Irene Eisinger

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Irene Eisinger (* 8. Dezember 1903 in Kostel, Österreich-Ungarn[1]; † 8. April 1994 in Weston-super-Mare, Somerset, Großbritannien) war eine österreichische Opernsängerin (Sopran).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eisinger wurde in einen Dorf in Südmähren geboren. Sie studierte Gesang im Stimmfach Sopran, erhielt eine Ausbildung am Klavier bei G. Schönewald, und nahm Schauspielunterricht bei Paula Mark-Neusser[2] in Wien. Ihr Debüt hatte sie 1926 am Stadttheater Basel. Vor 1933 war sie an den großen Berliner Bühnen engagiert: sie sang 1928 an der Kroll-Oper, dann an der Staatsoper Unter den Linden unter Otto Klemperers Dirigat. Sie trat auch in Österreich auf, 1930–1931 gastierte sie an der Wiener Staatsoper.[3] Mehrfach trat sie bei den Salzburger Festspielen auf. Sie sang dort 1930–1933 den Cherubino in Figaros Hochzeit,[4] 1931–1933 die Papagena in der Oper Die Zauberflöte und 1933 die Hermione in der Neufassung der Oper Die ägyptische Helena von Richard Strauss. Als Höhepunkte ihrer künstlerischen Laufbahn, welche gleichzeitig ihr Interesse für neue musikalische Formen von Bühnenkunst bekundeten, gelten ihre Mitwirkung in Max Reinhardts Inszenierung der Operette Die Fledermaus von 1930[5] und in der Kabarett-Oper Rufen Sie Herrn Plim von Mischa Spoliansky 1932.[6] Im gleichen Jahr sang sie die Luise Matthes in Kurt Weills dreiaktiger Oper Die Bürgschaft[7] an der Städtischen Oper Berlin.[8]

Nach einer Stummfilmversion der Operette Die Försterchristl im Jahr 1926[9] spielte sie zwischen 1930 und 1933 auch in mehreren Tonfilmen mit: Zwei Herzen im Dreivierteltakt, 1930. Rolle: Anni Lohmeier, Soubrette;[10] Die lustigen Weiber von Wien, 1931. Rolle: Leopoldine;[11] Die Försterchristl, 1931. Rolle: Christl Lange, genannt 'Försterchristl'[12] und Eine Johann-Strauß-Fantasie, [Kurzfilm], 1933.[13]

Außerdem machte sie zahlreiche Schallplattenaufnahmen bei der Grammophon, HMV/Electrola, Ultraphon und Orchestrola. Ihr Repertoire reichte dabei von Mozart und Daniel-François-Esprit Auber, C.M. Weber und Albert Lortzing, über Puccini, Lehár und Strauss bis zu Leo Fall, Bruno Granichstaedten, Ralph Benatzky und Robert Stolz. Bekannte Kollegen waren in Duetten ihre Partner: Siegfried Arno, Paul Morgan, Joseph Schmidt, Erik Wirl und Richard Fritz Wolf.

1933 gehörte Irene Eisinger zum Ensemble der Städtischen Oper Berlin. Die Machtergreifung Hitlers und die NS-Rassegesetze, welche ihr als jüdischer Künstlerin[14] eine weitere Berufsausübung „im Reich“ verboten, zwangen sie nun Deutschland zu verlassen. Sie ging zunächst in die Tschechoslowakei. Ab 1934 sang sie am Opernhaus Prag. Über das Deutsche Theater in Prag, wo sie bis 1937 auftreten durfte[15] und über Brünn/Brno[6] ging sie nach Gastspielen in Brüssel und Amsterdam in die Emigration nach England.

