Deltalumit

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Deltalumit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

IMA 2016-027[1]

IMA-Symbol

Dal[2]

Andere Namen

δ-Al2O3[3][4]

Chemische Formel (Al0,670,33)Al2O4[3][4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
Kristallographische Daten
Kristallsystem tetragonal[3][4]
Kristallklasse; Symbol tetragonal-skalenoedrisch; 42m
Raumgruppe natürlich: P4m2 (Nr. 115)Vorlage:Raumgruppe/115[3][4]
synthetisch: P422 (Nr. 89)Vorlage:Raumgruppe/89[5]
Gitterparameter a = synthetisch: 7,9631(7)[5]
natürlicher Mischkristall: 5,608(1) Å; c = synthetisch: 23,3975(23)[5]
natürlicher Mischkristall: 23,513(7) Å[3][4]
Formeleinheiten Z = 16[3][4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte nicht bestimmt[3][4]
Dichte (g/cm3) berechnet: 3,663[3][4]
Spaltbarkeit nicht bestimmt[3][4]
Bruch; Tenazität nicht bestimmt[3][4]
Farbe weiß, blass gelblich oder beige[3][4]
Strichfarbe nicht bestimmt[4]
Transparenz transparent[3][4]
Glanz Glasglanz[3][4]
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,654(2)[3][4]
nε = 1,653(2)[3][4]
Optischer Charakter einchsig negativ[3][4]

Das Mineral Deltalumit ist ein sehr selten vorkommendes Oxid aus der Spinell-Supergruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung (Al0,670,33)Al2O4. Es kristallisiert im tetragonalem Kristallsystem und tritt in Form weißer bis blass gelber, prismatischer Kristalle von bis zu 0,03 mm Größe auf. Die Kristalle bilden rundliche Aggregate von bis zu 0,2 mm Größe.[3][4]

Typlokalität sind die Basalte der Spalteneruption von 2012-2013 am Südhang des Vulkans Ploski Tolbatschik auf der Halbinsel Kamtschatka in Russland.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingeführte Bayer-Verfahren zur Reinigung von Bauxit bildet die Grundlage der weltweiten Aluminiumindustrie. Hierbei wird kristallines Aluminiumhydroxid ausgefällt und anschließend durch Erhitzen auf über 1000 °C in Korund (α-Aluminiumoxid) umgewandelt. Diese Umwandlung erfolgt über mehrere, metastabile Zwischenprodukte, einige davon Al2O3 mit Spinellstruktur, darunter γ- und δ-Aluminiumoxid. Wegen der großen technischen Bedeutung dieser Umwandlungsreaktionen und der dabei entstehenden Zwischenprodukte werden die diversen Modifikationen des Aluminiumoxids seit Beginn des 20. Jahrhunderts intensiv erforscht.[6][7]

Korund (α-Aluminiumoxid) war lange Zeit das einzige bekannte, natürlich vorkommende Aluminiumoxid, bis im Jahr 2016 eine russische Arbeitsgruppe um Igor V. Pekov das natürliche Äquivalent des δ-Aluminiumoxids beschrieb. Die Gesteinsprobe, in der das neue Mineral später gefunden wurde, wurde bereits im Jahr 2012 während der großen Spalteneruption 2 km entfernt vom Lavastrom am Südhang des Ploski Tolbatschik gesammelt. Benannt wurde das neue Mineral nach dem synthetischen Delta-Aluminiumoxid Deltalumit.[3][4]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die aktuelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Deltalumit zur Spinell-Supergruppe, wo er zusammen mit Chromit, Cochromit, Coulsonit, Cuprospinell, Dellagiustait, Franklinit, Gahnit, Galaxit, Guit, Hausmannit, Hercynit, Hetaerolith, Jakobsit, Maghemit, Magnesiochromit, Magnesiocoulsonit, Magnesioferrit, Magnetit, Manganochromit, Spinell, Thermaerogenit, Titanomaghemit, Trevorit, Vuorelainenit und Zincochromit die Spinell-Untergruppe innerhalb der Oxispinelle bildet.[8] Ebenfalls in diese Gruppe gehören die nach 2018 beschriebenen Oxispinelle Chihmingit[9] und Chukochenit[10] sowie der Nichromit, dessen Name von der CNMNC der IMA noch nicht anerkannt worden ist.[11]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz ist der Deltalumit ebenso wenig verzeichnet, wie im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, dessen „Lapis-Systematik“ sich im Aufbau noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet.[12]

Die von 2001 bis 2009 von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Deltalumit ebenfalls noch nicht.[13]

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana führt den Deltalumit noch nicht auf.

