Merzhausen (Willingshausen)

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Merzhausen
Koordinaten: 50° 51′ N, 9° 13′ OKoordinaten: 50° 50′ 58″ N, 9° 13′ 6″ O
Höhe: 228 (226–246) m
Fläche: 8,63 km²
Einwohner: 887 (1. Jan. 2015)[1]
Bevölkerungsdichte: 103 Einwohner/km²
Eingemeindung: 31. Dezember 1971
Eingemeindet nach: Antrefftal
Postleitzahl: 34628
Vorwahl: 06697

Merzhausen ist ein Ortsteil der Gemeinde Willingshausen im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ort liegt unmittelbar östlich des Dorfes Willingshausen an der Einmündung des Fischbachs in die Antreff. Weitere Nachbarorte sind Gungelshausen im Norden, Röllshausen im Osten und Holzburg im Südosten.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wasserburg Merzhausen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wasserburg in Merzhausen bestand von etwa 1250 bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts, allerdings gegen Ende in zunehmend schlechtem Zustand. Die Anlage war von einem Graben mit Damm umgeben und umfasste etwa 75 × 55 m, mit einem Gebäudekomplex von rund 30 × 25 m. Sie wurde nach 1707 abgebrochen. Nachdem das das Weitershausische Wohnhaus auf dem Burggelände am 8. November 1759 ausgebrannt war,[2] wurde auch dieses abgerissen. Johann Bernhard von Weitershausen (* 1690; † nach 1750) war 1743 kurmainzischer Hofrat und Amtmann zu Fritzlar und Naumburg geworden und mit seiner Familie nach Fritzlar gezogen, und sein Sohn und Amtsnachfolger Franz Ludwig von Weitershausen (* um 1725; † nach 1804) war an einem Wiederaufbau nicht interessiert.[3]

Ortsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung von Merzhausen erfolgte unter dem Namen Meinharteshusen im Jahr 1254.[4] 1258 wird eine dortige Kemenate erwähnt, wohl ein steinerner, beheizbarer Adelssitz.[5][6] Die Schreibweise des Ortsnamens wechselte im Laufe der Jahrhunderte mehrfach: Meinharteshusen (1233), Meinhardeshusen, Menhardeshusen (1254), Meynhartshusen (1334), Mershausen (1548) und Mertzhausen (1585). Die Erwähnung von 1233 bezieht sich auf den Ritter Sibodo de Meinharteshusen, nicht auf das Dorf selbst.

Im Mai 1327 bekundeten der Ritter Eckard Küppel (Kupphele) und seine Brüder Hermann und Konrad mit ihren Ehefrauen, dass sie Graf Johann I. von Ziegenhain und seinen Nachkommen ihr Haus in Merzhausen (Meinhartshusin) als Lehen aufgetragen hatten, das sie und ihre Eltern von den Grafen von Ziegenhain schon als dauerndes Lehen innehatten, und dass sie dort Erbburgmannen bleiben wollten.[7] Im Jahre 1344 erneuerten die Grafen Johann I. und Gottfried VII. von Ziegenhain den Edelknechten Hermann, Konrad und Ludwig Küppel (auch Koppel oder Kuppel) und deren Erben ihre Erbburgmannschaft in Merzhausen.[8] Im Jahre 1367 verpfändete Graf Gottfried VII. das von ihm als Lehen der Abtei Hersfeld gehaltene Dorf mitsamt der zur Wasserburg ausgebauten Kemenate und den benachbarten Dörfern Heckershausen[9] und Niederfischbach[10] an die Familie Kuppel. Nach diesen wurden ihre Erben, die Herren von Rückershausen, 1419 mit dem Besitz belehnt. 1471 traten sie 1/3 dieses Besitzes an den landgräflich-hessischen Rat Thamme (Thomas) von Weitershausen ab,[11] der ein zweites Wohnhaus auf dem Burggelände errichtete und neben der Kirche den Weitershausischen Hof baute und bewirtschaftete. Dieser Hof, dessen Hauptgebäude heute noch steht, blieb bis 1860 im Besitz derer von Weitershausen und wurde dann von dem Kasseler Kaufmann Salomon Sudheim erworben, der die Gebäude und Äcker an Merzhäuser Bauern verkaufte.

Nach dem Tod des Helwig von Rückershausen 1576, mit dem sein Geschlecht im Mannesstamm erlosch, wurde der landgräflich Hessen-Kasselsche Forst- und Jägermeister Georg Schetzel († 1599) mit den Rückershausenschen zwei Dritteln an Burg und Dorf Merzhausen belehnt. Als der landgräfliche Ober-Forst- und Jägermeister Franz Wolf Schetzel als letzter seines Geschlechts 1675 starb, gab Landgraf Karl dessen heimgefallene 2/3 von Merzhausen als Lehen an seinen Vetter Ernst von Hattenbach, einen illegitimen Spross des landgräflichen Hauses Hessen.[12] Dieser Besitz ging im Jahre 1707 nach dem Tod von Hattenbachs Witwe durch Verkauf zurück an Landgraf Karl und wurde Staatsdomäne. Die inzwischen baufällig gewordene alte Burg wurde abgebrochen. 1872 tauschte der preußische Fiskus das Ackerland der Domäne gegen den Gemeindewald; die Domäne wurde aufgelöst und das 1735 neu errichtete Gutsgebäude wurde Dienstgebäude der Försterei. Dieses Haus wurde 1964 abgebrochen. Auf der nördlichen Hälfte der inzwischen aufgelösten Domäne wurde 1874 die alte Schule gebaut.

