiner Dellagiustait hat die Zusammensetzung V2+Al2O4. Der Vanadium-Aluminium-Spinell aus der Typlokalität ist ein inverser Spinell mit der Zusammensetzung (Koordinationszahl der Gitterposition in eckigen Klammern):[3]

  • [4]Al3+[6](V2+0,91Mg2+0,08Mn2+0,01V3+0,88Al3+0,09Ti3+0,03)O4

Dies entspricht einem Mischkristall von fast gleichen Teilen Dellagiustait mit dem hypothetischen Vanadium-Analog des Magnetits (V2+V3+2O4, Vanadium-Coulsonit) entsprechend der Austauschreaktion

  • [6]Al3+ = [6]V3+ (Vanadium-Coulsonit)

Weiterhin bildet Dellagiustait Mischkristalle mit Spinell:[3]

  • [4/6]V2+ = [4/6]Mg2+ (Spinell)

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Natürlicher Dellagiustait kristallisiert in der kubischen Raumgruppe Fd3m (Raumgruppen-Nr. 227)Vorlage:Raumgruppe/227 mit den Gitterparameter a = 8,1950(1) Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle. In diesem inversen Spinell ist die Tetraederposition vollständig mit Aluminium (Al3+) besetzt und die Oktaederposition ist gemischt besetzt mit Vanadium (V2+) und Aluminium.[3]

Das synthetische Äquivalent mit der nahezu identischen Zusammensetzung Al3+(V2+V3+)O4 ist bei Raumtemperatur rhomboedrisch und macht bei 427 °C eine Phasenumwandlung zur kubischen Struktur. Ursache der niedrigeren Symmetrie bei kleineren Temperaturen ist eine Ordnung der unterschiedlich geladenen Vanadiumionen auf den Oktaederpositionen.[4][6][3]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dellagiustait ist ein extrem seltenes Mineral und weltweit nur an 2 Fundorten beschrieben worden.[15]

In der Typlokalität, der Sierra de Comechingones in der Provinz San Luis, Argentinien, tritt Dellagiustait zusammen mit Vanadium-reichen Hibonit, Grossit, metallischen Vanadium, oft ummantelt von Dellagiustait, einem noch unbekannten Mineral der Zusammensetzung Ca2Al3O6F, Gehlenit und Aluminium-reichen Perowskit auf. Diese Paragenese weist auf extrem reduzierende (sauerstoffarme) Bildungsbedingungen hin und Temperaturen um 1000 °C. Alle bis dahin bekannten Gesteine der Sierra de Comechingones weisen deutlich niedrigere Bildungstemperaturen auf. Der geologische Kontext dieser Paragenese ist nicht bekannt, da die Proben von einem Händler erworben wurden.[3]