Die von der Mineraldatenbank „Mindat.org“ weitergeführte Strunz-Klassifikation, die sich im Aufbau nach der 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik richtet, ordnet den Deltalumit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung „Metall : Sauerstoff = 3 : 4 und vergleichbare“ (englisch Metal : Oxygen = 3 : 4 and similar) ein. Diese ist weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und Deltalumit ist entsprechend seiner Zusammensetzung in die Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen“ (englisch With only medium-sized cations) mit der Systemnummer 4.BA. eingeordnet worden (vergleiche dazu die gleichnamige Unterabteilung in der Klassifikation nach Strunz (9. Auflage)). Eine weitergehende Einordnung in eine bestimmte Mineralgruppe gibt es bisher nicht.[14]

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reiner Deltalumit hat die Zusammensetzung (Al0,670,33)Al2O4 und ist das Aluminium-Analog von Maghemit (Fe3+0,670,33). Die Zusammensetzung des Aluminium-Defekt-Spinells aus der Typlokalität entspricht recht genau der idealen Zusammensetzung mit Spurengehalten von SiO2.[3][4]

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Natürlicher Deltalumit kristallisiert mit tetragonaler Symmetrie der Raumgruppe P4m2 (Raumgruppen-Nr. 115)Vorlage:Raumgruppe/115 und dem Gitterparametern a = 5,608(1) Å und c = 23,513(7) Å sowie 16 Formeleinheiten pro Elementarzelle mit der Struktur von Spinell.[3][4]

Für synthetisches δ-Aluminiumoxid liegen diverse Strukturbestimmungen vor. Ältere Arbeiten aus den 1960 bis 1970er Jahren geben für Deltalumit eine tetragonale Symmetrie mit Gitternkonstanten um a = 7,96 Å und c = 23,47 Å an.[7] Französische Materialwissenschaftler bestimmten 1990 ebenfalls tetragonale Symmetrie in der Raumgruppe P4m2 (Raumgruppen-Nr. 115)Vorlage:Raumgruppe/115 mit a = 5,599 Å und c = 23,657 Å. Die tetragonale Verzerrung der Spinellstruktur führen sie auf eine geordnete Verteilung von Leerstellen und Aluminium auf den Oktaederpositionen zurück.[15] Eine spätere Untersuchung von δ-Al2O3, das aus γ-Al2O3 synthetisiert wurde, ergab eine Symmetrie der Raumgruppe P422 (Raumgruppen-Nr. 89)Vorlage:Raumgruppe/89 mit a = 7,9631(7) Å und c = 23,3975(23) Å. Diese Autoren leiten die Struktur von der des γ-Al2O3 durch eine einfache Verdreifachung von dessen Elementarzelle ab.[5] Eine aktuelle Arbeit von 2014 schließlich beschreibt die δ-Al2O3-Struktur als komplexe Verwachsung von zwei strukturellen Varianten des Aluminiumoxids.[16]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abkühlender Lavastrom der Spalteneruption des Tolbatschik 2012

Deltalumit ist ein extrem seltenes Mineral und weltweit bislang (2024) nur an drei Fundorten beschrieben worden.[17]

Die Typlokalität sind die Basalte der Spalteneruption von 2012-2013 am Südhang des Vulkans Ploski Tolbatschik auf der Halbinsel Kamtschatka in Russland. Deltalumit bildete sich hier bei Atmosphärendruck und 600–800 °C bei der Reaktion von heißen, vulkanischen Gasen mit Basalt. Quelle des Aluminiums ist entweder der Basalt selbst oder sekundäre Aluminiumoxyde- oder Hydroxyde (Böhmit), die durch die Fumarolengase erhitzt und umgewandelt wurden. Als Begleitmineral tritt Korund auf.[3][18]

