Direktorium der Reichsritterschaft im Unterelsass

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Elsass im Jahre 1789

Das Direktorium der Reichsritterschaft im Unterelsass (französisch: Directoire de la noblesse de Basse-Alsace) war seit dem 16. Jahrhundert bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches die Korporation der elsässischen Reichsritter.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Steuerforderungen des Reichstags gegenüber den Reichsrittern im Jahre 1542 wegen der drohenden Gefahr durch die Türken veranlasste die Reichsritterschaft, ihrerseits zu reagieren. Sie legte eine eigene Matrikel an, um einerseits ihre Position zu stärken, andererseits aber auch dem Kaiser zu garantieren, dass sie ihre Pflichten gegenüber dem Reich erfüllten. Daher organisierte sich die Reichsritterschaft in insgesamt fünfzehn Ritterorten, von denen seit 1577 vierzehn in drei Ritterkreisen – dem Fränkischen, Schwäbischen und Rheinischen Ritterkreis – zusammengefasst wurden. Der Kanton Unterelsass nahm als 15. Kanton eine Sonderstellung ein.

Mit dem Westfälischen Frieden 1648 erlangte Frankreich die beherrschende Stellung am Oberrhein. Kaiser und Reich traten alle Rechte, die sie oder das Haus Österreich im Elsass besessen hatten an Ludwig XIV. ab. Damit wurden die Landgrafschaften Ober- und Unterelsass, der Sundgau und die Landvogtei der zehn vereinigten Reichsstädte (Décapole) ebenso wie die Ritterschaft des Elsass der Krone Frankreichs auf ewig übertragen. Allerdings war die Bestimmung nicht eindeutig und ließ Interpretationen zu. Die Ritter sollten in der „Freiheit und possession“ verbleiben, die sie als unmittelbare Stände des Römischen Reiches bisher genossen, „dergestalt dass Ihre Majestät keine königliche Hoheit praetendieren möge, sondern sich mit den Rechten contentire, welche an das Haus Österreich gehören“.[1]

Um ihre Rechtsansprüche zu vertreten bildeten die elsässischen Reichsritter ein eigenes Direktorium und unterzeichneten am 28. Juni 1651 in Mergentheim einen Assoziationsvertrag mit den drei Ritterkreisen in Franken, Schwaben und am Rhein. Am 6. November 1651 erließ das Direktorium in Straßburg eigene Statuten. Kaiser Ferdinand III. billigte sowohl den Vertrag als auch das Reglement der elsässischen Reichsritter am 10. Juni 1652.

Eingliederung in den französischen Staatsverband[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dennoch musste sich die elsässische Ritterschaft dem französischen Druck beugen. Die Reunionspolitik verschonte auch sie nicht. Mit Dekret vom 9. August 1680 annektierte Frankreich die Territorien der reichsunmittelbaren Ritterschaft im Unterelsass und am 12. Mai 1681 leistete das Direktorium feierlich den Treueid auf König Ludwig XIV., vertreten durch den Intendanten des Elsass, Jacques de la Grange. Artikel 4 des Friedensvertrags von Rijswijk vom 30. Oktober 1697[2] bestätigte die „réunion“ der unterelsässischen Reichsritterschaft unter die Krone Frankreichs. Ihre Besitzungen und Lehen waren nunmehr der französischen Souveränität unterstellt. Damit schieden das Direktorium und seine Mitglieder aus dem Verband des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aus, bewahrten aber im Verhältnis zur Krone Frankreichs bis zur Französischen Revolution weitgehend ihre privilegierte Stellung.

Sitz des Direktoriums[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stadtpalais Böcklin von Böcklinsau in Straßburg

Das Direktorium der Reichsritterschaft im Unterelsass hatte seinen Sitz zunächst im Hôtel de la Haute-Montée im Herzen Straßburgs. Mit einem königlichen Erlass verlegte Ludwig XIV. den Sitz im Dezember 1680 in das Schloss der Freiherren von Landsberg nach Niedernai. Mit einem erneuten Erlass vom März 1685 erlaubte der König dem Direktorium das Hôtel de la Haute-Montée zu verkaufen, um einen anderen Tagungsort zu erwerben. Das Direktorium kaufte von den Freiherren Böcklin von Böcklinsau deren ehemaliges Stadtpalais in Straßburg. Dort tagte die elsässische Ritterschaft bis zur Revolution 1789.

Mitgliedschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zuständigkeit des Direktoriums erstreckte sich auf die Adligen und ihre Ländereien, die in der Matrikel verzeichnet waren. Wie in den drei Ritterkreisen konnte die Mitgliedschaft real – gestützt auf ein immatrikuliertes Rittergut – oder persönlich – ohne ein solches Rittergut – sein. Das Direktorium erhob die fälligen Abgaben und Steuern bei seinen Mitgliedern.

Immatrikulierte Familien

Familien Ritterorte Weiterer Besitz außerhalb des Direktoriums Weitere Immatrikulationen
Albertini von Ichtratzheim Ichtratzheim Hochfelden (Landvogtei im Elsass)
Andlau Andlau, Bernardvillé, Blancherupt, Blienschwiller (tlw.), Diebolsheim, Duttlenheim (tlw.), Itterswiller (tlw.), Nothalten, Reichsfeld, Saint-Blaise-la-Roche, Stotzheim (tlw.), Valff, Zell Obersaasheim (Vogtei Ensisheim), Eschentzwiller, Hombourg, Niffer, Petit-Landau (Herrschaft Landser), Kingersheim, Wittenheim, Zimmersheim (Herrschaft Thann) Breisgauische Ritterschaft
Berckheim Innenheim, Jebsheim (tlw.), Krautergersheim Schoppenwihr (Herrschaft Riquewihr-Ostheim) Kantonsbezirk Ortenau
Berstett Berstett (5/6), Boofzheim (tlw.), Gerstheim (tlw.), Hipsheim (tlw.), Nieffern, Olwisheim (tlw.), Witternheim (tlw.) Kantonsbezirk Ortenau
Birkenwald Birkenwald
Bock von Gerstheim Blaesheim, Gerstheim (tlw.), Hipsheim (tlw.), Obenheim (tlw.)
Böcklin von Böcklinsau Bischheim, Obenheim (tlw.),Wibolsheim (tlw.) Kantonsbezirk Ortenau
Braun Hipsheim (tlw.)
Burger Hipsheim (tlw.)
Dénesdé Boofzheim (tlw.)
Dettlingen Berstett (1/6), Gerstheim (tlw.), Olwisheim (tlw.), Scharrachbergheim
Elsenheim Oberschaeffolsheim (tlw.)
de la Fage Wilwisheim (tlw.)
Falkenhayn Kolbsheim
Flachslanden Duppigheim, Mackenheim, Schaffhouse-sur-Zorn, Stutzheim, Traenheim Durmenach (Landvogtei Oberelsass und Sundgau)
Gayling Buswiller, Gerstheim (tlw.), Mulhausen (tlw.) Hohwiller, Zutzendorf (Landvogtei im Elsass)
Géraudon Odratzheim
Glaubitz Wintzenheim-Kochersberg
Güntzer Plobsheim (tlw.)
Haindel Cosswiller, Romanswiller
Jacoud Pfulgriesheim
Joham von Mundolsheim Boofzheim (tlw.), Furdenheim (tlw.), Mittelhausbergen, Mundolsheim, Witternheim (tlw.) Lembach (Landvogtei im Elsass)
Kageneck Hipsheim (tlw.) Breisgauische Ritterschaft
Kempfer Plobsheim (tlw.)