Das einzige weitere bekannte Vorkommen von Dellagiustait ist das Karmel (Gebirge) im Bezirk Haifa, Israel. Die Dellagiustait-führenden Gesteine ähneln denen aus der Typlokalität stark. Dellagiustait tritt hier zusammen mit Hibonit, Grossit, Krotit, Vanadium und einer Vanadium-Aluminium-Legierung auf.[16][3][17]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2024. (PDF; 3,8 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2024, abgerufen am 23. Januar 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u Fernando Cámara, Luca Bindi, Adriana Pagano, Renato Pagano, Sarah E.M. Gain, William L. Griffin: Dellagiustaite: A Novel Natural Spinel Containing V2+. In: Minerals. Band 9, Nr. 1, 2019, S. 1–16, doi:10.3390/min9010004 (englisch, researchgate.net [PDF; 907 kB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  4. a b Ken-ichiro Matsuno, Takuro Katsufuji, Shigeo Mori, Yutaka Moritomo, Akihiko Machida, Eiji Nishibori, Masaki Takata, Makoto Sakata, Naoki Yamamoto, Hidenori Takagi: Charge Ordering in the Geometrically Frustrated Spinel AlV2O4. In: Journal of the Physical Society of Japan. Band 70, 2001, S. 1456–1459, doi:10.1143/JPSJ.70.1456 (englisch).
  5. Yoichi Horibe, Kosuke Kurushima, Shigeo Mori, T. Asada, Y. ,Y. Koyama, M. Shingu, T. Katsufuji: Doping effect on the charge ordering in AlV2O4. In: Physical Review B. Band 71, 2005, doi:10.1103/PhysRevB.71.052411 (ID 052411).
  6. a b S. Kalavathi, Selva Vennila Raju, Quentin Williams, P. Ch. Sahu, V. S. Sastry, H. K. Sahu: Pressure-induced frustration in charge ordered spinel AlV2O4. In: Journal of Physics: Condensed Matter. Band 25, 2013, S. 1–6, doi:10.1088/0953-8984/25/29/292201 (englisch, ID 292201).
  7. S. Kalavathi, S. Amirthapandian, Sharat Chandra, P. Ch. Sahu, H. K. Sahu: Valence state, hybridization and electronic band structure in the charge ordered AlV2O4. In: Journal of Physics: Condensed Matter. Band 26, 2014, doi:10.1088/0953-8984/26/1/015601 (englisch, ID 015601).
  8. Ferdinando Bosi, Cristian Biagioni, Marco Pasero: Nomenclature and classification of the spinel supergroup. In: European Journal of Mineralogy. Band 31, Nr. 1, 12. September 2018, S. 183–192, doi:10.1127/ejm/2019/0031-2788 (englisch).
  9. S.-L. Hwang, P. Shen, T.-F. Yui, H.-T. Chu, Y. Iizuka, H.-P. Schertl, D. Spengler: Chihmingite, IMA 2022-010. In: CNMNC Newsletter 67, European Journal of Mineralogy. Band 34, 2022, S. 359–364 (englisch, ejm.copernicus.org [PDF; 113 kB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  10. Can Rao, Xiangping Gu, Rucheng Wang, Qunke Xia, Yuanfeng Cai, Chuanwan Dong, Frédéric Hatert, Yantao Hao: Chukochenite, (Li0.5Al0.5)Al2O4, a new lithium oxyspinel mineral from the Xianghualing skarn, Hunan Province, China. In: American Mineralogist. Band 107, Nr. 5, 2022, S. 842–847, doi:10.2138/am-2021-7932 (englisch).
  11. Cristian Biagioni, Marco Pasero: The systematics of the spinel-type minerals: An overview. In: American Mineralogist. Band 99, Nr. 7, 2014, S. 1254–1264, doi:10.2138/am.2014.4816 (englisch, Vorabversion online bei minsocam.org [PDF; 4,6 MB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  12. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  13. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 23. Januar 2024 (englisch).
  14. Classification of Dellagiustaite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 23. Januar 2024 (englisch, siehe auch Anker „Strunz-Mindat“).
  15. Fundortliste für Dellagiustait beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 20. Januar 2024.
  16. William L. Griffin, Sarah E. M. Gain, Jin-Chiang Huang, Martin Saunders, Jerimy Shaw, Vered Toledo and Suzanne Y. O'Reilly: A terrestrial magmatic hibonite-grossite-vanadium assemblage: Desilication and extreme reduction in a volcanic plumbing system, Mount Carmel, Israel. In: American Mineralogist. Band 104, 2019, S. 207–219 (englisch, shefagems.com [PDF; 1,2 MB; abgerufen am 15. Januar 2024]).
  17. W.L. Griffin, L. Bindi, F. Cámara, C. Ma, S.E.M. Gain, M. Saunders, O. Alard, J.-X. Huang, J. Shaw, C. Meredith, V. Toledo, S.Y. O’Reilly: Interactions of magmas and highly reduced fluids during intraplate volcanism, Mt Carmel, Israel: Implications for mantle redox states and global carbon cycles. In: Gondwana Research. Band 128, 2024, S. 14–54, doi:10.1016/j.gr.2023.10.013 (englisch).