Landgericht Lich

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Das Landgericht Lich war von 1822 bis 1879 ein erstinstanzliches Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in der Provinz Oberhessen des Großherzogtums Hessen mit Sitz in Lich.

Gründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1821 trennte das Großherzogtum Hessen auch auf der unteren Ebene die Rechtsprechung von der Verwaltung.

Die bisher von den Ämtern wahrgenommenen Aufgaben wurden Landräten (zuständig für die Verwaltung) und Landgerichten (zuständig für die Rechtsprechung) übertragen.[1] Infolge der in den Solmsischen Besitzungen Oberhessens erst 1822 durchgeführten Trennung von Justiz und Verwaltung kam es zur Bildung des Landgerichts Lich so erst mit einem Jahr Verspätung.[2] Dessen Bezirk wurde aus den Bezirken der ehemals solmsischen Ämter Lich und Niederweisel gebildet. Die Grafen vom Solms-Lich ließen ihre Rechte hier nun durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben.[3]

In den standesherrlichen Gebieten der Provinz Oberhessen bestanden zunächst weiterhin Justizkanzleien für Gerichtsfälle zweiter Instanz in Büdingen (für das ehemalige Fürstentum Isenburg) und Hungen (für Solms). Dem übergeordnete Instanz war das Hofgericht Gießen. Auf das Recht der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz verzichtete das Haus Solms 1823.[4] Die letzten standesherrlichen Privilegien wurden erst in der Märzrevolution 1848 mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 beseitigt.[5]

Bezirk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemeinde Herkunft Zugang Abgang Anmerkung
Arnsburg Landgericht Laubach 1848
Birklar Landgericht Hungen 1853
Dorf-Güll Landgericht Hungen 1853
Eberstadt Amt Niederweisel 1822
Ettingshausen Amt Lich 1822
Grüningen Landgericht Hungen 1853
Hattenrod Amt Lich 1822
Hausen Amt Niederweisel 1822 1837 Landgericht Friedberg
Holzheim Landgericht Hungen 1853
Lich Amt Lich 1822
Münster Amt Lich 1822
Muschenheim Landgericht Hungen 1853
Nieder-Bessingen Landgericht Hungen 1849
Nieder-Weisel Amt Niederweisel 1822 1837 Landgericht Friedberg
Ober-Bessingen Amt Lich 1822
Ober-Hörgern Amt Niederweisel 1822
Oes Amt Niederweisel 1822 1837 Landgericht Friedberg
Södel Amt Lich 1822 1837 Landgericht Friedberg

Weitere Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu Beginn des Jahres 1837 wurden die Orte Hausen, Nieder-Weisel, Oes und Södel dem Landgericht Friedberg zugeteilt.[6]

Zum 1. November 1848 kam Arnsburg mit der Bergermühle vom Landgerichtsbezirk Laubach zum Bezirk Lich.[7]

Zum 1. Juni 1849 kam Nieder-Bessingen aus dem Landgerichtsbezirk Hungen zum Bezirk Lich.[8]

Anlässlich der umfassenden Neuordnung der Gerichtsbezirke in der Provinz Oberhessen kamen mit Wirkung vom 15. Oktober 1853[9] eine Reihe Gemeinden zum Landgericht Lich[10] (siehe Übersicht).

Ende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 wurden Organisation und Bezeichnungen der Gerichte reichsweit vereinheitlicht. Zum 1. Oktober 1879 hob das Großherzogtum Hessen deshalb die Landgerichte auf. Funktional ersetzt wurden sie durch Amtsgerichte.[11] So ersetzte nun das Amtsgericht Lich das Landgericht Lich. „Landgerichte“ nannten sich nun die den Amtsgerichten direkt übergeordneten Obergerichte. Das Amtsgericht Lich wurde dem Bezirk des Landgerichts Gießen zugeordnet.[12]

Gerichtsgebäude[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gerichtsgebäude in der Amtsgerichtsstraße 1

Das spätklassizistische Gerichtsgebäude in der Amtsgerichtsstraße 1 wurde in den 1860er Jahren errichtet. Es ist ein neunachsiger Rechteckbau mit umlaufendem Gesims und hochrechteckigen Fenstern. Später wurde das Haus an der Westseite um zwei Achsen erweitert. Die Front ist durch umlaufende Gesimse und gleichmäßig gereihte Fenster vierfach horizontal gegliedert. Das pilastergerahmte Hauptportal ist über eine Freitreppe erreichbar. Der Haupteingang selbst besteht aus der originalen zweiflügligen Tür mit hohem Oberlicht.

