Ludwig Westernacher

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Westernacher 1848 als Kandidat für die Nationalversammlung

Ludwig Westernacher (* 5. April 1811 in Echzell; † 6. September 1884 in Büdingen) war ein deutscher Arzt, Politiker und Ehrenbürger der Stadt Büdingen.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ludwig Westernacher besuchte ab dem 30. Oktober 1819 das Büdinger Gymnasium unter Direktor Georg Thudichum. Mit seinem Maturitätsexamen im März 1828[1] studierte er Medizin an der medicinischen Facultät der Landesuniversität Gießen. Bereits zu Beginn seines Studiums in Gießen trat Westernacher 1828 der Alten Gießener Burschenschaft Germania bei, aus der er später wieder austrat, da er die Pläne der darin einflussreichen Extremen nicht unterstützen konnte.[2]

Nach seiner Promotion am 16. September 1833[3] setzte Westernacher seine Studien in Berlin, Wien, Paris und London fort. Im Anschluss trat er in die Praxis seines Vaters ein.[2] 1840 erhielt er eine Anstellung als Physicatschirurg in Büdingen beim Großherzogtum Hessen.[4] 1844 wurde er zum Physikatsarzt (Kreisarzt) ernannt.[5]

Beeindruckt von den gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen des Jahres 1848 engagierte sich Westernacher politisch. So stand er seit 1848 den Büdinger Liberalen vor.[2] Westernacher kandidierte 1848 für die Nationalversammlung. Der Gießener Polizeikommissar Lorenz Nover benennt später den Physikatsarzt Ludwig Westernacher und Vorsitzenden des Vaterländischen Vereins in Büdingen, als „besonderen Aktivisten“ in der zweiten Phase der Revolution Mitte Mai 1849. Er habe seinen Einfluss genutzt, um „die Massen zur Vertreibung der Fürsten und Gründung der Republik aufzuheizen“. Westernacher soll in diesen Tagen laut Nover für 150 Gulden Pulver gekauft und 12.000 Patronen fertigen lassen haben.[6] Schließlich gehörte Westernacher der zweiten Kammer des 12. Landtag des Großherzogtums Hessen 1849/50 an. Für den 13. Hessischen Landtag kandidierte Westernacher im Wahlkreis Salzhausen. Grund dafür war Westernachers Vorhaben, nach Schleswig-Holstein zu gehen, um den dortigen Freiheitskampf im Schleswig-Holsteinischen Krieg als Arzt zu unterstützen.[7]

Im April 1848 reiste Westernacher nach Nordamerika, dessen wichtige Städte er besuchte. Am 27. Oktober 1848 kehrte er zum 70. Geburtstag seines Vaters nach Büdingen zurück. Im Herbst 1850 begleitete er den Fürsten von Hohenlohe-Langenburg nach Venedig, wo er ein Jahr blieb.[2]

1859 ernannte Fürst Bruno zu Ysenburg und Büdingen ihn zum Hofarzt und übertrug ihm unter Beibehaltung seines Amtes als Kreisarzt das Ysenburger Medizinalamt. Westernacher verpflichtete sich gegen eine Jahresvergütung von 660 Gulden, die Mitglieder des fürstlichen Hauses sowie die Hofdienerschaft jederzeit ärztlichen Beistand zu leisten. Von der Rentkammer erhielt Westernacher die Zusicherung, das Wohnhaus seines Vaters gegen einen jährlichen Mietzins von 100 Gulden bei einer beiderseitigen vierteljährlichen Kündigung bewohnen zu können.[8] Das „Westernachersche Haus“ befindet sich Auf dem Damm 2 beim ehemaligen Gasthaus Zum Schwan. 1863 kaufte Westernacher das Haus mit Nebengebäuden, nachdem dieses in eine Hofreite umgebaut worden war. 1952–1954 kaufte die Stadt Büdingen das Anwesen mit seinem 4000 m² großen Garten von der Erbengemeinschaft. Edith Kölsch vermachte ihren Nachlass 1985 der Stadt Büdingen.

