Karl-Martin Hentschel

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Karl-Martin Hentschel (2006)

Karl-Martin Hentschel (* 16. April 1950 in Bad Münder am Deister) ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen).

Er war von 2000 bis 2005 und 2006 bis 2009 Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein. Seitdem lebt er als freier Autor in der Nähe von Kiel. Seit 2014 ist er Mitglied im Bundesvorstand des Vereins Mehr Demokratie e. V. Außerdem arbeitet er ehrenamtlich auf Bundesebene für die Nichtregierungsorganisation Attac und vertritt sie im Vorstand des Netzwerks Steuergerechtigkeit.

Karl-Martin Hentschel / Alfred Eibl: Steuer-Revolution! VSA-Verlag 2024
Karl-Martin Hentschel / Steffen Krenzer u. a.: Handbuch Klimaschutz Oekom-Verlag 2020
Karl-Martin Hentschel: Demokratie für morgen UVK-Verlag 2019

Leben und Beruf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geboren wurde Karl-Martin Hentschel am 16. April 1950 in Bad Münder in Niedersachsen, als ältestes von fünf Kindern des späteren Bundeswehrgenerals Erwin Hentschel und einer Lehrerin. Er wuchs in Kiel-Elmschenhagen auf und legte 1968 in Hermannsburg das Abitur ab. Nach dem Abitur trat Hentschel als Offizieranwärter in die Bundeswehr ein, aus der er 1971 aus politischen Gründen wieder ausschied. Später wurde er wegen Teilnahme an Protesten gegen das Atomkraftwerk Brokdorf vom Truppendienstgericht vom Leutnant zum Panzergrenadier degradiert. 1971 begann er ein Studium der Mathematik an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, welches er 1978 als Diplom-Mathematiker beendete. Von 1973 bis 1975 war Hentschel Präsident des Studentenparlaments der Universität Kiel. Schwerpunkte seines damaligen Engagements waren der Vietnamkrieg, die Militärdiktatur in Chile, der Bau von Atomkraftwerken und die Beendigung des Kalten Krieges.

Nach dem Diplom war er bis 1996 als Systemprogrammierer und Datenbankmanager, zuletzt als Leiter der Systemberatung beim Verlag Gruner + Jahr tätig. Hier gehörte er in den Jahren von 1980 bis 1993 in unregelmäßigen Abständen dem Betriebsrat an.

Karl-Martin Hentschel ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt in der Nähe von Kiel.

Ehrenamtliches Engagement[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hentschel engagierte sich schon in den 1970er Jahren in der Anti-Atomkraft-Bewegung und war an der Organisation der Demonstrationen gegen das Kernkraftwerk Brokdorf beteiligt. 1981 trat er den Grünen bei. In Schleswig-Holstein erarbeitete er Konzepte für eine grüne Wirtschafts- und Steuerpolitik und für eine ökologische Steuerreform. Er vertrat die Angestellten über mehrere Jahre in der Tarifkommission der IG Druck und Papier und war an der Organisation der erfolgreichen Streiks für die 35-Stundenwoche beteiligt. Zweimal, von 1987 bis 1990 und von 1994 bis 1996, war er Mitglied im Landesvorstand der Grünen Schleswig-Holstein. Von 1991 bis 1993 war er Gemeinderat in Rellingen. Anfang der 90er Jahre engagierte er sich für eine Vermögensabgabe nach dem Vorbild des Lastenausgleichs von 1952, um die Kosten der deutschen Einheit zu finanzieren und die Staatsschulden zu senken. 2000 trat Hentschel dem NGO-Netzwerk Attac bei und arbeitete seit 2009 in der Bundesarbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern mit. 2012 war er Mitinitiator des Bündnisses Umfairteilen, das sich im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 für eine Vermögensabgabe einsetzte. Seit 2014 vertritt er Attac im Vorstand (Koordinierungskreis) des Netzwerks Steuergerechtigkeit. Auf seine Initiative entstanden Positionspapiere zur Bankenregulierung und zu Steuerfragen. 2013 organisierte er eine Kampagne zur Einführung der Gesamtkonzernsteuer. 2014 wurde er in den Bundesvorstand des Vereins Mehr Demokratie e. V. gewählt.[1] Er ist außerdem Mitglied der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, der Europa-Union, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland und der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein. Seit 2016 engagierte er sich im AK Europa von Mehr Demokratie e.V. und war Koautor der Positionspapiere zur Reform der EU und zur Einberufung des EU-Verfassungskonvents. Seit 2020 arbeitet er im Beirat von Scientists for Future mit. Er war Mitinitiator des bundesweiten Bürgerrats zum Klimaschutz, der von April bis Juni 2021 tagte. 2024 schrieb er die inhaltlichen Leitlinien für die Attac-Kampagne zur Durchsetzung des Klimageldes, um die Klimapolitik für die ärmeren Schichten gerecht zu gestalten.