Klinglin Hœnheim Biltzheim, Holtzwihr, Munwiller, Riedwihr, Oberentzen, Wickerschwihr (Vogtei Ensisheim), Essert (Landvogtei Oberelsass und Sundgau), Zillisheim (Stadt Mulhouse)
Landsberg Duttlenheim (tlw.), Lingolsheim, Meistratzheim, Niedernai, Zellwiller
Mackau Hurtigheim (tlw.)
Oberkirch Furdenheim (tlw.), Quatzenheim Oberkirch (Reichsstadt Obernai) Kantonsbezirk Ortenau
Ocahan Bolsenheim
Pascalis Ottrott-le-Bas (tlw.)
Rathsamhausen Bœsenbiesen, Bootzheim, Daubensand, Ehnwihr, Eschau (tlw.), Fegersheim, Fessenheim-le-Bas, Irmstett, Kunheim, Muttersholtz, Nieder-Rathsamhausen, Ohnheim, Ottrott-le-Bas (tlw.), Wibolsheim (tlw.) Grussenheim (Vogtei Ensisheim) Kantonsbezirk Ortenau
Reich von Reichenstein Duttlenheim (tlw.) Biederthal, Buschwiller, Leymen (Grafschaft Pfirt) Breisgauische Ritterschaft
Reinach Uttenheim, Wœrth Frœningen (Landvogtei Oberelsass und Sundgau), Heidwiller, Hirtzbach, Lachapelle-sous-Rougemont, Luemschwiller, Michelbach (Herrschaft Thann), Steinbrunn-le-Bas, Steinbrunn-le-Haut (Herrschaft Landser)
Reisseisen Furdenheim (tlw.)
Saum Boofzheim (tlw.), Witternheim (tlw.)
Sauveterre Osthoffen (tlw.)
Schauenburg Osthoffen (tlw.) Hattstatt, Herrlisheim, Niederentzen, Vœgtlinshoffen (Vogtei Ensisheim), Husseren-les-Châteaux, Jungholtz (Mundat Rouffach), Soultzbach-les-Bains (Herrschaft Munster) Kantonsbezirk Ortenau, Breisgauische Ritterschaft
Schönau Saasenheim, Schœnau Hagenbach (Landvogtei Oberelsass und Sundgau), Herrschaft im Amt Laufenburg (Vorderösterreich) Breisgauische Ritterschaft
Sickingen Obenheim (tlw.) Ritterkanton Kraichgau, Breisgauische Ritterschaft
Türckheim Kalenburg Kantonsbezirk Ortenau
Waldner von Freundstein Baldenheim, Hartmannswiller Schweighouse-Thann (Landvogtei Oberelsass und Sundgau), Sierentz (Herrschaft Landser), Biesheim, Geiswasser, Rathsamhausen-le-Haut, Vogelgrun (Grafschaft Horbourg), Beroltzwiller, Berrwiller (Fürstabtei Murbach) Kantonsbezirk Ortenau
Wangen Achenheim, Landersheim (tlw.), Oberschaeffolsheim (tlw.), Wangenbourg, Wilwisheim (tlw.), Wiwersheim Minversheim (Landvogtei im Elsass)
Warstatt Schirrhoffen Keffendorf, Ohlungen (Landvogtei im Elsass)
Weinemmer Landersheim (tlw.)
Weitersheim Breuschwickersheim
Woltz Mulhausen (tlw.)
Wurmser von Vendenheim Ottrott-le-Bas (tlw.), Sundhouse, Vendenheim, Westhouse Kantonsbezirk Ortenau
Zorn von Bulach Entzheim (1/2), Gerstheim (tlw.), Osthouse
Zorn von Plobsheim Entzheim (1/2), Oberhausbergen

