Herrschaftsgericht

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Herrschaftsgerichte waren in Bayern zwischen dem Jahr 1808 und 1848 Gerichte der Standesherren, also des mediatisierten Hohen Adels, die auf Basis der Edikte vom 8. September 1808 und 16. August 1812 gebildet wurden.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundlage für die Bildung der Herrschaftsgerichte im Königreich Bayern war der Artikel 27 der Rheinbundakte, der den adligen Gutsherrn und Standesherren „unterlandesherrliche Rechte“ einräumte.[1] Nachdem die Patrimonialgerichtsbarkeit nach dem Edikt vom 8. September 1808 eigentlich nur noch die freiwillige Gerichtsbarkeit (Notariat) umfassen sollte, wurden den größeren Adelsgütern und insbesondere mediatisierten Adligen im Edikt vom 16. August 1812 wieder erweiterte straf- und zivilrechtliche Kompetenzen zugestanden. Am 26. Mai 1818 wurden durch die Beilagen IV bzw. VI zur Verfassung des Königreiches Bayern die Rechte der Standesherren und des gutsherrlichen Adels neu geregelt. Den Herrschaftsgerichten stand in der Regel die Ausübung der Distrikts- und der Ortspolizei („Polizei“ im Sinn von allgemeiner Verwaltung) sowie die volle bürgerliche Gerichtsbarkeit als Befugnisse zu. Die zur selben Zeit gebildeten Patrimonialgerichte, die vorwiegend aus Ortsgerichten kleinerer Hofmarken entstanden, waren dagegen weitgehend auf die freiwillige Gerichtsbarkeit beschränkt. Durch das Gesetz vom 4. Juni 1848 wurden die adlige bzw. gutsherrliche Gerichtsbarkeit und Polizeiordnung aufgehoben (eine der Hauptforderungen der Revolution von 1848). Die Behörden wurden in Gerichts- und Polizeibehörden umgewandelt.

Lediglich die Fürsten von Thurn und Taxis blieben Inhaber adeliger Gerichtsrechte. 1812 wurde dem Fürsten von Thurn und Taxis die Zivilgerichtsbarkeit in der 1. und 2. Instanz über seine gesamte Regensburger Dienerschaft zugestanden. Auch nach 1848 blieb die Organisation der fürstlichen Gerichtsbarkeit in Regensburg in erster und zweiter Instanz bestehen. Das „Gesetz die fürstlich Thurn und Taxis'schen Zivilgerichte in Regensburg betreffend“, vom 29. April 1869°" billigte dem Fürsten zumindest noch die freiwillige Gerichtsbarkeit zu, die in dieser Form auch die Reichsjustizgesetzgebung überdauerte. Erst mit Einführung des BGB am 1. Januar 1900 wurden die Thurn und Taxis'schen Zivilgerichte aufgehoben.[2]

Herrschaftsgerichte in Bayern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Illerkreis, bis 1817[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Isarkreis, ab 1838 Oberbayern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mainkreis, ab 1838 Oberfranken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oberdonaukreis, ab 1838 Schwaben und Neuburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Regenkreis, ab 1838 Oberpfalz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rezatkreis, ab 1838 Mittelfranken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Salzachkreis, ab 1816 zu Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unterdonaukreis, ab 1838 Niederbayern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Untermainkreis, ab 1838 Unterfranken und Aschaffenburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Untermainkreis wurde erst 1817 errichtet, nachdem das Großherzogtum Würzburg, das Fürstentum Aschaffenburg und einige andere Gebiete an Bayern gefallen waren.

  • Amorbach, Fürstl. Leiningen'sches Herrschaftsgericht (bis 1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde bis 1852, dann Landgericht)
  • Eschau, Gräfl. von Erbach'sches Herrschaftsgericht (bis 1824 und 1841–1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde bis 1849)
  • Fechenbach, Herrschaftsgericht des Grafen von Reigersberg (bis 1818, dann Landgericht)
  • Gersfeld, Gräfl. von Frohberg'sches Herrschaftsgericht (1820–1843)
  • Krombach, Gräfl. von Schönborn'sches Herrschaftsgericht (bis 1820)
  • Marktbreit, Fürstl. Schwarzenbergisches Herrschaftsgericht (1827–1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde bis 1853, dann Landgericht)
  • Miltenberg, Herrschaftsgericht (bis 1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde bis 1849, dann Landgericht)
  • Remlingen, Herrschaftsgericht des Grafen v. Castell und des Fürsten v. Löwenstein-Wertheim (1821–1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde bis 1849)
  • Rüdenhausen, Herrschaftsgericht des Grafen v. Castell (1821–1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde Rüdenhausen-Wiesentheid bis 1853)
  • Sommerhausen, Gräfl. von Rechteren-Limpurg'sches Herrschaftsgericht (bis 1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde bis 1849)
  • Sulzheim, Fürstlich Thurn und Taxis'sches Herrschaftsgericht (bis 1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde bis 1852)
  • Tann, Freiherrl. v. Tann'sches Herrschaftsgericht (bis 1834)
  • Triefenstein, Herrschaftsgericht des Fürsten v. Löwenstein (bis 1821)
  • Wiesentheid, Herrschaftsgericht des Grafen v. Castell (bis 1848, dann Gerichts- und Polizeibehörde Rüdenhausen-Wiesentheid bis 1853, dann Landgericht)
  • Fürstl. v. Löwensteinische Regierungs- und Justizkanzlei Kreuzwertheim (bis 1848)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Christoph Bachmann, Florian Sepp: Justiz (19./20. Jahrhundert). In: Historisches Lexikon Bayerns. [1], 18. September 2012.
  • Hiereth: Historischer Atlas von Bayern: Die bayerische Gerichts- und Verwaltungsorganisation vom 13. bis 19. Jahrhundert. Altbayern, Reihe I, Heft 0, 1950 [2].

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren (Band 2). In: Wikisource. S. 87, abgerufen am 13. September 2021.
  2. Ralf Ruhnau: Die Fürstlich Thurn und Taxissche Privatgerichtbarkeit in Regensburg: ein Kuriosum der deutschen Rechtsgeschichte, P. Lang, 1998