Friedrich Miescher

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Friedrich Miescher
Gedenktafel an der Tübinger Arbeitsstätte

Friedrich Miescher (* 13. August 1844 in Basel; † 26. August 1895 in Davos) – vollständiger Name: Johannes Friedrich Miescher, teilweise auch Johann Friedrich Miescher-Rüsch (jun.) – war Mediziner und Professor für Physiologie an der Universität Basel. Miescher entdeckte 1869 in Tübingen die DNA als sauren Bestandteil des Zellkerns; sie ist eine Nukleinsäure. Er führte als erster 1892 in Briefen an seinen Onkel, den Mediziner und Anatomen Wilhelm His, den Schrift- bzw. Code-Vergleich für den noch zu entdeckenden Träger der Erbinformation ein. Sein Schüler Albrecht Kossel vertiefte den Gedankengang in seiner Harvey Lecture «The chemical composition of the cell» (1911). Diesen Vergleich griffen Max Planck (1930) und besonders wirkmächtig Erwin Schrödinger (1943/1944) in seiner Schrift «What is Life?» auf.[1][2]

Mit der Aufklärung der DNA-Struktur im Jahr 1953 durch Francis Crick, Rosalind Franklin, James Watson und Maurice Wilkins sowie in der eigentlichen Dechiffrierung des genetischen Codes in den frühen 1960er Jahren (unter anderem im Labor Marshall Nirenbergs) wurde der Vergleich der Erbinformation mit einer Schrift bzw. mit einem Code nach über 70 Jahren als heuristische Arbeitshypothese bestätigt.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedrich Miescher war Sohn des Physiologen und Pathologen Friedrich Miescher-His (1811–1887) und Neffe des Anatomen Wilhelm His (1831–1904). Miescher studierte in Göttingen und Basel Medizin mit Abschluss 1868. Danach ging er in das Labor von Felix Hoppe-Seyler an der Universität Tübingen, das damals im Schloss Hohentübingen war (heute ist das Schlosslabor als Museum zu besichtigen). 1869 ging er an das Physiologische Institut der Universität Leipzig und 1870 wieder zurück an die Universität Basel, wo er sich 1871 habilitierte und 1872 ordentlicher Professor für Physiologische Chemie wurde.

Im Jahr 1884 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt. Er war Mitglied der Zofingia und in den Jahren 1863–64 deren Centralpräsident. Miescher heiratete 1878 Mary Anna, geborene Rüsch (* 19. März 1856; † 2. Februar 1946). Ihre gemeinsame Tochter war Mary A. Miescher (1885–1970). Miescher litt an Lungentuberkulose und starb am 26. August 1895 im Sanatorium Dr. Turban in Davos an den Folgen seiner Krankheit.

Das Nuklein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Miescher entdeckte 1869 im Schlosslabor bei Hoppe-Seyler in Tübingen die Nukleinsäuren in einem Extrakt aus Eiterzellen (weissen Blutkörperchen). Er untersuchte die Eigenschaften der von ihm aus den Zellkernen isolierten Substanz und nannte diese «Nucleïn» – abgeleitet von lateinisch nucleus ‹Kern›. Unter anderem bestimmte er ihren Stickstoffgehalt und fand auch heraus, dass sehr viel an gebundenem Phosphor darin enthalten war. Genauere Analysen der Substanz, insbesondere bezüglich der Trennung der darin enthaltenen Nukleinsäuren und Proteine, führte er erst später aus. Hoppe-Seyler verzögerte die Veröffentlichung, da er die Ergebnisse erst überprüfen wollte. So erschien Mieschers Aufsatz Ueber die chemische Zusammensetzung der Eiterzellen erst 1871.[3]

In Basel befasste er sich, unter dem Einfluss seines Onkels Wilhelm His, zur weiteren Untersuchung von Nuklein mit dem Sperma von Lachs (dessen Zellkern besonders reich an Nukleinsäuren ist). Hier trennte er die Proteine im Nuklein von der eigentlichen Substanz ab, die er als Nukleinsäure charakterisierte und deren Säurecharakter er im phosphorhaltigen Anteil ausmachte. In der Frage, wozu das Nucleïn diente, schwankte er. 1874 glaubte er an eine Rolle bei der Befruchtung, lehnte aber später ähnliche Vermutungen von Richard von Hertwig ab.[4] Den Namen Nukleinsäuren führte erst Richard Altmann 1899 ein. Die Unterscheidung von DNA und RNA und die Aufklärung ihrer Rolle bei der Vererbung geschah erst viel später im 20. Jahrhundert.

Physiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Miescher demonstrierte, dass die Regulation der Atmung von der CO₂-Konzentration im Blut abhängt. Miescher beschäftigte sich intensiv mit Forschungen auf dem Gebiet der Höhenphysiologie. Er stellte in diesem Bereich eine einflussreiche Theorie auf, gemäss der das Höhenklima die Lungentuberkulose heilen würde.[5] Er befasste sich auch mit der Lebensweise und Physiologie von Lachsen und zum Teil im Auftrag öffentlicher Auftraggeber mit Ernährungsfragen.

Würdigungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1969 wurde das nach ihm benannte Friedrich-Miescher-Laboratorium für biologische Arbeitsgruppen der Max-Planck-Gesellschaft in Tübingen von der Max-Planck-Gesellschaft gegründet, an dem unabhängige Nachwuchsforscher biologische Grundlagenforschung betreiben.

In Erinnerung an Friedrich Miescher wurde 1969 vom Basler Friedrich-Miescher-Institut der Friedrich-Miescher-Preis ins Leben gerufen. Der Preis ist die höchste nationale Auszeichnung der Schweiz für bedeutende Forschungen im Bereich der Biochemie.

1970 wurde in Basel von den Firmen Ciba und Geigy (heute fusioniert zu Novartis) das Friedrich-Miescher-Institut (FMI) gegründet, welches biomedizinische Grundlagenforschung betreibt.

2015 wurde in den Räumlichkeiten der ehemaligen Schlossküche vom Museum der Universität Tübingen MUT der Museumsraum «Schlosslabor Tübingen – Wiege der Biochemie» eingerichtet. Er thematisiert vor allem die Entdeckung der Nukleinsäure an diesem Ort durch Friedrich Miescher.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Urs Boschung: Friedrich Miescher. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 2008.
  • Ralf Dahm: Der vergessene Entdecker der DNA. In: Spektrum der Wissenschaft. Heft Juli 2010, S. 50–57.
  • Ralf Dahm: Discovering DNA. Friedrich Miescher and the early years of nucleic acid research. In: Human Genetics. Band 122, 2008, S. 565–581.
  • Ralf Dahm: Friedrich Miescher and the discovery of DNA. In: Developmental Biology. Band 258. 2005, ISSN 0012-1606, S. 274–288 (online).
  • Ralf Dahm: From discovering to understanding: Friedrich Miescher’s attempts to uncover the function of DNA. In: EMBO Reports. Band 11. Nr. 3, 2010, ISSN 1469-221X PMID 20168329, S. 153–160 (online).
  • Ralf Dahm, Mita Banerjee: How We Forgot Who Discovered DNA: Why It Matters How You Communicate Your Results. In: BioEssays. Band 41. Nr. 4, 2019, ISSN 0265-9247 (online).
  • Manfred Girbardt: Die Anfänge der Nucleinsäureforschung. In: Wissenschaft und Fortschritt. 19. Jg. Augustheft 1969, S. 347–349.
  • 100-Jahr-Feier der Entdeckung der Nukleinsäure. Basel, 21/22.2.1969. Schwabe, Basel u. a. 1970.
  • Friedrich Miescher: 1844–1895; Vorträge gehalten anlässlich der Feier zum 100. Geburtstag von Prof. Friedrich Miescher in der Aula der Universität Basel am 15. Juni 1944. Schwabe, Basel 1944.
  • Johann Friedrich Miescher: Die histochemischen und physiologischen Arbeiten. Band 1 und 2, gesammelt u. hrsg. von seinen Freunden. Vogel, Leipzig 1897.
  • Franklin H. Portugal, Jack S. Cohen: A century of DNA. MIT Press, 1977.
  • Basler Forscher. Vor 100 Jahren starb Friedrich Miescher. In: Basler Stadtbuch. 1995, S. 243–244 (baslerstadtbuch.ch).
  • Matthys Staehelin: Friedrich Miescher, der Entdecker der Nukleinsäuren (1844–1895). In: Basler Stadtbuch. 1962, S. 134–162 (baslerstadtbuch.ch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Friedrich Miescher – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Friedrich Miescher: Brief an Wilhelm His, 17. Dezember 1892. In: Johann Friedrich Miescher: Die histochemischen und physiologischen Arbeiten. Band 1. S. 116 f. (Siehe dazu auch den Artikel „Genetischer Code“.)
  2. Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1986. Kapitel XXII: Der genetische Code und seine Leser. S. 394 f.
  3. Friedrich Miescher: static-content.springer.com (PDF; 3,5 MB); publiziert in Hoppe-Seyler’s medizinisch-chemischen Untersuchungen, Heft 4, 1871, S. 441–460. → Nuklein ist ein „Körper sui generis, mit keiner jetzt bekannten [chemischen] Gruppe vergleichbar.“ online S. 20.
  4. Winfried Pötsch u. a.: Lexikon bedeutender Chemiker. Harri Deutsch 1989, S. 303, Artikel Miescher.
  5. Christian Schürer: Friedrich Mieschers Traum von Heilung. In: Schweizerische Ärztezeitung. Band 98, Nr. 20, 17. Mai 2017, S. 667–669, doi:10.4414/saez.2017.05634 (saez.ch [abgerufen am 9. März 2021]).