In London konnte sie weiter als Sopranistin tätig sein. Von 1934 bis 1939 sang sie bei den Glyndebourne-Festspielen, wo sie am 29. Mai 1934 als Despina in Così fan tutte debütierte.[15] 1935 sang sie dort die Papagena in Die Zauberflöte und Blondchen in Die Entführung aus dem Serail. Charles B. Cochran engagierte sie 1936 für seine Revue Follow the Sun im Adelphi Theatre als Partnerin des Baritons Gerald Nodin.[16]

Ab 1937 sang sie an der Covent Garden Opera in London. Dort debütierte sie am 30. Dezember 1937 in der Rolle der Gretel in Engelbert Humperdincks Oper Hänsel und Gretel.[15] Dort sang sie auch wieder die Adele in der Operette Die Fledermaus. Außerdem hatte sie Auftritte beim britischen Rundfunk BBC in Die Fledermaus und Ferruccio Busonis einaktiger Oper Arlecchino.[17]

Als der Beginn des Zweiten Weltkrieges die Schließung von Glyndebourne erzwang, zog sich Irene Eisinger von der Bühne zurück. Ihren letzten Tonfilm, die Komödie Young Man's Fancy drehte sie 1940 im englischen Exil.[18] Nach 1945 sang sie noch einmal die Despina beim Edinburgh Festival.[15]

1932 heiratete Irene Eisinger den Arzt Gerhard (Gert) Schönewald (* 1905 Gießen, † 1981 Harrow/London). Der Ehe entstammten zwei Töchter (Susanne, * 1944, und Emily-Ruth, * 1946); die Ehe endete in Scheidung.

Irene Eisinger verstarb am 8. April 1994 in Weston-super-Mare, Somerset, Großbritannien.

Tondokumente (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt, Duett aus der Operette Das Land des Lächelns (Franz Lehár), Irene Eisinger, Sopran, und Joseph Schmidt, Tenor, Mitglieder des Orchesters der Berliner Staatsoper unter der Leitung von Selmar Meyrowitz. Ultraphon E 247 (mx. 30353), aufgenommen in Berlin am 22. Oktober 1929. (Video auf YouTube)
  • Potpourri aus der Operette Polnische Wirtschaft (Gilbert & Schönfeld) Teil 1 und 2: Orchester Marek Weber, Solisten Irene Eisinger und Siegfried Arno. Electrola E.H. 312 (mx. CNR 607, CNR 609) - Berlin, Juni 1929
  • Auch du wirst mich einmal betrügen, auch du (Stolz, Reisch & Robinson) aus der Tonfilm-Operette Zwei Herzen im Dreivierteltakt. Duett Irene Eisinger und Erik Wirl, mit Orchester des Metropoltheaters Berlin. Dirigent: Clemens Schmalstich. Electrola E.G. 1845 (mx. BLR 6175-II) - Berlin, März 1930. (Video auf YouTube)
  • Wo steht denn das geschrieben? Walzerlied aus der Operette Der liebe Augustin (Leo Fall, Text von Bernauer und Welisch) Duett Irene Eisinger und Paul Morgan, mit Orchester. Orchestrola 2032 (mx. 1104)
  • Mailied, aus dem Tonfilm Försterchristl (Bruno Granichstaedten, Text v. B. Buchbinder) Irene Eisinger, Sopran, mit Orchester des Metropoltheaters Berlin unter Leitung von Clemens Schmalstich. Electrola E.G. 2209 (mx. 0D 46-II) - aufgen. Berlin, Januar 1931 (Video auf YouTube)
  • Echo-Lied, aus dem Tonfilm Försterchristl (Bruno Granichstaedten, Text v. B. Buchbinder) Irene Eisinger, Sopran, mit Orchester des Metropoltheaters Berlin unter Leitung von Clemens Schmalstich. Electrola E.G. 2209 (mx. 0D 45-I) - aufgen. Berlin, Januar 1931. (Video auf YouTube)
  • Das gibt's nur einmal, aus dem UFA-Tonfilm Der Kongreß tanzt (Werner Richard Heymann, Text: Robert Gilbert). Irene Eisinger mit Studenten- und Kinderchor. UFA-Sinfonieorchester, Dirigent: der Komponist W. R. Heymann. Electrola E.G. 2411 = 2450 (mx. OD 644) - November 1931. (Video auf YouTube)
  • Tic-ti Tic-ta (Eine Liebeserklärung) (Gaetano Lama), Duett Irene Eisinger und Richard Fritz Wolff. Grammophon 24 845 (mx. 3314 ½ BH) - 1932. (Video auf YouTube)
  • Ich muß wieder einmal in Grinzing sein. Wiener Lied (Benatzky), Irene Eisinger, mit Schrammel-Orchester. Orchestrola 2196 (mx. 1364)
  • Così fan tutte (Wolfgang Amadeus Mozart), Partie der Despina. Glyndebourne Festival Opera Company cond. by Fritz Busch. HMV DB 2652 bis DB 2673 - aufgen. Glyndebourne, Juni 1935
  • Annen-Polka (Strauss, Text v. Grosz & Martyn) (engl. gesungen) Irene Eisinger, mit Orchester, Dir. Walter Goehr. HMV C 2906 (mx. 2EA 4750) - aufgen. London, April 1937

Wiederveröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Irene Eisinger. LP: Discophilia, Bestell.-Nr. KG-E-2 (1976)
  • Irene Eisinger. LP: Preiser / Lebendige Vergangenheit, Bestell-Nr. LV 197 (1979)
  • Schlesische Sänger von Weltruf: Irene Eisinger, ... [und 9 andere]. 2 CDs: Koch Schwann, Bestell-Nr. 314 058 (1991). Eisinger ist mit 11 Titeln vertreten
  • Mischa Spoliansky - Musikalische Stationen zwischen Morphium und Widerstand. 2 CDs: Archiphon / KLEINaberKUNST, Bestell-Nr. KK-003/4 (1998). Eisinger singt die Knopf-Arietta aus der 'ersten Kabarettoper' Rufen Sie Herrm Plim (1932)
  • 4 Famous Sopranos of the Past: Lotte Schöne, Fritzi Jokl, Irene Eisinger, Luise Szabo. CD: Preiser Best.-Nr. 89 966 (1998)
  • Mozart: Così fan tutte. Glyndebourne Festival Orchestra, Fritz Busch. 2 CDs: Naxos historical, Bestell-Nr. 8.110280-81 (2004). Eisinger singt die Partie der Despina
  • Irene Eisinger & Annelies Kupper. CD: Hamburger Archiv für Gesangskunst, Bestell-Nr. 10 364 (um 2005)
  • Erinnerungen - Irene Eisinger. Originalaufnahmen aus den Jahren 1929 bis 1937. CD: Vollstädt / Bear Family Records, Bestell-Nr. CDRV 307 (2012)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Tobias Becker: Das blaue Wunder. S. 294–295. (Rezension von Stahrenberg 2012) Homepage des Musikwissenschaftlers Nico Thom
  • Peter Cornforth: Mischa Spoliansky : A brief history. (mischaspoliansky.com). Darin ein Hinweis auf eine Anspielung in der Kabarett-Oper: “... The music was delightful, and the book and lyrics witty and satirical. It also contained a trio, the first lines of which were Sie kommt, sie naht! (She comes, she’s getting nearer!) But with ‘a clever shift of musical accents,’ the astute listener would hear Sie naht, sie kommt – the exact pronunciation of ‘Nazi.' (viii)”
  • Obituary: Irene Eisinger. In: The Intependent. 30. April 1994. (Nachruf)
  • Irene Eisinger. In: Günter J. Gajda: Bedeutende Schlesier.
  • Jürgen Kesting (Hrsg.): Die grossen Sänger. Band 2, Verlag Claassen, Düsseldorf 1986, ISBN 3-546-45387-5, S. 806. ("... die 1908 im schlesischen Kosel geborene Irene Eisinger, ausgebildet von Paula Mark-Neusser in Berlin, seit 1926 am Basler Stadttheater aktiv, seit 1928 an der Berliner Kroll-Oper, seit 1930 in Wien ...")
  • Wulf Konold: Deutsche Oper, einst und jetzt: Überlegungen und Untersuchungen zu Geschichte und Gegenwart des deutschen Musiktheaters. Verlag Bärenreiter, 1980, ISBN 3-7618-0627-2, S. 59.
  • Wilhelm Kosch u. a. (Hrsg.): Deutsches Theater-Lexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. Band 1: A - Hurk. Verlag Ferd. Kleinmayr, Klagenfurt/ Wien 1960, DNB 551896833.
  • Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Francke, Bern 1987.
    • Ergänzungsband I. 1991, S. 1133–1954.
    • Ergänzungsband II. Francke, Bern 1994, S. 1125–1474.
  • Eisinger, Irene. In: TheMusicSack. (engl.)
  • Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens (Hrsg.): Unvergängliche Stimmen. Sängerlexikon. 2., neu bearb. und erw. Auflage, S. 151. (online)
  • Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898–1945. Selbstverlag, Göttingen 1991.
  • Eisinger Irene, verehel. Schönwald: Sängerin. In: Hans Morgenstern (Hrsg.): Jüdisches biographisches Lexikon: Eine Sammlung von bedeutenden Persönlichkeiten jüdischer Herkunft ab 1800. LIT Verlag, Münster 2009, ISBN 978-3-7000-0703-6, S. 196.