Westernacher war maßgeblich an der Planung und Durchsetzung der Eisenbahnstrecke Gießen–Gelnhausen 1868 der Oberhessischen Eisenbahn beteiligt. Ursprünglich war eine längere Bahnstrecke bis Gemünden (Main) vorgesehen, so dass der Name zunächst Gießen-Gemündener Eisenbahn lautete.[9] Kurhessen stimmte jedoch der Planung nicht zu, da es Nachteile für seine in Bau befindliche Strecke BebraHanau befürchtete.[10] Ein silberner Ehrenbecher, auf dessen Deckel sich eine kleine bewegliche silberne Lokomotive befindet, zeigt den Dank der Gelnhäuser: „Herrn Medizinalrath Dr. Westernacher in Büdingen stiften dieses Ehrengeschenk Bürger der Stadt Gelnhausen in Anerkennung seiner Verdienste um die Eisenbahnlinie Giessen-Gelnhausen. Ehre, dem sie gebühret!“[11][12]

Ludwig Westernacher gehörte neben Bürgermeister Heinrich Hölzinger, Pfarrer Christian Friedrich Meyer und Pfarrer Wilhelm Thylmann dem Stiftungs-Comité zur Gründung des Mathildenhospitals zu Büdingen an. Im Dezember 1867 legte das Comité einen Statutenentwurf vor. Im Frühjahr 1868 genehmigte die Großherzoglich Hessische Regierung in Darmstadt das Hospital. Unmittelbar nach Erwerb der Hofreite Mühltorstraße 3 begann der Bau, so dass bereits am 3. September 1868 die feierliche Einweihung stattfinden konnte.[13]

Schon als Schüler zeigte sich bei Ludwig ein ausgeprägtes Interesse für Fauna und Flora und an mikroskopischen Untersuchungen. Diese Neigung, besonders seine Begeisterung für die Botanik, begleitete ihn sein ganzes Leben. So erlaubte es ihm seine gute geistige und körperliche Vitalität, noch bis kurz vor seinem Tod Wanderungen im Hochgebirge zu unternehmen, bei denen er seine guten Kenntnisse der Alpenflora vertiefte.[2]

1877 ernannte ihn Großherzog Ludwig III. zum Kreisarzt des Gesundheitsamts des Kreises Büdingen.[14]

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Westernachers Vater Johann Nikolaus (* 27. Oktober 1778 in Habitzheim; † 12. Dezember 1859 in Büdingen) war praktischer Arzt und seit 1819 als Hofrat beim Fürsten zu Ysenburg in Büdingen tätig.[2] Seine Mutter war Charlotte, geb. Hoffmann aus Nieder-Mockstadt (* unbekannt; † 22. September 1863 in Büdingen) „im Alter von 84 Jahren und 7 Monaten, angeblich“ (also 1779).[15]

Ludwig Westernachers heiratete am 25. Januar 1853 in Rödelheim Caroline (* 5. März 1830 in Rödelheim; † 7. Oktober 1902 in Büdingen), geborene Rumpf. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor.

Zu erwähnen ist Tochter Elisabeth (* 17. Dezember 1856 in Büdingen; † 11. Februar 1934 ebenda), die am 25. Oktober 1889 den fürstlichen Rentamtmann Ludwig Kölsch, Hauptmann außer Dienst (* 23. Februar 1843 in Reichenbach; † unbekannt) aus Büdingen heiratete. Kölsch war Sohn des Dekans Friedrich Wilhelm Ludwig Kölsch und seiner Ehefrau Julie, geb. Cullmann.[16] Aus der Ehe ging als erstes Kind Edith Caroline Sophie Julia Charlotte (* 2. Mai 1894 in Büdingen; † 22. Juni 1985 ebenda) hervor, nach der der „Kölsche Garten“ in Büdingen benannt wurde.