Immatrikulierte Ritterorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die immatrikulierten Ritterorte lagen nahezu sämtlich im Département Bas-Rhin, lediglich Hartmannswiller, Jebsheim und Kunheim im Département Haut-Rhin.

Ritterorte Familien Bemerkungen
Achenheim Wangen
Andlau Andlau
Baldenheim Waldner von Freundstein
Behlenheim (heute zu Truchtersheim) Besitz des Couvent de la Visitation de Strasbourg
Bernardvillé Andlau nicht zu verwechseln mit Bernardswiller
Berstett Berstett (5/6) und Dettlingen (1/6)
Birkenwald Birkenwald
Bischheim Böcklin von Böcklinsau
Blaesheim Bock von Gerstheim
Blancherupt Andlau
Blienschwiller [teilweise] Andlau Ritterort teilweise im Besitz des Fürstbischofs von Straßburg (Vogtei Benfeld) sowie für die Hohe Gerichtsbarkeit der Reichsstadt Straßburg
Bœsenbiesen Rathsamhausen
Bolsenheim Ocahan
Boofzheim Berstett, Joham von Mundolsheim, Dénesdé und Saum
Bootzheim Rathsamhausen
Breuschwickersheim Weitersheim
Buswiller Gayling
Cosswiller Haindel
Daubensand (heute zu Erstein) Rathsamhausen
Diebolsheim Andlau
Duppigheim Flachslanden
Duttlenheim Andlau, Reich von Reichenstein und Landsberg
Ehnwihr (heute zu Muttersholtz) Rathsamhausen
Entzheim Zorn von Bulach (1/2) und Zorn von Plobsheim (1/2)
Eschau [teilweise] Rathsamhausen Ritterort teilweise im Besitz des Domkapitels von Straßburg (Vogtei Erstein)
Fegersheim Rathsamhausen
Fessenheim-le-Bas Rathsamhausen Ritterort im Besitz des Domkapitels von Straßburg
Furchhausen Ritterort im Besitz der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Grafschaft Hanau-Lichtenberg
Furdenheim Joham von Mundolsheim, Oberkirch, Reisseisen Ritterort teilweise im Besitz der Reichsstadt Straßburg
Gerstheim Berstett, Bock von Gerstheim, Dettlingen, Gayling und Zorn von Bulach
Geudertheim Ritterort im Besitz der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Grafschaft Hanau-Lichtenberg
Hartmannswiller (Schloss in Soultz-Haut-Rhin) Waldner von Freundstein
Hipsheim Bock von Gerstheim, Berstett, Braun und Burger Der Besitz der Bock von Gerstheim 1789 an Kageneck
Hœnheim Klinglin
Hurtigheim [teilweise] Mackau Ritterort teilweise im Besitz des Fürstbischofs von Straßburg
Ichtratzheim Albertini von Ichtratzheim
Innenheim Berckheim
Irmstett (heute zu Scharrachbergheim-Irmstett) Rathsamhausen
Itterswiller [teilweise] Andlau Ritterort teilweise im Besitz des Fürstbischofs von Straßburg (Vogtei Benfeld)
Jebsheim [teilweise] Berckheim Ritterort teilweise im Besitz des Pfalzgrafen von Zweibrücken, Grafschaft Rappoltstein
Kalenburg (heute zu Marckolsheim) Türckheim
Kolbsheim Falkenhayn
Krautergersheim Berckheim
Kunheim Rathsamhausen
Landersheim Wangen und Weinemmer
Lingolsheim Landsberg
Mackenheim Flachslanden (1/2) Ritterort teilweise im Besitz des Fürstbischofs von Straßburg
Meistratzheim Landsberg
Mittelbergheim Kondominium des Fürstbischofs von Straßburg und der Reichsstadt Straßburg
Mittelhausbergen Joham von Mundolsheim
Mulhausen Gayling und Woltz nicht zu verwechseln mit Mulhouse
Mundolsheim Joham von Mundolsheim
Muttersholtz Rathsamhausen
Niedernai Landsberg
Nieder-Rathsamhausen (heute zu Sélestat) Rathsamhausen
Nieffern (heute zu Bouxwiller) Berstett
Nothalten [teilweise] Andlau Ritterort teilweise im Besitz der Herrschaft Villé der Herren von Meuse-Choiseul und des Fürstbischofs von Straßburg (Vogtei Benfeld) sowie für die Hohe Gerichtsbarkeit der Reichsstadt Straßburg
Obenheim Böcklin von Böcklinsau (1/2), Bock von Gerstheim (1/4) und Sickingen (1/4)
Oberhausbergen Zorn von Plobsheim
Oberschaeffolsheim Elsenheim (1/2) und Wangen (1/2)
Odratzheim Géraudon
Ohnheim (heute zu Fegersheim) Rathsamhausem
Olwisheim Berstett und Dettlingen
Osthoffen Sauveterre und Schauenburg
Osthouse Zorn von Bulach
Ottrott-le-Bas (heute zu Ottrott) Pascalis, Rathsamhausen und Wurmser von Vendenheim
Pfulgriesheim Jacoud
Plobsheim Güntzer (1/2) und Kempfer (1/2)
Quatzenheim Oberkirch
Reichsfeld Andlau
Romanswiller Haindel
Saasenheim Schönau
Saint-Blaise-la-Roche Andlau
Schaffhouse-sur-Zorn Flachslanden
Scharrachbergheim (heute zu Scharrachbergheim-Irmstett) Dettlingen
Schirrhoffen Warstatt
Schnersheim Ritterort im Besitz der Abtei Saint-Étienne in Marmoutier
Schœnau Schönau
Stotzheim [teilweise] Andlau Ritterort teilweise im Besitz des Fürstbischofs von Straßburg (Vogtei Benfeld)
Stutzheim (heute zu Stutzheim-Offenheim) Flachslanden
Sundhouse Wurmser von Vendenheim
Traenheim [teilweise] Flaxlanden Ritterort im Besitz der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Grafschaft Hanau-Lichtenberg (Vogtei Westhoffen)
Uttenheim Reinach
Valff Andlau
Vendenheim Wurmser von Vendenheim
Wangenbourg Wangen
Westhouse Wurmser von Vendenheim
Wibolsheim (heute zu Eschau) Böcklin von Böcklinsau (1/2) und Rathsamhausen (1/2)
Wilwisheim de la Fage und Wangen
Wintzenheim-Kochersberg Glaubitz
Witternheim Berstett, Joham von Mundenheim und Saum
Wiwersheim Wangen
Wœrth (heute zu Erstein) Reinach
Zell (heute zu Barr) [teilweise] Andlau Ritterort teilweise im Besitz des Fürstbischofs von Straßburg
Zellwiller Landsberg

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. digitate Volltextausgabe Vertrag von Münster in Wikisource, S. 34.
  2. Die Friedensverträge von Rijswijk auf Europäische Friedensverträge der Vormoderne online