  • Irene Eisinger in der Online-Filmdatenbank
  • Carolin Stahrenberg (Hrsg.): Hot Spots von Cafe bis Kabarett: musikalische Handlungsräume im Berlin Mischa Spolianskys 1918–1933. (= Populäre Kultur und Musik. Band 4). Waxmann Verlag, 2012, ISBN 978-3-8309-7520-5, S. 244–265. Beschreibung der Kabarettoper S. 245–246, Anm. 437 (zit. nach Spoliansky, Goodbye Trouble, S. 84), d. i. Spolianskys auf Englisch verfasste, unveröffentlichte Autobiographie ›Goodbye Trouble‹.
  • Thomas Staedeli: Irene Eisinger. Porträt der Künstlerin mit Bild
  • Theo Stengel, Herbert Gerigk (Hrsg.): Lexikon der Juden in der Musik. mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke / zsgest. im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen. Hahnefeld, Berlin 1940.
  • Eva Weissweiler: Ausgemerzt! Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen. Dittrich, Berlin 1999, ISBN 3-920862-25-2.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Irene Eisinger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Standesamt Berlin-Schöneberg II, Heiratsurkunde Nr. 48/1932
  2. Reinhard Müller: Paula Mark-Neusser. (Memento des Originals vom 20. September 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/agso.uni-graz.at In: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich
  3. Besetzungsliste der Operette Die Fledermaus
  4. vgl. Ensemble-Photo von 1930
  5. Musik: Joh. Strauss, Text nach dem Französischen bearb. v. C. Rößler u. M. Schiffer; Neugestaltung v. Max Reinhardt, musikal. Einrichtung von Erich Wolfgang Korngold, vgl. Johann Strauß (Memento des Originals vom 13. März 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.operone.de auf operone.de
  6. a b Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898–1945. Göttingen, im Selbstverlag 1991, unpaginiert
  7. neben Hans Reinmar und Lotte Lenya unter dem Dirigat von Fritz Stiedry, Besetzungsliste (Memento des Originals vom 28. Dezember 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutscheoperberlin.de
  8. Premiere war am 10. März 1932. "The plot bears clear parallels with the rise of Nazism in Germany", vgl. die englische Wikipedia, weshalb die Oper kurz danach von den Nationalsozialisten verboten wurde.
  9. Die Försterchristel in der Online-Filmdatenbank
  10. Zwei Herzen im Dreivierteltakt
  11. filmportal.de
  12. filmportal.de
  13. Eine Johann-Strauß-Fantasie in der Online-Filmdatenbank
  14. vgl. Stengel, Theo und Gerigk, Herbert (Hrsg.): Lexikon der Juden in der Musik : mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke / zsgest. im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen. Bearb. von Theo Stengel in Verbindung mit Herbert Gerigk. - Berlin : Hahnefeld, 1940, S. 65.
  15. a b c d Obituary: Irene Eisinger in: The Independent
  16. ”Scene 18. Kleine Acrobat (Lyric by Howard Dietz): The Acrobat - Gerald Nodin. His Partner - Irene Eisinger. Gerald Nodin's and Irene Eisinger's costumes designed by Ernst Stern. Executed by B. J. Simmons & Co., Ltd.”, vgl. Besetzungsliste
  17. vgl. Aufstellung von Alan Robinson bei musicweb-international.com
  18. Young Man's Fancy in der Online-Filmdatenbank