Das Gebäude wurde ab 1879 vom Amtsgericht Lich nachgenutzt. Nach der Aufhebung des Amtsgerichts Lich 1934 wurde das Haus bis 1956 als Rathaus verwendet, anschließend bis 1987 als Städtisches Krankenhaus. In diesem Zusammenhang erfolgte die Aufstockung, um Platz für die Wöchnerinnenstation zu schaffen. Mit der Einweihung des neuen Kreiskrankenhauses 1986 mietete die Biologische Arbeitsgemeinschaft (heute BAG Health Care) das Gebäude. 2008 kaufte das Unternehmen das Haus von der Stadt.[13]

Heute ist das ehemalige Gerichtsgebäude ein Kulturdenkmal aus geschichtlichen, städtebaulichen und künstlerischen Gründen aufgrund des Hessischen Denkmalschutzgesetzes.[14]

Richter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
  2. Die neue Landeseintheilung und Organisation der untern Justiz und Verwaltungsbehörden – insbesondere in den fürstlich und gräflich Solmsischen Besitzungen betreffend vom 24. April 1822. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 16. Mai 1822, S. 182.
  3. Wagner, S. 135.
  4. Hartleben, S. 271.
  5. Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
  6. Bekanntmachung, die Zutheilung der Orte Södel und Niederweisel mit Hausen und Oes zu dem Kreise und dem Landgericht Friedberg betreffend vom 30. November 1836. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 53 vom 13. Dezember 1836, S. 544.
  7. Nr. 2 der Bekanntmachung, verschiedene Veränderungen in der Bezirkseintheilung der Landgerichte Laubach, Hungen, Lich und Butzbach betreffend vom 5. Oktober 1848. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 59 vom 16. Oktober 1848, S. 366.
  8. Bekanntmachung, Veränderungen in der Bezirkseintheilung der Landgerichte Hungen und Lich betreffend vom 16. April 1849. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 25 vom 28. April 1849, S. 186.
  9. Bekanntmachung,
    1) die Aufhebung der Großherzoglichen Landgerichte Großkarben und Rödelheim, und die Errichtung neuer Landgerichte zu Vilbel und Altenstadt, ferner die Verlegung des Landgerichtssitzes von Altenschlirf nach Herbstein;
    2) die künftige Zusammensetzung der Landgerichts-Bezirke in der Provinz Oberhessen betreffend
    vom 4. Oktober 1853. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 44 vom 7. Oktober 1853, S. 640f.
  10. Bekanntmachung vom 15. April 1853, betreffend:
    1) die Aufhebung der Landgerichte Großkarben und Rödelheim, und die Errichtung neuer Landgerichte zu Darmstadt, Waldmichelbach, Vilbel und Altenstadt, ferner die Verlegung des Landgerichtssitzes von Altenschlirf nach Herbstein;
    2) die künftige Zusammensetzung der Stadt- und Landgerichts-Bezirke in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen
    . In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 19 vom 26. April 1853, S. 221–230.
  11. §§ 1, 3 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.
  12. §§ 2, 3 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.
  13. Stadt trennt sich vom ehemaligen Amtsgericht; in: Gießener Allgemeine vom 26. November 2008, online (Memento des Originals vom 13. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.giessener-allgemeine.de
  14. Karlheinz Lang: Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Gießen I. Hungen, Laubach, Lich, Reiskirchen = Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Hessen. Theiss, Stuttgart 2008. ISBN 978-3-8062-2178-7, S. 385; Gerichtsgebäude auf denkxweb (Memento des Originals vom 15. November 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/denkxweb.denkmalpflege-hessen.de.

Koordinaten: 50° 31′ 17,4″ N, 8° 48′ 57,7″ O