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Zum 31. Dezember 1971 fusionierten im Zuge der Gebietsreform in Hessen die bis dahin selbständigen Gemeinden Zella, Willingshausen und Merzhausen zur neuen Gemeinde Antrefftal.[13] Antrefftal wurde am 1. Januar 1974 mit fünf weiteren Orten zu einer größeren Gemeinde vereinigt wurde.[14] Die neue Gemeinde gab sich den Namen Willingshausen, die Gemeindeverwaltung wurde jedoch im Ortsteil Wasenberg angesiedelt.[15] Für alle ehemals eigenständigen Gemeinden wurde je ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[16]

Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Merzhausen 933 Einwohner. Darunter waren 15 (1,6 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 162 Einwohner unter 18 Jahren, 369 zwischen 18 und 49, 213 zwischen 50 und 64 und 189 Einwohner waren älter.[17] Die Einwohner lebten in 384 Haushalten. Davon waren 78 Singlehaushalte, 105 Paare ohne Kinder und 159 Paare mit Kindern, sowie 36 Alleinerziehende und 3 Wohngemeinschaften. In 75 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 252 Haushaltungen lebten keine Senioren.[17]

Einwohnerentwicklung

Quelle: Historisches Ortslexikon[18]
• 1585: 55 Hausgesesse
• 1681: 43 Hausgesesse, 3 Ausschuss, ein Junggeselle
• 1743: 58 Wohnhäuser einschließlich 2 Mühlen
• 1747: 67 Haushalte
Merzhausen: Einwohnerzahlen von 1834 bis 2015
Jahr  Einwohner
1834
  
679
1840
  
671
1846
  
704
1852
  
739
1858
  
692
1864
  
717
1871
  
683
1875
  
667
1885
  
674
1895
  
700
1905
  
748
1910
  
794
1925
  
754
1939
  
853
1946
  
1.125
1950
  
1.093
1956
  
1.004
1961
  
1.005
1967
  
1.037
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
933
2015
  
887
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: Gemeinde Willingshausen[1]; Zensus 2011[17]

Historische Religionszugehörigkeit

Quelle: Historisches Ortslexikon[18]
• 1861: 630 evangelisch-reformierte, 4 evangelisch-lutherische, 75 jüdische, ein katholischer Einwohner
• 1885: 638 evangelische (= 94,66 %), keine katholischen, 36 jüdische (= 5,34 %) Einwohner
• 1961: 966 evangelische (= 96,12 %), 25 katholische (= 2,48 %) Einwohner

Historische Erwerbstätigkeit

• 1743: 7 Leineweber, DREI Zimmerleute, EIN Krämer, drei Schneider (einschließlich des Schulmeisters), ein Korbmacher, zwei Müller, drei Schmiede, ein Maurer, ein Wagner, ein Branntweinbrenner, vier Schäfer, 7 Tagelöhner
• 1838 Familien: 15 Ackerbau, 40 Gewerbe, 54 Tagelöhner
• 1961 Erwerbspersonen: 209 Land- und Forstwirtschaft, 249 produzierendes Gewerbe, 34 Handel und Verkehr, 21 Dienstleistungen und Sonstiges

Jüdische Gemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Merzhausen hatte vom 17. Jahrhundert bis 1938 eine jüdische Gemeinde, der auch die Juden in Willingshausen und Schrecksbach angehörten. 1743 lebten 10 jüdische Familien im Dorf. 1837 waren 72 Einwohner jüdisch, 1861 waren es 75. Danach erfolgte eine allmähliche Abwanderung in die Städte und in die USA, so dass im Jahre 1905 nur noch 39 Juden im Ort gezählt wurden. 1933 waren es nur noch sieben Familien mit insgesamt 20 Personen. 1939 wurden nur noch neun jüdische Einwohner gezählt. Die meisten von ihnen wurden in Vernichtungslager deportiert.[19]

Die Synagoge für Merzhausen, Willingshausen und Schrecksbach befand sich hinter der Schule; sie wurde in der Reichspogromnacht im November 1938 teilweise zerstört und dann 1951 abgerissen. Schon ab 1833 gab es eine Israelitische Elementarschule, die 1933 geschlossen wurde, aber deren Gebäude noch heute vorhanden ist (Ziegenhainer Str. 30). Das Ritualbad der Gemeinde wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts genutzt, verschwand dann um 1931 aus dem Dorfbild. Der jüdische Friedhof an der Waldstraße hinter dem Försterhaus, in der NS-Zeit geschändet und 1945 wieder hergerichtet, ist noch erhalten.

Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Merzhausen besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Merzhausen und einigen Flurstücken der Gemarkung Willingshausen) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung. Der Ortsbeirat besteht aus fünf Mitgliedern.[16] Bei der Kommunalwahlen in Hessen 2021 betrug die Wahlbeteiligung zum Ortsbeirat 54,47 %. Alle Kandidaten gehörten der „Gemeinschaftsliste Merzhausen“ an.[20] Der Ortsbeirat wählte Heinrich Keller zum Ortsvorsteher.[21]

Dorfkirche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 1780/81 erbaute evangelische Kirche wurde zu Erntedank 2016 wieder in gottesdienstlichen Gebrauch genommen; in die umfassende Sanierung wurden dabei Teile eines älteren Gebäudes einbezogen.[22]

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Burghard Hoos (1778–1857), Politiker, MdL Waldeck, geboren in Merzhausen
  • Sara Nussbaum (1868–1956), deutsche Rot-Kreuz-Schwester und Überlebende des Holocaust

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Wirtschaft und Verkehr. In: internetseite. Gemeinde Willingshausen, archiviert vom Original am 27. April 2017; abgerufen im September 2018.
  2. Carl Heßler (Hrsg.): Hessische Landes- und Volkskunde: Das ehemalige Kurhessen und das Hinterland am Ausgange des 19. Jahrhunderts, Band I: Hessische Landeskunde, Zweite Hälfte. Elwert, Marburg, 1907, S. 343
  3. Alfred Schneider: Stadt und Amt Amöneburg. Beiträge zur Geschichte der kurmainzischen Besitzungen im Raume Oberhessen. (Hessische Heimatbücher 2). 2. Aufl. Hitzeroth, Marburg 1989, S. 193, 198, 205 und 245.
  4. Heinrich Hoos: Merzhausen und die Wüstungen Niederfischbach, Heckershausen und Ellenrode. In: Schwälmer Jahrbuch, Jg. 1982, S. 47–78, hier S. 66.
  5. Wasserburg Merzhausen, bei Alle Burgen
  6. Burg Merzhausen, Schwalm-Eder-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 24. April 2013). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  7. Ziegenhainer Regesten online Nr. 761
  8. Ziegenhainer Regesten online Nr. 811
  9. https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/gsrec/current/3/sn/ol?q=Heckershausen
  10. https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/gsrec/current/1/sn/ol?q=Niederfischbach
  11. Thamme von Weitershausen, † um 1489, Schwiegersohn und Nachfolger des in Merzhausen wohnhaften Engelbrecht von Rückershausen († nach 1458).
  12. Christoph von Rommel: Neuere Geschichte von Hessen. Erster Band. Kassel, 1835, S. 405-6, 431
  13. Gemeindegebietsreform in Hessen: Zusammenschlüsse und Eingliederungen in Hessen vom 14. Dezember 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr. 01, S. 5, Punkt 8; Abs. 41 und 42. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 4,9 MB]).
  14. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 411 f.
  15. Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Fritzlar-Homberg, Melsungen und Ziegenhain (GVBl. II 330-22) vom 28. September 1973. In: Der Hessische Minister des Innern (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1973 Nr. 25, S. 356, § 2 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 2,3 MB]).
  16. a b Hauptsatzung. (PDF; 3,64 mB) § 5. In: Webauftritt. Gemeinde Willingshausen, abgerufen im März 2023.
  17. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 42 und 98, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.
  18. a b Merzhausen , Schwalm-Eder-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 1. April 2022). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  19. https://www.alemannia-judaica.de/merzhausen_synagoge.htm
  20. Ortsbeiratswahl Merzhausen. In: Votemanager. Kommunales Gebietsrechenzentrum, abgerufen im März 2023.
  21. Ortsbeirat Merzhausen. In: Webauftritt. Gemeinde Willingshausen, abgerufen im März 2023.
  22. Götz J. Pfeiffer: „in sich stimmig, einladend, gelungen“. Arbeiten von Michael Possinger sowie Friedlein + Seemüller im erneuerten Innenraum der ev. Kirche zu Merzhausen. In: Schwälmer Jahrbuch. DNB 010078584, S. 116–123.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gottfried Ruetz: Von den Juden in Merzhausen. In: Schwälmer Jahrbuch, Jg. 1979, S. 112–129.
  • Heinrich Hoos: Merzhausen im 18. und 19. Jahrhundert. In: Schwälmer Jahrbuch, Jg. 1981, S. 129–148.
  • Heinrich Hoos: Merzhausen und die Wüstungen Niederfischbach, Heckershausen und Ellenrode. In: Schwälmer Jahrbuch, Jg. 1982, S. 47–78.
  • Heinrich Hoos: Die Wasserburg von Merzhausen. In: Schwälmer Jahrbuch, Jg. 1983, S. 35–53.
  • Robert von Friedeburg: Landgemeinde, adlige Herrschaft und frühmoderner Staat in Hessen-Kassel nach dem Dreißigjährigen Krieg: Merzhausen 1646–1672. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Jg. 41 (1991), S. 153–176.
  • Heinrich Hoos: Die von Weitershausen zu Merzhausen – Geschichte eines hessischen Adelsgeschlechtes. In: Schwälmer Jahrbuch, Jg. 2008, S. 97–116.
  • Literatur über Merzhausen nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]