In den podiformen Chromititen des Luobusa-Ophiolith im Kreis Qusum der bezirksfreien Stadt Shannan in Tibet wurde Deltalumit als Einschluss in Korund zusammen mit Wenjiit (Ti10(Si,P,☐)7), Jingsuiit (TiB2), Osbornit (TiN), Khambaraevit ((Ti,V,Fe)C) und einem Kalium-haltigen, Dmisteinbergit-artigen (Ca(Al2Si2O8)) Mineral gefunden.[19][20]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2024. (PDF; 3,8 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2024, abgerufen am 23. Januar 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t I. V. Pekov, I. P. Anikin, N. V. Chukanov, D. I. Belakovskiy, V. O. Yapaskurt, E. G. Sidorov, S. N. Britvin & N. V. Zubkova: Deltalumite, a new natural modification of alumina with spinel-type structure - PDF (Russian). In: PROCEEDINGS OF THE RUSSIAN MINERALOGICAL SOCIETY. Band 148, Nr. 5, 2019, S. 45–59, doi:10.30695/zrmo/2019.1485.02 (englisch).
  4. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t I. V. Pekov, I. P. Anikin, N. V. Chukanov, D. I. Belakovskiy, V. O. Yapaskurt, E. G. Sidorov, S. N. Britvin & N. V. Zubkova: Deltalumite, a New Natural Modification of Alumina with a Spinel-Type Structure. In: Geology of Ore Deposits. Band 62, 2020, S. 608–617, doi:10.1134/S1075701520070089 (englisch).
  5. a b c d Sergey V. Tsybulya and Galina N. Kryukova: New X-ray powder diffraction data on δ-Al2O3. In: Powder Diffraction. Band 18, Nr. 4, 2003, S. 309–311, doi:10.1154/1.1604128 (englisch).
  6. J. W. Newsome, H. W. Heiser, A. S. Russell, H. C. Stumpf: ALUMINA PROPERTIES. In: Alcoa Technical Paper. Band 10, 1960, S. 88 (englisch, osti.gov [PDF; 6,7 MB; abgerufen am 19. März 2024]).
  7. a b Karl Wefers, Chanakya Misra: Oxides and Hydroxides of Aluminum. In: Alcoa Technical Paper. Band 19, 1987, S. 92 (englisch, researchgate.net [PDF; 6,2 MB; abgerufen am 19. März 2024]).
  8. Ferdinando Bosi, Cristian Biagioni, Marco Pasero: Nomenclature and classification of the spinel supergroup. In: European Journal of Mineralogy. Band 31, Nr. 1, 12. September 2018, S. 183–192, doi:10.1127/ejm/2019/0031-2788 (englisch).
  9. S.-L. Hwang, P. Shen, T.-F. Yui, H.-T. Chu, Y. Iizuka, H.-P. Schertl, D. Spengler: Chihmingite, IMA 2022-010. In: CNMNC Newsletter 67, European Journal of Mineralogy. Band 34, 2022, S. 359–364 (englisch, ejm.copernicus.org [PDF; 113 kB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  10. Can Rao, Xiangping Gu, Rucheng Wang, Qunke Xia, Yuanfeng Cai, Chuanwan Dong, Frédéric Hatert, Yantao Hao: Chukochenite, (Li0.5Al0.5)Al2O4, a new lithium oxyspinel mineral from the Xianghualing skarn, Hunan Province, China. In: American Mineralogist. Band 107, Nr. 5, 2022, S. 842–847, doi:10.2138/am-2021-7932 (englisch).
  11. Cristian Biagioni, Marco Pasero: The systematics of the spinel-type minerals: An overview. In: American Mineralogist. Band 99, Nr. 7, 2014, S. 1254–1264, doi:10.2138/am.2014.4816 (englisch, Vorabversion online bei minsocam.org [PDF; 4,6 MB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  12. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  13. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 23. Januar 2024 (englisch).
  14. Classification of Deltalumite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 13. März 2024 (englisch, siehe auch Anker „Strunz-Mindat“).
  15. Y. Repelin, E. Husson: Etudes structurales d'alumines de transition. I-alumines gamma et delta. In: Materials Research Bulletin. Band 25, Nr. 5, 1990, S. 611–621, doi:10.1016/0025-5408(90)90027-Y (französisch).
  16. Libor Kovarik, Mark Bowden, Arda Genc, János Szanyi, Charles H. F. Peden and Ja Hun Kwak: Structure of δ-Alumina: Toward the Atomic Level Understanding of Transition Alumina Phases. In: The Journal of Physical Chemistry C. Band 118, Nr. 31, 2014, S. 18051–18058, doi:10.1021/jp500051j (englisch).
  17. Fundortliste für Deltalumit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 13. März 2024.
  18. 2012-2013 Fissure Tolbachik Eruption site, Plosky Tolbachik Volcano, Tolbachik Volcanic field, Milkovsky District, Kamchatka Krai, Russia. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 13. März 2024 (englisch).
  19. Fahui Xiong, Xiangzhen Xu, Enrico Mugnaioli, Mauro Gemmi, Richard Wirth, Edward S. Grew und Paul T. Robinson: Jingsuiite, TiB2, a new mineral from the Cr-11 podiform chromitite orebody, Luobusa ophiolite, Tibet, China: Implications for recycling of boron. In: American Mineralogiste. Band 107, Nr. 1, 3. Januar 2022, S. 197–210, doi:10.2138/am-2021-7647 (englisch).
  20. Fahui Xiong, Xiangzhen Xu, Enrico Mugnaioli, Mauro Gemmi, Richard Wirth, Jingsui Yang, Edward S. Grew: Wenjiite, Ti10(Si,P,☐)7, and kangjinlaite, Ti11(Si,P)10, new minerals in the ternary Ti-P-Si system from the Luobusa ophiolite, Tibet, China. In: American Mineralogiste. Band 108, Nr. 1, Januar 2023, S. 197–210, doi:10.2138/am-2022-8226 (englisch).