Ludwig Westernacher
Dr. med., Medicinalrat in Büdingen
Ehrenbürger der Stadt Büdingen
Hofarzt des Hauses Ysenburg-Büdingen
* 5. April 1811 in Echzell; † 6. September 1884 in Büdingen
Caroline, geb. Rumpf
* 5. März 1830 in Rödelheim; † 7. Oktober 1902 in Büdingen
⚭ 25. Januar 1853 in Rödelheim
Kinder:
1 Friedrich Nikolaus * 25. Oktober 1853 in Büdingen
2 Charlotte Johanette * 2. November 1855 in Büdingen [Anm. 1]
3 Elisabeth Auguste Adelheid * 17. Dezember 1856 in Büdingen † 11. Februar 1934 in Büdingen [Anm. 2]
4 Wilhelmine * 15. September 1858 in Büdingen † 5. November 1859 in Büdingen
5 Caroline Marie Agathe * 21. Dezember 1861 in Büdingen † 5. Juni 1949 in Büdingen [Anm. 3]
6 Ferdinand * 12. August 1863 [Anm. 4]
7 Antonie Valeria * 8. Februar 1866 in Büdingen † 4. November 1963 in Büdingen [Anm. 5]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Mit Urkunde vom 24. Januar 1846 ernannte ihn der Gemeinderat der Stadt Büdingen bereits im Alter von 35 Jahren zum ersten Ehrenbürger der Stadt. Die Ernennung erfolgte in für seine Verdienste um die Stadt und besonders seines sozialen Engagements. Westernacher hatte den Stadtarmen „sorgfältig und menschenfreundlich ärztliche Hilfe geleistet, ohne auch nur im Geringsten die ihm gesetzlich gebührende Bezahlung zu verlangen.“[17][18]
  • 1859 wurde Westernacher zum Hofarzt des Fürsten Bruno zu Ysenburg und Büdingen ernannt.
  • Fürst Bruno bat den Großherzog von Hessen mit Schreiben vom 12. März 1861, dass er (der Fürst) dem verdienten Arzt Dr. Westernacher, der seinem Vater in schmerzhafter Krankheit helfend beigestanden habe, den Titel „Hofrat“ verleihen dürfe. Das Großherzoglich Hessische Innenministerium entschied mit Verfügung vom 12. April 1861 stattdessen, Westernacher zum Medizinalrat zu ernennen, da der Wirkungskreis und die amtliche Tätigkeit dem Genannten mehr entspreche als der Titel „Hofrat“.[8][19]
  • Am 16. September 1884 wurde Westernacher durch die Großherzogliche Landesuniversität Gießen anlässlich seines 50-jährigen Doktorjubiläums das Diplom erneuert.[23]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Charlotte heiratete am 14. April 1879 in Büdingen Dr. Erwin Volckmar (* 5. Februar 1852 in Homburg), Sohn des königlichen Prof. Dr. Volckmar und der Amalie geb. Krämer. Aus der Ehe ging der spätere Abteilungspräsident Ludwig Volckmar hervor.
  2. Elisabeth heiratete am 25. Oktober 1889 in Büdingen den fürstlichen Rentamtmann und Hauptmann a. D. Ludwig Kölsch * 23. Februar 1843 in Reichenbach (Odenwald), Sohn des Dekans Friedrich Wilhelm Ludwig Kölsch und der Julia, geb. Cullmann. Aus der Ehe ging als erstes Kind Edith Caroline Sophie Julia Charlotte (* 2. Mai 1894 in Büdingen; † 22. Juni 1985 ebenda) hervor.
  3. Caroline heiratete am 18. August 1882 in Büdingen den Gymnasiallehrer Dr. Hermann Karl Hoffmann (* 20. Oktober 1853 in Gießen), Sohn des Prof. Heinrich Hermann Hoffmann und der Luise geb. Görtz aus Darmstadt. Aus der Ehe ging als erstes Kind Erwin Wilhelm Hermann (Doktor) hervor.
  4. Oberleutnant .
  5. Antonie heiratete am 14. Oktober 1891 in Büdingen den Landgerichtsrat und Hauptmann a. D. Richard Wagner (* 7. Februar 1861 in Hanau; † 27. Februar 1932 in Frankfurt am Main). Richard war ein Sohn des Ernst Wilhelm Wagner und der Sophie, geb. Grabau.
  6. Gleichzeitig wurde das Kreuz dem Fürsten Bruno zu Ysenburg und Büdingen, der Fürstin Bertha zu Ysenburg und Büdingen, der verwitweten Fürstin Thekla zu Ysenburg und Büdingen und der Frau des Gymnasiallehrers Blümmer, Wilhelmine Blümmer, verliehen.
  7. Westernacher war auf eigenes Nachsuchen unter „Anerkennung seiner langjährigen treuen Dienste“ am selben Tag in den Ruhestand versetzt worden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 6: T–Z. Winter, Heidelberg 2005, ISBN 3-8253-5063-0, S. 281–282.
  • Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 408.
  • Klaus-Dieter Rack, Bernd Vielsmeier: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biografische Nachweise für die Erste und Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1820–1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919–1933 (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 19 = Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. NF Bd. 29). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-88443-052-1, Nr. 972.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dr. Volkmar Stein: Die Schüler des Büdinger Gymnasiums zwischen 1790 und 1946, Büdingen 1994
  2. a b c d e f Unbekannter Verfasser: Nekrolog für Ludwig Westernacher, vermutlich 1884
  3. Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 37 vom 12. April 1834, S. 207.
  4. „Dienstnachrichten… 7) Am 8. September wurde dem praktischen Arzt Dr. Ludwig Westernacher zu Büdingen die erledigte Physicatschirurgenstelle in Büdingen übertragen.“, HRegBl 1840 Nr. 22 vom 29. September 1840, Seite 271
  5. „Dienstnachrichten… 9) Am 12. April wurde der Physicatschirurg Dr. med. Ludwig Westernacher zu Büdingen zum Physicatsarzt des Physicatsbezirks Büdingen ernannt.“, HRegBl 1844 Nr. 16 vom 6. Mai 1844, Seite 174
  6. Nover Promemoria, S. 355 (alt) und Vertrauliche Mitteilungen Nr. 11 – laut Manfred Köhler: Im Feuer der sozialen Republik : Leitbild des demokratischen Achtundvierzigers Christian Heldmann (1808–1866), Darmstadt 1998, ISBN 3-88443-035-1, S. 451 (Fn. 675 S. 647)
  7. Vollzugsmeldung in Darmstädter Journal 226/1850 vom 23. September 1855, S. 2 – laut Manfred Köhler: Im Feuer der sozialen Republik : Leitbild des demokratischen Achtundvierzigers Christian Heldmann (1808–1866), Darmstadt 1998, ISBN 3-88443-035-1, S. 502 (Fn. 182 S. 657)
  8. a b Dr. Walter Nieß: Ein Beitrag zur Geschichte des Medizinalwesens im Büdinger Raum in Büdinger Geschichtsblätter Band IX/X, 1980–1981, S. 233
  9. Gemeinnütziges Wochenblatt vom 14. März 1863, Einladung.
  10. Wilhelm Lepper: Unterwegs auf unseren Straßen : Verkehrslandschaft Wetterau in Die Wetterau, Seite 203, herausgegeben von der Kreissparkasse Friedberg, Friedberg 1983, ISBN 3-87076-038-9
  11. Anzeigenblatt für den Kreis Büdingen vom 8. Dezember 1868: Tagesneuigkeiten – Bericht über die Feier anlässlich des Zustandekommens der Oberhessischen Eisenbahn
  12. Dr. Ludwig Volckmar Nachtrag zum Nekrolog, 1960
  13. Hans-Velten Heuson: „Die Geschichte des Mathildenhospitals war vor allem von Geldmangel geprägt. Büdingen: Krankenstation wurde 1868 eingeweiht – Zahl der Krankenbetten stieg stetig an.“ In: Heimat im Bild. 42. Woche, Oktober 1996, S. 4
  14. Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 22 vom 2. Mai 1877, S. 208.
  15. Kirchenbuch
  16. Heiratseinträge beim Standesamt Büdingen
  17. Gemeinderatsprotokoll vom 24. Januar 1846
  18. Gemeinnütziges Wochenblatt vom 14. Februar 1846, Nr. 7
  19. Charakterertheilung – Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben allergnädigst geruht:… am 12. April dem Kreisarzt für den Medicinalbezirk Büdingen Dr. Ludwig Westernacher den Charakter als Medicinalrath zu verleihen. (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 19 vom 10. Mai 1861, S. 216).
  20. Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 30 vom 1. Juli 1872, S. 259f.
  21. Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 44 vom 28. September 1872, S. 343.
  22. Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 19 vom 27. Juli 1882, S. 150 und 152.
  23. Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt – Beilage Nr. 2 vom 11. Februar 1882, S. 15.