Abgeordneter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1996 bis 2009 war er Mitglied des Landtages von Schleswig-Holstein. Hier war er von 1996 bis 2000 Parlamentarischer Geschäftsführer und von 2000 bis 2005 Vorsitzender der Grünen-Fraktion während der rot-grünen Regierung unter der Ministerpräsidentin Heide Simonis. Im Juni 2006 wurde er erneut zum Vorsitzenden der Fraktion gewählt. Nachdem 2009 bei der Kandidatenaufstellung der Grünen auch im dritten Wahlgang für den 4. Listenplatz ein Patt entstanden war, verzichtete er auf eine weitere Nominierung. Karl-Martin Hentschel zog stets über die Landesliste in den Landtag ein.

Politische Schwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl-Martin Hentschel engagierte sich in Fragen der Wirtschafts-, Klima- und Bildungspolitik – zuletzt besonders für die Weiterentwicklung der Demokratie. Er gilt als Skandinavienexperte und schrieb zahlreiche Aufsätze über das skandinavische Steuer- und Kommunalsystem. Darauf basierend entstanden seine Vorschläge für die Reform des Steuer- und Sozialsystems. 2005 verhandelte er für die Grünen mit der SPD das Konzept für die Reform des Bildungssystems in Schleswig-Holstein, das zur Einführung der Gemeinschaftsschulen als Regelschulen in Schleswig-Holstein führte. Als Fraktionsvorsitzender stellte er das erste durchgerechnete Konzept für eine Stromversorgung für Schleswig-Holstein zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien vor.

Seit seinem Ausscheiden aus dem Parlament beschäftigte er sich mit der Finanzkrise und dem Problem der Steuervermeidung und -hinterziehung durch internationale Konzerne und die sogenannten Superreichen. Im Rahmen seiner Arbeit für Attac und das Netzwerk Steuergerechtigkeit schrieb er zahlreiche Dossiers, Positionspapiere und Artikel – unter anderen eine Studie über das Unternehmenskonglomerat IKEA. Als Bundesvorstand von Mehr Demokratie setzt er sich für den bundesweiten Volksentscheid, für eine Dezentralisierung des politischen Systems durch eine Stärkung der Kommunen und für eine Neugründung der EU ein. In den letzten Jahren lag der Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf der Erarbeitung von Grundlagen für die Klimapolitik und die Vorbereitung von nationalen und lokalen Klimabürgerräten.

Autorentätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Oktober 2010 veröffentlichte er das Buch Es bleibe Licht. 100 % Ökostrom für Europa ohne Klimaabkommen – ein Reiseführer, in dem er alle technischen, konzeptionellen, strukturellen, politischen und ökonomischen Fragen des Umstiegs auf erneuerbare Energien in Europa darstellt. 2011 war er Koautor des DESERTEC-Atlas. Weltatlas zu den erneuerbaren Energien, der vom Club of Rome herausgegeben wurde. Im Juli 2013 erschien im Europa-Verlag das Buch Von wegen alternativlos! Die gerechte Gesellschaft als Ziel, in dem er erfolgreiche Beispiele für gute Politik aus aller Welt darstellt – quasi ein Kompendium von real existierenden positiven Lösungen aus allen Politikbereichen. Besondere Aufmerksamkeit fand in vielen Foren und Veranstaltungen das Konzept der Dezentralisierung und der Stärkung der Kommunen. Weitere Veröffentlichungen waren Der Kampf gegen die aggressive Steuervermeidung hat begonnen (2016) und Die Gesamtkonzernsteuer – Systemwechsel bei der Unternehmensbesteuerung (2017). Im Oktober 2018 erschien das Buch Demokratie für morgen – Roadmap zur Rettung der Welt. Es entwirft ein Konzept für die grundlegende Neugestaltung der Demokratie 250 Jahre nach Montesquieu, um die notwendige Transformation zur nachkapitalistischen Gleichgewichtsgesellschaft zu bewältigen. Im September 2020 erschien das Buch Handbuch Klimaschutz – Wie Deutschland das 1,5-Grad-Ziel einhalten kann. Dieses Buch schrieb er als Leiter eines 7-köpfigen Autorenteams im Auftrag von Mehr Demokratie e. V und Bürgerbegehren Klimaschutz. Das Buch stellt den aktuellen Stand der Wissenschaft auf Basis von über 300 Studien dar und wurde von zahlreichen führenden Klimawissenschaftlern evaluiert und unterstützt. Anschließend schrieb er im Vorfeld der Landtagswahlen entsprechende Handbücher für die Klimapolitik in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen.[2] Im Februar 2024 veröffentlichte er gemeinsam mit Alfred Eibl das Buch Steuer-Revolution! Ein Konzept zur Rückverteilung von Reichtum, zu mehr Gerechtigkeit und Klimaschutz. Es enthält den Vorschlag für einen radikalen Umbau des Steuer- und Sozialsystem, um das Zunehmen der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen zu beenden und um eine schrittweise Umverteilung von großen Vermögen oberhalb von 20 Millionen Euro pro Person zu erreichen.[3]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bücher:

Weblinks und Aufsätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Karl-Martin Hentschel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
ausgewählte Artikel, Publikationen von Karl-Martin Hentschel

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Karl-Martin Hentschel auf mehr-demokratie.de/vorstand.html
  2. Handbuch Klimaschutz auf Handbuch-Klimaschutz.de
  3. Steuer-Revolution auf Attac.de